Quelle: Unbekannt

Haben Künstliche Intelligenzen Gefühle? Darum geht es in Finn-Ole Heinrichs und Dita Zipfels Science-Fiction-Märchen, das im Esslinger Studio am Blarerplatz inszeniert wurde.

EsslingenWissen Künstliche Intelligenzen automatisch, was richtig ist? Haben sie Gefühle? Werden sie von der Technik oder ihrem Verstand gesteuert? Spannende Fragen, denen die Junge WLB, die Kinder- und Jugendsparte der Esslinger Landesbühne, in dem abgedrehten Science-Fiction-Märchen „Zonka und Schlurch“ auf vergnügliche Weise nachgeht. Das Autorengespann Finn-Ole Heinrich und Dita Zipfel hat das Stück im Auftrag der Jungen WLB geschrieben. Benedikt Grubel inszenierte die Uraufführung im Studio am Blarerplatz als Zukunftsspaß mit moralischem Anspruch für Zuschauer ab acht Jahren.

Zonka und Schlurch sind humanoide Roboter in drolligem Outfit, das ihnen Nina Hoffmann auf den Leib geschneidert hat. Sie nennen sich „Mollenas“ und leben in der „Huul“, ganz tief unten. Die Huul ist ihre eigene Welt und nichts anderes als ein großer Schrotthaufen. Aber was für einer: Waschmaschine, Gefrierschrank, Topfdeckel und Staubsauger hat Hoffmann, die auch das Bühnenbild schuf, mit Rohren, Schläuchen und Kabeln zu einem so abenteuerlichen Höhlenkonstrukt zusammengezimmert, dass einem Zuschauer ein hingerissenes „Wow“ entfährt. Die begehbare „Wawata“ ist das Zuhause der beiden, ihr Rückzugsort und der Platz, an dem sie neue Energie tanken können. Von Zeit zu Zeit brauchen Zonka und Schlurch ihren „Frischensaft“, den sie von übergestülpten Lampenschirmen direkt in ihre mauen Batterien laden. Den Ladevorgang können die Zuschauer als poppigen Videoclip auf zwei Monitoren verfolgen.

Eigentlich sind die beiden Schrottis ganz glücklich mit ihrer Situation. Aber eben nur eigentlich. Als Schröder-Schröder statt auf seiner eigenen Geburtstagsfeier in der Huul landet, ist der Ärger vorprogrammiert. Zonka weiß nämlich, woher der dickbäuchige Nudelsalat-Liebhaber kommt: „von ganz weit oben“, aus einer Welt, aus der sie einst geflüchtet ist. Als „Fehler-Prototyp-Testversion“ mit eigenem Bewusstsein wollte man sie „platt machen“. Künstliche Intelligenzen mit Eigenleben sind unbrauchbar für Nutzer. In der Huul war sie sicher und baute sich Schlurch gegen die Einsamkeit. Aber auch der IT-Gefährte hat einen Fehler im System: Er ist brennend neugierig, will wissen, was es außerhalb vom kleinen Cyber-Kosmos noch gibt, denn das hat ihm Zonka bislang verheimlicht.

So ist die Geschichte für Digital Natives auch eine Parabel über Vertrauen, Freundschaft und Freiheit. Denn die Beziehung der beiden Künstlichen Intelligenzen wird auf eine harte Probe gestellt. Schröder-Schröder will zurück. Schließlich warten 100 Leute in im Garten, die seinen 50. Geburtstag feiern wollen. Und Schlurch will mit. Gegen den Willen von Zonka, die fürchtet, „oben“ abgeschaltet zu werden. Es droht aber noch eine ganz andere Gefahr. Der prollige Schröder-Schröder will den „RoboCop für Arme“ nachbauen und ihn patentieren lassen, damit er zeitlebens ausgesorgt hat.

Interessant ist, wie Heinrich und Zipfel den Spieß umdrehen: Nicht der Mensch misstraut der künstlichen Intelligenz, sondern die Maschine fürchtet die Menschen. Aus dieser anderen Perspektive heraus wird das Helikopter-Verhalten von Zonka verständlich, die ihren Freund nicht verlieren will. Indessen kämpft Schröder mit dem Wawata-Labyrinth, das eigenartig rückständig ist. Nicht mal Internet gibt’s da unten, und auch beim Notruf 112 ist kein Durchkommen.

Das Telefon funktioniert so wenig wie die Kommunikation. Zonka und Schlurch haben nämlich eine eigene Sprache entwickelt. Sie unterhalten sich in einer abstrusen Kunstsprache, die an eine wilde Mischung aus Holländisch und Altungarisch mit Hochgebirgs-Idiomen aus dem Hinterland von Nganglong Kangri erinnert. In der Eingeborenensprache der Mollenas passt kaum ein Wort zu einem bekannten Wortschatz. Das klingt so urkomisch, dass sich die Zuschauer kringeln vor Lachen und sich bei Wortschöpfungen wie „Wasnipösel“ für Klobürste und dem Schimpfwort „Pupshupe“ kaum einkriegen vor Vergnügen. Eine großartige Sprechleistung von Daniel Großkämper als fürsorglich-vorsichtige Zonka und Julian Häuser als neugierig-tollpatschiger Schlurch, der in seiner drolligen Art ein bisschen an einen Welpen erinnert.

Trotz Buchstabensalat kann man der Geschichte problemlos folgen. Dieser spielerische Umgang mit Sprache hat auch etwas mit Klang und der Musik zu tun, die Jan Paul Werge als akustisches Erlebnis für die geräuschvolle Schrottwelt geschaffen hat. Den roten Faden in Klar-Sprache liefert Sabine Christiane Dotzer als schnoddriger Schröder-Schröder. Schön, wie sie der tumben Figur durch Mimik und Gestik sympathischen Witz verleiht.

Am Ende lassen sich alle drei von einer Zeitmaschine nach oben beamen. Schröder-Schröder, weil er heim will, Schlurch, weil er die Welt erforschen will, und Zonka, weil sie ihren Freund retten will. Ob’s klappt, lässt Grubels Regie offen. Vielleicht gibt’s ja eine Fortsetzung, und die Zuschauer erfahren, wie es den beiden Mollenas bei den Menschen ergangen ist.

Weitere Vorstellungen: 14. April, 5., 12. und 26. Mai, jeweils 16 Uhr.