Achim Thorwald lebt heute in Eggenstein-Leopoldshafen. Foto: oh - oh

Nach seinen Jahren an der Württembergischen Landesbühne (WLB) in Esslingen hat Achim Thorwald Karriere an den Staatstheatern in Wiesbaden und in Karlsruhe gemacht.

Esslingen/KarlsruheÄlteren Esslingern ist Achim Thorwald noch als Schauspieler in Erinnerung. Im „Urfaust“ verkörperte der ehemalige Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen (WLB) den Gelehrten. Von 1976 bis 1985 war der Schauspieler und Regisseur Theaterchef an der „Wanderbühne“, wie er die Abstecherbühne liebevoll nennt. Dann zog es den erfolgreichen Künstler an größere Bühnen, unter anderem an die Staatstheater in Wiesbaden und Karlsruhe.

Seit 2011 ist Thorwald zwar im Ruhestand, aber dem Theater ist er immer noch verbunden. Am Samstag, 21. September, spricht der ehemalige WLB-Chef vor der Esslinger Premiere von Schillers „Kabale und Liebe“ zum 100-jährigen Bestehen des Theaters für die ehemaligen Intendanten. Wie kam er damals an das Landestheater nach Esslingen? Da lächelt der 76-Jährige spitzbübisch. Hannes Rettich, der damals bei der Landesregierung Baden-Württembergs für Theater zuständig war, habe ihn in Freiburg kennengelernt.

Wenig später rief der Politiker bei dem damaligen Oberspielleiter an und fragte, wie er denn seine berufliche Zukunft sehe. „Ich will Intendant werden“, platzte es aus Thorwald heraus. „Um sich mal kennen zu lernen“, regte Rettich an, sich für die Intendanz an der WLB zu bewerben – obwohl die eigentlich schon vergeben sei. Im Vorstellungsgespräch überzeugte der leidenschaftliche Theatermann die Verantwortlichen dann aber derart, dass sie ihn wählten. Thorwald erfuhr davon nicht als erster: „Mitten in der Nacht rief mich mein Bruder an und sagte, er habe im Radio gehört, dass ich neuer Intendant sei.“

Sportliche Herausforderungen liebte Thorwald der in seiner Jugend Feldhockey-Nationalspieler war, schon immer. Auf was er sich bei der Landesbühne mit regem Abstecherbetrieb eingelassen hat, wurde dem frischgebackenen Theaterchef schnell klar. „Wir mussten die Technik immer doppelt besetzen, weil wir ja in der Stadt und auf dem Land spielten.“ Da schuf der weltoffene Schauspieler und Regisseur viele neue Jobs, die er auch mit Mitarbeitern aus Eritrea und aus dem ehemaligen Jugoslawien besetzte. „Einige von den Leuten, die ich damals eingestellt habe, fanden an der WLB ihre berufliche Heimat.“ Auch das griffige Kürzel hat der Intendant kreiert. „WLB“, abgekürzt für Württembergische Landesbühne, sagen heute fast alle Esslinger, wenn sie ihr Theater meinen.

Herausfordernd war auch der Kontakt zu den Menschen in den Gastspielorten. „Die Kulturverantwortlichen da haben ihre eigenen Vorstellungen“, findet Thorwald. Im ersten Jahr habe er sie alle besucht, hat erfahren, was die Menschen in den ländlichen Gebieten bewegt. Besonders ans Herz gewachsen sind ihm Gerabronn und Ilshofen in Hohenlohe, die ältesten Abstecherorte der WLB. „Die Kleinstädte liegen nur zwölf Kilometer entfernt, aber sie haben ihr eigenes Programm.“ Mal spielt die WLB dort, mal da – und füllt immer die Hallen. Anspruchsvolles Theater in ländliche Regionen zu bringen, das hat Thorwald gefallen. Dennoch erinnert er sich an den harten Alltag: „Wer ein paar Jahre an einer Landesbühne gearbeitet hat, der ist für alle Herausforderungen am Theater gewappnet.“

Trotz seines gut gefüllten Terminkalenders stand Thorwald, der am berühmten Mozarteum in Salzburg Schauspiel studiert hat, immer wieder auf der Bühne. Ihm liegen die großen Charakterrollen – in Franz Kafkas „Der Prozess“ legte der vielseitige Künstler die psychologischen Tiefenschichten des Textes offen. Obwohl der Intendant in Verhandlungen nicht zuletzt mit seiner Lust an der Kommunikation und mit seiner Offenheit punktete, reizte ihn als Schauspieler die Suche nach dem Unausgesprochenen. Thorwald gab in seiner Amtszeit an der WLB Esslingen den Anstoß für den Theaterneubau und trieb ihn voran. Und der Künstler, der seit dem sechsten Lebensjahr auf der Bühne stand, bewegte die Chefs der baden-württembergischen Landesbühnen dazu, Kinder- und Jugendtheatersparten zu gründen. Das unterstützte sein langjähriger Weggefährte Hannes Rettich im Ministerium in Stuttgart.

Nach glücklichen Jahren in Esslingen ließ Thorwald die Sehnsucht nach dem Musiktheater nicht mehr los. Stationen als Theaterchef in Würzburg und Münster folgten, dann kam der Ruf als Hessische Staatstheater nach Wiesbaden. „Das hat meinen Vater so glücklich gemacht, der Staatskapellmeister war“, blickt Thorwald zurück. 2002 wurde er ans Badische Staatstheater nach Karlsruhe berufen. Die Vorstadt Eggenstein-Leopoldshafen ist seine Wahlheimat. Damals fand er eine desolate Ballett-Sparte vor, die nur noch 35 Prozent Platzausnutzung verzeichnete. Da erinnerte sich Thorwald, dessen Vater der Lieblingsdirigent von Ballettgröße John Cranko in Stuttgart war, an die ehemalige Primaballerina Birgit Keil, die mit ihrem Mann Vladimir Klos die Akademie des Tanzes in Mannheim leitete. Mit seinem Verhandlungsgeschick schaffte es Thorwald, alle Beteiligten zu überzeugen, dass sie Spartenleiterin in Karlsruhe werden durfte – das blieb sie bis Juli 2019, machte Karlsruhe international bekannt. Thorwald leitete die Opernsparte, Knut Weber das Schauspiel. „Mit diesen starken Kollegen blieb mir Zeit, zu inszenieren und zu spielen“, sagt der Intendant, der Karlsruhes hervorragenden Ruf in der internationalen Opernszene festigte.

Als er 2011 in den Ruhestand ging, brach Thorwald für ein knappes Jahr nach Südkorea auf, um an der Musikhochschule in Seoul junge Künstler zu unterrichten. „Sogar die Professoren kamen zu meinen Workshops“, sagt der Künstler strahlend. Sein Wissen an die junge Generation weiterzugeben, reizt ihn bis heute.

Achim Thorwald spricht am Samstag, 21. September, um 19.30 Uhr beim Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Württembergischen Landesbühne. OB Jürgen Zieger und die Schauspielerin Sabine Bräuning sprechen ebenfalls. Danach ist um 20 Uhr die Esslingen-Premiere von Schillers „Kabale und Liebe“.

Zur Person

Vita: Achim Thorwald wurde 1943 in Stuttgart als Sohn des Staatskapellmeisters Josef Dünnwald geboren. Schon mit sechs Jahren stand er bei der Staatsoper Stuttgart als Kinderdarsteller auf der Bühne. Am Mozarteum in Salzburg studierte er Schauspiel. In der Spielzeit 1966/67 fing er als Schauspieler in Hamburg am Ernst-Deutsch-Theater an. Von 1967 bis 1971 war er bei den Städtischen Bühnen Nürnberg als Schauspieler, Regieassistent und Hausregisseur beschäftigt; 1971 bis 1976 war er Regisseur, Dramaturg und Schauspieler in Freiburg. In der Spielzeit 1975/76 wurde er Oberspielleiter des Schauspiels. Von 1976 bis 1985 war Thorwald Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen; 1985 bis 1988 Intendant des Stadttheaters Würzburg; 1989 – 1996 Generalintendant der Städtischen Bühnen Münster; 1996 bis 2002 Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden sowie 2002 bis 2011 Generalintendant des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Seit 2011 arbeitet er freischaffend, unterrichtet unter anderem Opernstudenten in Seoul. eli