Karl Sattler sammelt passiv: Im Laufe der Jahrzehnte haben 350 Bierkrüge den Weg in das Kellerregal und das Wohnzimmer gefunden. Die allermeisten hat er geschenkt bekommen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Aktiv gesammelt hat Karl Sattler aus Deizisau nicht. Aber immer wieder hat er von Bekannten und seinen Kindern Bierkrüge geschenkt bekommen. Heute stehen 350 Exemplare bei dem 80-Jährigen im Regal.

Deizisau Plochinger Waldhornbräu und Esslinger Lamm-Bräu – diese Brauereien existieren längst nicht mehr, aber im Kellerregal von Karl Sattler stehen die alten Steinkrüge sauber aufgereiht. Etwa 350 Bierkrüge hat der pensionierte Stahlbau-Schlosser aus Deizisau gesammelt,darunter auch welche von Brauereien, die heute noch gut im Gerstensaft-Geschäft sind.

„Die sind mir zugelaufen“, sagt der 80-Jährige, gekauft habe er nur am Anfang den ein oder anderen Krug. Das war so um 1970 und offenbar für Bekannte und Verwandte das Signal, dass sich Karl Sattler freut, wenn man ihm Krüge schenkt. Die drei Kinder wussten, was man dem Vater zum Geburtstag schenken kann, andere Leute befreiten sich beim Aufräumen von umgenutztem Hausrat. Ein anderer Deizisauer, Horst Schück, vermachte ihm gar seine kleine Sammlung an Bierkrügen.

Den größten Krug hat Karl Sattler von seinem Sohn Henry zu einem Geburtstag erhalten, einen hohen Steinkrug mit Jagdszenen und dem sinnigen Spruch „Willst du gesund und fröhlich bleiben, so musst du trinken und Waidwerk treiben“. Ein anderer Krug erinnert an die Dinkelacker-Tournee der Stuttgarter Volksschauspieler Willy Seiler und Ruth Mönch im Jahr 1986. Ein Steinkrug der bayerischen Erdinger-Brauerei ist anlässlich einer „Floßfahrt-Gaudi“ auf der Isar mit einem Sonderetikett bedruckt worden.

Die meisten Krüge stehen im niedrigen Keller des im 18. Jahrhundert gebauten Hauses im Deizisauer Kelterhof. Eine Auswahl hat es ins Wohnzimmer der Sattlers geschafft. Oben auf dem Buffettschrank sind sie aufgereiht und auf der Lehne der selbst gebauten und mit Brandmalerei verzierten Eckbank stehen Zinnkrüge und Becher. Holzarbeiten, vor allem Drechseln, sind das zweite Hobby von Karl Sattler, der viele Jahre im Sägewerk am Plochinger Hafen gearbeitet hat. Bier trinkt der Sammler immer aus einem Krug, dabei wechselt er durch, denn „dann kommen die Erinnerungen“.

Gerlinde Sattler hat mit der Sammelei ihres Mannes keine Probleme. „Ich hab’ den gleichen Vogel“, sagt sie, „und einen Uhren-Tick“. Zwei Kuckucksuhren hängen an der Wand, zwei große Standuhren ticken gut vernehmlich und schlagen zu jeder Viertelstunde. Aus einem Eck des rustikal gehaltenen Wohnzimmers starren ausgestopfte Marder, ein Habicht und ein Eichelhäher auf den Besucher. Alle Tiere wurden Opfer des Straßenverkehrs, die der Sohn, von Beruf Polizist, aufgelesen hat. Die geschnitzten Holzfiguren auf der Eckbank stammen aus dem Erzgebirge, so wie die Sattlers. Nach dem Krieg sind ihre Familien im Westen gelandet, er im Schwäbischen , sie in der Pfalz. Eine Annonce in der Bild-Zeitung vom 6. Oktober 1957 hat die beiden zusammengebracht. Selbstverständlich haben sie das Blatt von damals nicht weggeworfen. „Sowjet-Satellit im All gesichtet“ lautete damals die Schlagzeile – das war der Sputnik-Schock, der den Westen aufrüttelte. Als sich der „ernste und humorvolle Handwerker“ und das „nette Mädel“ kennenlernten, stellten sie fest, dass sie beide aus dem Erzgebirge stammten und halten seither eisern zusammen. „Gell, wir haben das nie bereut“, sagt Gerlinde Sattler und er stimmt sofort zu.