Ganz im Zeichen des Trostes stand der Auftritt des Philharmonischen Chors Esslingen am Abend des Volkstrauertags. Foto: Kellmayer Quelle: Unbekannt

Von Rainer Kellmayer

„Nicht für die Toten, sondern als Trost für die Lebenden“ hat Johannes Brahms sein „Deutsches Requiem“ geschrieben, welches am Abend des Volkstrauertags in einer bemerkenswerten Aufführung des Philharmonischen Chors Esslingen in der Frauenkirche erklang. Vor der Uraufführung 1869 in Leipzig hatte sich Brahms über viele Jahre mit seinem Requiem beschäftigt, wobei persönliche Erlebnisse und Schicksalsschläge die Triebfeder waren. Erst nach dem Tod seiner Mutter vollendete er das Werk. „Ich habe meine Trauer niedergelegt und sie ist mir genommen. Ich habe meine Trauermusik vollendet als Seligpreisung der Leidtragenden“, schrieb Brahms an einen Freund.

Ganz im Zeichen des Trostes stehen die Eingangsworte des Requiems: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.“ Brahms schrieb nicht eine Totenmesse im üblichen Sinn - er stellte das Mitfühlen mit den Hinterbliebenen in den Mittelpunkt. Der Komponist war zwar ein religiöser Freigeist, jedoch ein sehr gläubiger Mensch, der täglich in der Bibel las. Aus dieser Geisteshaltung heraus stellte er für sein Requiem Texte des Alten und Neuen Testaments zusammen und vertonte sie mit einer von Ernst, Würde und Zuversicht getragenen Musik.

Dieser menschliche Ton wurde vom Philharmonischen Chor gut getroffen. Beeindruckend war bereits der erste Choreinsatz nach verhaltener Orchestereinleitung. A-cappella, in hauchzartem Pianissimo erzeugten die Choristen eine intensive Spannung, die emotional berührte und unter die Haut ging. Sabine Layer legte einen Schwerpunkt auf differenzierte Lautstärkegrade. Immer wieder baute sie aus dem Piano heraus lineare dynamische Steigerungen auf, die in gewaltige Klimaxe mündeten.

Überlegte Klangregie

Und wenn der Chor in „Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit“ oder „Der Tod ist verschlungen“ in mächtigem Forte auftrumpfte, blieb der Klang doch stets auf nobler Spur. Herrlich geschmeidig ertönte „Wie lieblich sind deine Wohnungen“, und die klar markierten fugierten Einsätze machten „Herr, du bist würdig zu nehmen“ zu einem dramatischen Höhepunkt. Mit überlegter Klangregie fand Layer die Balance zwischen Tiefgründigkeit und fließender Bewegung der Musik - sie wählte eher gemessene Tempi, was ihrem Ensemble den Atem gab, die verschiedenen, von Brahms musikalisch gezeichneten Emotionen des trauernden Menschen kongenial einzufangen. So gelang es, ein musikalisches Gleichgewicht zwischen dem Menschen (dem Chor) und dem Göttlichen (den Solisten) herzustellen. Mit strahlendem, makellos geführtem Sopran legte Victoria Kunze in „Ihr habt nun Traurigkeit“ eine helle Leuchtspur. Philipp Franke artikulierte „Herr, lehre doch mich“ klar und überzeugte auch in „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“ mit seinem angenehm timbrierten, strahlkräftigen Bariton.

Die Süddeutschen Kammersolisten stützten die Vokalisten zuverlässig, schafften den Spagat zwischen zartem Pianissimo und auftrumpfendem Forte mühelos: intonationssicher und homogen im Klang. Eingangs war Samuel Barbers berühmtes „Adagio“ in einer Bearbeitung des Komponisten für Chor und Streicher erklungen. Der Philharmonische Chor Esslingen sang den unterlegten Agnus Dei-Text ausdrucksstark, sorgte für spannungsvolle Linien.