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Sabine Bräunings „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark!“ hatte im Studio am Blarerplatz der Esslinger Landesbühne Premiere.

EsslingenScharfsinnig und scharfzüngig, emanzipiert und furchtlos: Rosa Luxemburg hat bis heute nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Eine Frau, die für ihre politischen Überzeugungen gerade stand und sie als exzellente Rhetorikerin und Publizistin kämpferisch propagierte, dafür auch immer wieder im Gefängnis landete: als Marxistin, als Pazifistin und Revolutionärin, als Verfechterin eines demokratischen Sozialismus, gegen Ausbeutung und Krieg, für Freiheit und Gerechtigkeit. In Zeiten, da Frauen noch nicht einmal ein Wahlrecht hatten, gelang es ihr, zur führenden Stimme der Arbeiterbewegung zu werden, erst in der SPD, dann als Mitgründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands. Gerade aktuell, wo es politisch hierzulande vor allem um machterhaltendes, demokratiegefährdendes Lavieren geht, sehnt man sich nach Menschen, die eine klare Haltung besitzen, sie deutlich formulieren und sich nicht vereinnahmen lassen. Schon deshalb ist dieser Theaterabend im Studio am Blarerplatz der Esslinger Landesbühne (WLB) erfrischend und inspirierend: „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark! Rosa Luxemburg und ihre Freunde“. Die WLB-Schauspielerin Sabine Bräuning hat den Text geschrieben und inszeniert, wohl eines ihrer Herzensprojekte. Darin geht es im Schweinsgalopp durchs Leben der „roten Rosa“: beginnend mit ihrer Flucht aus der polnischen Heimat nach Zürich, kurz nach dem Abitur, als ihr die Verhaftung drohte. Denn Rosa war schon als Schülerin politisch aktiv. Dann geht es nach Deutschland, wo sie sich zunächst in der SPD engagiert. Thematisiert werden ihre Haftstrafen wegen Kritik am Kaiser und Reden gegen den Krieg, geschildert wird, wie sie den linken Flügel der SPD verlässt, zusammen mit Karl Liebknecht den revolutionären Spartakusbund und schließlich die KPD mitgründet, die sie als führende Persönlichkeit prägt – bis sie und Liebknecht am 15. Januar 1919 von Freikorpssoldaten in Berlin ermordet werden.

Freilich muss Bräuning einen Kunstgriff anwenden, um dieses bewegte Leben auf 90 Minuten zusammenschnurren zu lassen: Sie stellt Rosa zwei ihrer engsten Vertrauten zur Seite: den aktiven Revolutionär Leo Jogiches – erst ihr Geliebter, nach der Trennung weiterhin ihr Mitstreiter – und ihre Freundin Mathilde Jacob. Ein Bericht Jacobs, der Luxemburg vor dem Hintergrund der gemeinsamen Jahre während Krieg und Novemberrevolution darstellt, ist Grundlage des Projekts, ergänzt mit eigenen, freien Dialogen Bräunings, die sich aber laut Autorin an die historische Wahrheit halten.

Herausgekommen ist ein dichter, textreicher Abend, in dem das Trio im Doku-Stil erzählt und dialogisiert. Die biographischen und die historischen Ereignisse bilden den Rahmen, in dem immer wieder die persönliche Seite Luxemburgs beleuchtet wird. Das funktioniert gut, und es berührt: Die große Revolutionärin wirkt ganz privat in der intimen Wohnzimmeratmosphäre des Bühnenbilds von Birgit Eder – ein paar Klappstühle, eine bürgerliche Sitzecke, ein paar Bücher, pflanzenkundliche Blumenbilder an der Wand (unter anderem studierte Luxemburg auch Zoologie und Botanik).

Elif Veyisoglu spielt Rosa einfühlsam: als warmherzige, verletzliche, liebesbedürftige und auch irgendwann einmal müde Revolutionärin, die lange unter ihrem in Beziehungsangelegenheiten unverbindlichen, freiheitsliebenden Leo (Christian A. Koch) gelitten hat, der aber umso wichtiger wird als ihr politischer Weggefährte.

Ein starker Abend ist es auch für Stephanie Biesolt, die als Mathilde in großen Teilen als Erzählerin agiert: lebendig, engagiert, mitreißend. Ganz im kühlen, jede Larmoyanz vermeidenden Berichtstil wird dann auch an das traurige Ende aller drei Menschen erinnert: Auch Jogiches wurde 1919 ermordet, Jacob 1942 von den Nazis ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie 1943 starb.

Die nächsten Vorstellungen: 28. September, 18. und 26. Oktober, 23. November.