„Schwäbisch Casablanca“ – so wurde die Weissenhofsiedlung auf Postkarten Anfang der 30er-Jahre verhöhnt. Im Video „White City“, das in der Staatsgalerie zu sehen sein wird, spielt der Künstler Dani Gal darauf an. Foto: Courtesy Dani Gal, Galerie Kadel - Courtesy Dani Gal, Galerie Kadel Willborn

Stuttgart war zwar nicht direkt eine Bauhaus-Stätte, lässt sich zum 100. Geburtstag der berühmten Avantgarde-Schmiede aber trotzdem einiges einfallen. Immerhin zeugt die Weissenhof-Siedlung vom Bauhaus-Geist.

StuttgartDas Bauhaus feiert sein 100-Jahr-Jubiläum, mit Hunderten von Veranstaltungen in der ganzen Republik. Stuttgart ist nie eine Bauhaus-Stätte gewesen, dennoch hat der Wind der Moderne auch hier Kunst und Architektur kräftig durchgepustet. Es gibt viele Namen, die sowohl mit dem Bauhaus als auch mit Stuttgart eng verknüpft sind. Dazu zählen der Maler Adolf Hölzel sowie dessen Schüler Johannes Itten und Oskar Schlemmer, die selbst später am Bauhaus wirkten. Und natürlich ist die Weissenhof-Siedlung bis heute, zusammen mit dem Bauhaus Dessau, das bekannteste Bauensemble der Moderne weltweit. Hier ein Überblick, was Stuttgart zum Jubiläum beiträgt.

Architekturgalerie am Weissenhof

Noch bis 3. März widmet sich eine Ausstellung einer undogmatischen Weiterführung der Bauhaus-Ideen: der Casa sperimentale, einer Wohnvision, die ein italienisches Architektenpaar ab 1968 in einem Küstenort bei Rom umsetzte.

In drei weiteren Ausstellungen geht es weniger um die vom Bauhaus hervorgebrachten Formen, sondern um die Frage etwa nach „Haltung, Absicht, Rahmenbedingungen“. Drei junge Künstler erhalten die Gelegenheit, sich mit Bauhaus-Begriffen auseinanderzusetzen. Ludwig Michael beschäftigt sich in „Armada Werke“ mit dem Prinzip des Nomadischen (15. März bis 5. Mai); Heike Klussmann betreibt in „in between“ Materialforschung (23. Mai bis 7. Juli). Und Jule Waibel führt in ihrem „Gesamt(Falt)Kunstwerk“ bauhausgerecht Kunst und Handwerk zusammen in einem Raum, „der sich entfaltet“ (18. Juli bis 6. Oktober).

Weissenhofmuseum

Das Weissenhofmuseum Le Corbusier Haus will rekonstruieren: Wieviel Bauhaus steckt in der Weissenhofsiedlung? Welche Berührungspunkte hatten die 17 Architekten mit Dessau? Gibt es den einen „Bauhaus-Stil“ überhaupt? All diese Fragen soll vom 18. Mai bis 21. Juli die Ausstellung „Nicht alles ist Bauhaus“ beantworten. Die zweite Ausstellung vom 12. Oktober bis 22. Dezember behandelt Stuttgarts bekanntesten Architekten des Neuen Bauens, Richard Döcker. Auch er war nie selbst am Bauhaus tätig, gehörte aber zum engeren Zirkel.

Staatsgalerie

Die Künstler Dani Gal, Michaela Melián, Martin Schmidl und Boris Sieverts untersuchen den Bauhaus-Kosmos „in und von Stuttgart aus“ und nehmen das Publikum mit auf Tour. Die Schau „Weissenhof City. Von Geschichte und Gegenwart der Zukunft einer Stadt“ von 7. Juni bis 20. Oktober wird daher nicht nur in der Staatsgalerie, sondern auch an Stationen im Stadtraum präsentiert.

Kunstmuseum

Im Kunstmuseum ist keine Sonderausstellung geplant, schließlich steckt in der Sammlung des Hauses schon viel Bauhaus drin. So kann der Besucher gezielt die Hölzel-Arbeiten ansteuern, immerhin hat das Kunstmuseum so viele Hölzel-Werke wie keine andere öffentliche Sammlung; genauso wie die Schlemmers, Ittens und Willi Baumeisters, die in der Dauerpräsentation vertreten sind. Wie die Verbindungen speziell von Baumeister und Bauhaus geartet sind, dröseln Führungen durch das Archiv Baumeister auf. Baumeister entwarf für die Weissenhofsiedlung Briefbögen, Inserate, Prospekte – Höhepunkte in der Entwicklung zweckgebundener Grafik. Termine: 1. März, 5. April, 5. Juli, 8. November, jeweils 18 Uhr.

Stuttgarter Ballett

Spartenübergreifend und damit sehr bauhäuslerisch beteiligt sich das Stuttgarter Ballett am Jubiläums-Reigen. Der Ballettabend „Aufbruch!“, der am 28. März im Schauspielhaus Premiere feiert, ist eine Koproduktion mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar. Im Auftrag von Ballettchef Tamas Detrich lassen sich zwei Choreografinnen und ein Choreograf von der Aufbruchsstimmung, die 1919 herrschte, inspirieren. Neben der Niederländerin Nanine Linning und dem Rumänen Edward Clug steuert die Stuttgarterin Katarzyna Kozielska eine Arbeit bei.

Neuerscheinung

Wie intensiv die Verknüpfungen der Avantgarde-Schmiede mit Stuttgart waren und wo und wie der revolutionäre Bauhaus-Geist in der Stadt und in der Region wirkte: Das zeigen Anja Krämer und Inge Bäuerle in ihrem reich bebilderten Band „Stuttgart und das Bauhaus“ (Belser Verlag, Stuttgart. 136 Seiten, 25 Euro).