Claus Schenk Graf von Stauffenberg Foto: AFP - AFP

Neue Ausstellung im Haus der Geschichte widmet sich Stauffenberg – In erster Linie geht es um die Rezeption

StuttgartEr war ein Schöngeist und beseelt von der Lyrik Stefan Georges. Seine große Liebe aber galt dem Cello. Selbst als Soldat hatte Claus Schenk Graf von Stauffenberg das Instrument im Gepäck und spielte an den Abenden, auch wenn die anderen verwundert die Köpfe schüttelten. Stauffenberg war aber auch ein Nazi, ein Antisemit und Befürworter Hitlers. „Die Bevölkerung hier ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk“, schreibt er einmal an seine Frau, „ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt.“

Wie war er also, jener Mann, der vor genau 75 Jahren, am 20. Juli 1944, versuchte, ein Attentat auf Adolf Hitler zu verüben? Stauffenberg hatte Sprengstoff ins Führerhauptquartier gebracht, doch die geplante Besprechung wurde unerwartet vorverlegt, so dass Stauffenberg nur noch die Zeit blieb, um ein Sprengstoffpäckchen zu zünden. Der Anschlag misslang. Im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart kann man nun nachlesen, wie enorm die Meinungen über die Figur Stauffenberg auseinandergehen. Seit einigen Jahren tobt im Internet und in den Medien eine Diskussion, ob Stauffenberg „Nazi, Antisemit, kühner Wirrkopf?“ war, wie die Wochenzeitung „Zeit“ kürzlich fragte. Oder ist Stauffenberg ein Held wie jeder, „der in einem totalitären Regime einen Hauch von Humanität bewahrt“, wie der „Mannheimer Morgen“ überzeugt schreibt?

Cello und Ehrensäbel

Die Stauffenberg-Erinnerungsstätte im Alten Schloss in Stuttgart ist derzeit geschlossen wegen Umbauarbeiten des Landesmuseums. Deshalb hat das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in seinen eigenen Räumen eine Ausstellung zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg konzipiert, um an den 75. Jahrestag des Attentats zu erinnern, das Stauffenberg mit dem Leben bezahlte. Er wurde im Hof des Berliner Bendlerblocks erschossen. Heinrich Himmler erklärte, dass die Familie Stauffenberg bis ins letzte Glied ausgelöscht würde, aber Nina Gräfin Stauffenberg, die im Gefängniskrankenhaus noch ein Kind auf die Welt brachte, überlebte seinerzeit, genauso wie die gemeinsamen Kinder, die unter falschen Namen ins Kinderheim gebracht wurden.

In der Stuttgarter Ausstellung „Attentat. Stauffenberg“ werden vergleichsweise wenig Objekte präsentiert – hier das legendäre Cello, dort Stauffenbergs Ehrensäbel. Fotografien erinnern an die Jugendjahre in Stuttgart. Die Mutter stammte aus altem Adel, der Vater war königlich württembergischer Stallmeister, dem eine Dienstwohnung im Alten Schloss samt Dachterrasse zustand. In den Ferien fuhr man auf das Familienschloss auf der Schwäbischen Alb. Als junger Mann kommen die Stauffenberg-Brüder in den Dichterkreis um Stefan George, der für sie ein Prophet eines neuen Deutschlands ist. Die kleine, elitäre Gruppe strebt eine geistige Erneuerung des Landes an.

Aber die Liebe zu Kunst und Kultur ist eben nur die eine Seite Stauffenbergs, der eine militärische Karriere einschlägt. Nach dem Abitur tritt er in die Reichswehr ein, besucht die Infanterieschule in Dresden und die Kavallerieschule in Hannover. Die Offiziersprüfung legt er als Jahrgangsbester ab. Als er 1933 die evangelische Freiin Nina von Lerchenfeld heiratet, trägt er selbstverständlich Uniform. „Hochzeit ist Dienst“, meint er.

Ambivalenz bleibt

Der Hauptteil der neuen Ausstellung widmet sich der Rezeption Stauffenbergs und der Frage, ob er ein Held war – oder doch ein Volksverräter, wie die Nazipropaganda nicht nachließ zu wiederholen. Auf Tablets kann man Beiträge aus Internetchats nachlesen, wo Stauffenberg mal als „Putschist“, mal als „mutiger Held“ bezeichnet wird. Der Stauffenberg-Biograf Thomas Karlauf kommt zu dem Schluss, dass Stauffenberg nicht aus Gewissensgründen gehandelt habe, sondern aus politischen und militärischen Überlegungen heraus. Das versuchte Attentat sei nur zufällig die moralisch richtige Tat gewesen.

So macht die Ausstellung vor allem deutlich, dass Persönlichkeiten und historische Ereignisse nicht immer eindeutig zu bewerten sind, sondern Ambivalenzen bleiben können. Vielleicht sind gerade sie der Grund, weshalb die Figur Stauffenbergs bis heute so viel Aufmerksamkeit erfährt und Verfilmungen wie „Stauffenberg“ und „Operation Walküre“ zu Kassenschlagern wurden. Sogar eine Stauffenberg-Uniform hängt im Haus der Geschichte in der Vitrine, allerdings stammt sie nicht von Stauffenberg, sondern von Martin Sonneborn. Im vergangenen Jahr kam der Satiriker auf die Frankfurter Buchmesse als Wiedergänger Stauffenbergs in Uniform samt Augenklappe. Er wollte die Lesung des AfD-Politikers Björn Höcke besuchen, wurde aber nicht eingelassen. „Ob’s an der Aktentasche lag?“, postete Sonneborn danach, denn auch er hatte eine Aktentasche dabei wie 1944 Stauffenberg, der darin den Sprengstoff in die Wolfsschanze transportierte.

Ausstellung bis 30.August 2020, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr. Am 11. Juli um 19 Uhr findet eine Diskussion mit Stauffenberg-Biograf Thomas Karlauf statt.