Auf dem kurzen Abschnitt durch den Wald sind 14 Wildtiere totgefahren worden, seit im März 2019 der Schutzzaun abgebaut wurde. Foto: Carsten Riedl - Carsten Riedl

Seit im März 2019 der Wildschutzzaun an der Kreisstraße zwischen Nabern und dem Egelsberg abgebaut wurde, häufen sich dort Wildunfälle. Ganze 30 Stück waren es seitdem.

Kreis EsslingenDie Zahlen lassen für Thomas Doll wenig Interpretationsspielraum: 14 totgefahrene Wildtiere seit März 2019 auf einer Strecke von 300 Metern zwischen Nabern und dem Egelsberg. In den Jahren zuvor gab es dort etwa alle zwei Jahre einen Wildunfall. Für den Jagdpächter liegt die Ursache der Zunahme klar auf der Hand: Im März wurde der seit den 60er-Jahren bestehende Wildschutzzaun entlang der Kreisstraße auf beiden Seiten wegen Forstarbeiten abgerissen. Kurze Zeit später nahm die Zahl der Wildunfälle zu, weshalb sich auf Drängen Thomas Dolls und der Initiative des CDU-Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann eine Kommission mit Amtsleitern und Mitarbeitern der betroffenen Ämter Ende Juli traf, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Auch Naberns Ortsvorsteherin Veronika Franco Olias war dabei. Alle Entscheidungsträger – von der Forst- und Straßenverwaltung bis zum Amt für Bauen und Naturschutz – waren sich einig: Es braucht keinen Zaun.

Für den Jäger ist aber klar, warum sich die Unfälle mit Wildtieren häufen: „Sie liegt in der besonderen Konstellation dort.“ In dem kleinen Wald ist das Wild großem Freizeitdruck ausgesetzt. Viele Spaziergänger mit und ohne Hund, Radfahrer, Jogger und Reiter sorgen für permanente Unruhe – und die Kreisstraße führt durch den Wald. „Auf der Ochsenwanger Steige mit zweieinhalb Kilometer Länge gibt es im Jahr fünf bis sechs Wildunfälle, im fünf Kilometer langen Tiefenbachtal zwischen sechs und acht“, sagt Thomas Doll. Die Zahlen sind nicht nachprüfbar, die Polizei erhebt keine Statistik.

Um einen Überblick zu erhalten, haben Jäger das Tierfund-Kataster entwickelt. Jeder kann mitmachen und via Internet ein überfahrenes Tier melden. Die Zahl 18 steht in einem rot umrandeten Kreis im Wald bei Nabern, die Zahl elf im Tiefenbachtal. Der Karte zufolge wurde auf der Ochsenwanger Steige nur ein Reh überfahren – die Bilanz der vergangenen vier Jahre. Doch auch diese Zahlen ergeben kein vollständiges Bild. Kurz vor Weihnachten wurden die bislang zwei letzten Tiere getötet: ein Reh überfahren, eines angefahren. „Das angefahrene Reh habe ich gleich nach der Benachrichtigung durch die Polizei erfolglos gesucht und bei der Nachsuche am nächsten Tag gefunden – jämmerlich verendet und bereits von Füchsen angefressen.“ Thomas Doll weiß von Fast-Zusammenstößen, die ihm gemeldet wurden: „Nicht jeder Wildunfall – aus welchen Gründen auch immer – wird der Polizei gemeldet. Ich finde dann das Tier.“ Er hat ein Plakat entworfen, das in den sozialen Medien kursiert und an Supermärkten hängt. Es zeigt einen toten Dachs und tote Rehe im Straßengraben. Seine Forderung: Der Zaun muss wieder her. Dem widerspricht das Landratsamt. „Der Biotopverbund steht im Vordergrund, daher plant der Landkreis keinen neuen Wildschutzzaun zwischen Nabern und Weilheim.“ Als der Zaun abgerissen wurde, sei er stark beschädigt gewesen und habe große Lücken aufgewiesen. „Damit konnte er seiner Funktion als Wildschutzzaun bei Weitem nicht mehr gerecht werden“, sagt der Pressesprecher. Er bezieht sich auf den Ortstermin, bei dem alle Argumente des „Für und Wider“ geprüft und abgewogen worden seien. „Das Landratsamt bleibt bei seiner Entscheidung, den Zaun nicht erneut aufzustellen.“

Aus Sicht des Naturschutzes sollen Einfriedigungen in der freien Landschaft möglichst vermieden werden, da dadurch die ökologische Durchgängigkeit eingeschränkt wird. „Insbesondere für die Bemühungen, Biotopverbünde zu schaffen, ist die Errichtung von Zäunen kontraproduktiv. Außerdem verlagert ein Wildschutzzaun die Problematik des Wildwechsels auf die Anfangs- und Endbereiche eines Zauns“, erklärt der Pressesprecher. Auch dürfe nicht übersehen werden, dass Tiere sich in solchen Zäunen verfangen und verenden können. „Nach der amtlichen Statistik ist dieser Streckenabschnitt im Kreisvergleich nicht auffällig. Die Kreisverwaltung wird die Verkehrssituation im Auge behalten und eine Gefahrenbeschilderung im Rahmen einer Verkehrsschau im Frühjahr prüfen“, verspricht der Pressesprecher.

Richtiges Verhalten bei Wildunfällen

Tierfund-Kataster: Dort erfasst der Deutsche Jagdverband tote Wildtiere. Jährlich werden zwischen 200 000 und 250 000 Hirsche, Rehe oder Wildschweine über- oder angefahren. Die Dunkelziffer liegt vermutlich fünf Mal so hoch.

Wildunfall: Die Unfallstelle absichern, Warnblinklicht am Auto einschalten und das Warndreieck aufstellen. Totes Wild von der Fahrbahn räumen, um Folgeunfälle zu verhindern. Aber verletzte Tiere sollten nicht angefasst werden, denn es besteht Verletzungsgefahr. Zudem ist die Polizei zu benachrichtigen, auch wenn das Tier vermeintlich unverletzt geflüchtet ist. Von der Polizei oder dem Jäger eine Wildunfallbescheinigung ausstellen lassen.

Tipps der Jäger: Wer mit Tempo 80 statt 100 fährt, verringert seinen Bremsweg um 35 Meter. Die können entscheidend sein. Taucht ein Tier am Straßenrand auf, abblenden und möglichst hupen. Außerdem das Lenkrad festhalten und eine Vollbremsung machen: Ein kontrollierter Zusammenstoß ist besser als ein Ausweichmanöver.

Die Jäger wissen: Bei 80 Prozent der Wildunfälle kollidiert das Auto mit einem Reh, bei zehn Prozent mit einem Wildschwein. Besonders in der Dämmerung und nachts müssen Autofahrer mit Wildwechsel rechnen: Die meisten Wildunfälle passieren zwischen 5 und 8 Uhr sowie zwischen 17 und 24 Uhr. April und Mai sowie Oktober und November sind die Monate mit den meisten Wildunfällen. Vorsicht ist aber das ganze Jahr über geboten, insbesondere auf Landstraßen, die entlang von Wald oder Feldkanten verlaufen oder durch den Wald.

Weitere Informationen zu dem Thema gibt es im Internet unter www.tierfundkataster.de