Von Dietholf Zerweck

Ludwigsburg - Frisch zurück vom Klavierfestival Ruhr präsentierten sich Inkinen, Thibaudet und das Festspielorchester im Ludwigsburger Forum mit Werken von Rachmaninow, Gershwin und Bernstein unterm dem Titel „American Dreams“ einem begeisterten Publikum. Weich abgefedert der Beginn von Leonard Bernsteins Sinfonischen Tänzen aus „West Side Story“. Inkinen lässt es langsam und wenig pointiert angehen, erst beim „Mambo“ ist das Orchester hellwach und bringt temperamentvolle Hochspannung ins Geschehen. Der „Cha Cha“ hat Witz, das Porträt der beiden Liebenden in der „Meeting Scene“ ist ein klanglich fein ausgeleuchteter Entspannungsmoment vor den heftig explodierenden Kampfszenen der „Cool“-Fuge und des „Rumble“.

Bei George Gershwins „Concerto in F“ sind Orchester und Solist dann im besten Einklang. Jean-Yves Thibaudet bringt genuines Jazz-Feeling in dieses Stück zwischen klassischem Klavierkonzert und sprühender Improvisation. Das wirkt geradezu ansteckend auf Inkinen und das Festspielorchester, die Streicher schwelgen im Sound von Gershwins Songbook, das Finale des ersten Satzes ist wie ein Wettrennen der beiden Ferrari- und Porschefans Thibaudet und Inkinen, doch punktgenau und völlig rhythmisch synchron kommen sie über die Ziellinie. Die Solo-Kadenzen des Pianisten sind großartig sensibel im Ausdruck, die Blues-Trompete von Laura Vukobratovic im Andante bläst ihren eigenen entrückten Traum, die rhythmische Brisanz und Explosivität des „Agitato“-Finale sind atemberaubend und von Thibaudet und dem Festspielorchester hinreißend musiziert. Für sein restlos begeistertes Publikum hat der französische Pianist noch eine besondere Zugabe, sie schlägt den Bogen von Gershwin zu Ravel. Dessen „Pavane pour une infante défunte“ ist Jean-Yves Thibaudets klangfarbenintensive Hommage an den Komponisten, mit dessen G-Dur-Konzert er schon als 11jähriger debütierte: ein wunderbarer Moment.

Sergej Rachmaninow träumt 1940, drei Jahre vor seinem Lebensende - nach Emigration 1917 vor den Bolschewisten aus Russland in die USA, Rückkehr nach Europa und Heimkehr nach Amerika beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs - seinen eigenen „American Dream“. Die „Sinfonischen Tänze“, vom Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy uraufgeführt, sind ein Rückblick auf sein Leben als Komponist mit Zitaten aus seiner ersten Sinfonie, seinen Klavierkonzerten, einer unvollendeten Ballettmusik, mit einem Walzer voll russischer Melancholie als Mittelsatz und dem aus der orthodoxen Liturgie herbeigerufenen „Dies-Irae“-Motiv am Ende einer grandios vielschichtigen Partitur. Hier präsentiert Inkinen das Orchester in Höchstform, mit rhythmisch scharf skandierten Tutti im Kontrast zu poetischen Holzbläsern (mit Saxophon-Solo!) im Intermezzo des Kopfsatzes, und einem voller Pathos und Seufzer-Melancholie eingeleiteten Finale, das sich zum Klangrausch steigert. Die funkelnde Orchester-Zugabe von Bernsteins „Candide“-Ouvertüre war der stürmisch applaudierte Schlusspunkt eines bravourösen Konzerts.