Das Auto bedeutet ein Stück Freiheit. Wann aber ist der richtige Zeitpunkt, den Wagen stehen zu lassen? Foto: Andrey Bandurenko/stock.adobe.c - Andrey Bandurenko/stock.adobe.com

Im Alter kann die Fahrtauglichkeit nachlassen. Das wissen auch viele Seniorinnen und Senioren. Zwar geben nur wenige freiwillig ihren Führerschein auf dem Landratsamt ab. Dort geht man davon, dass viele ihre Fahrlizenz zwar weiterhin behalten, sich aber nicht mehr hinters Steuer setzen.

Kreis EsslingenDas Auto ist für viele ein Stück Freiheit und Selbstständigkeit, von dem sie nur ungern lassen. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem es Zeit wird, über Alternativen nachzudenken. Die meisten erkennen diesen Punkt, weil sie genügend Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein haben. Was ist mit denen, die das nicht mehr können?

Der Benz aus den 80er-Jahren hat jede Menge Beulen. Die betagte Mutter benutzt ihn nur noch für den Weg zum Einkaufen, zum Arzt und zum Friedhof – und bleibt dabei immer mal wieder irgendwo hängen. Bis jetzt nur gab es zum Glück zwar nur Blechschäden. Doch ist es unter Umständen nur eine Frage der Zeit, bis Menschen zu Schaden kommen. Die Nachbarn sprechen die Tochter schon darauf an, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, der Mutter das Fahren auszureden. Auch sie sehen, dass die ältere Frau zunehmend unsicherer wird und langsamer reagiert.

In anderen europäischen Ländern ist es absolut üblich, sich ab einem gewissen Lebensalter regelmäßig auf Fahrtauglichkeit untersuchen zu lassen. In Deutschland setzt die Politik, um die große Gruppe der älteren Wählerinnen und Wähler nicht zu verärgern, auf die Vernunft der Menschen oder Anreize wie kostenlose Jahreskarten für den Nahverkehr für alle, die den Führerschein freiwillig abgeben. Im Kreis Esslingen ist die Zahl derer, die den Lappen abgeben, zurzeit noch sehr überschaubar: nur sechs bis zehn im Jahr, so die Auskunft der Pressestelle des Landratsamtes. Viel größer dürfte die Zahl derer sein, die zwar das Auto stehen lassen, den Schein jedoch behalten.

Bei manchen älteren Autofahrern trübt eine beginnende Demenz die Vernunft, andere bemerken nicht, dass sie körperlich nicht mehr in der Lage sind, angemessen zu reagieren. Angehörige wissen kaum, wie sie damit umgehen sollen, verstecken verzweifelt den Schlüssel oder sabotieren das Auto. Nicht einfach, wenn der Senior, dem der Arzt das Fahren ausdrücklich verboten hat, dann im Autohaus einen neuen Schlüssel oder gleich ein neues Auto bestellt. Die Angehörigen sind im Dilemma. Muss erst etwas passieren, damit der Vater kein Fahrzeug mehr bewegt?

Rechtlich geregelt sind solche Fragen in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Hier steht eindeutig, dass die Fahrerlaubnisbehörde jemandem, der sich aus gesundheitlichen Gründen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, den Führerschein entziehen muss. Die Fahrerlaubnisbehörde kann bei begründeten Hinweisen auf Eignungszweifel eine Untersuchung veranlassen. Diese Hinweise können von der Polizei stammen, wenn diese bei einer Kontrolle oder nach einem Unfall feststellt, dass jemand nicht mehr fahrtüchtig ist.

Anhaltspunkte dafür können auch von Angehörigen kommen oder ärztliche Atteste sein. Diese werden laut Peter Keck, Pressesprecher des Landratsamtes, jedoch eher selten vorgelegt. Nach gut begründeten Hinweisen wird ein Verfahren zur Überprüfung der Fahrerlaubnis eingeleitet und ein Gutachten angeordnet. Das besteht aus Untersuchungen bei einem Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation und aus Leistungsbefunden wie Reaktionsfähigkeit, Orientierung, Aufmerksamkeit, Belastbarkeit, Wahrnehmung oder Fahrverhaltensbeobachtungen mit Fahrlehrer und TÜV-Sachverständigen. „Bei eindeutigen Eignungsmängeln ist die Fahrerlaubnis ohne vorheriges Gutachten zu entziehen“, erklärt der Sprecher des Landratsamtes.

Sonst gilt für alle Verkehrsteilnehmer die Eigenverantwortung. Selbst, wenn im Führerschein kein Eintrag zur Sehhilfe vorhanden ist, ist trotzdem jeder verpflichtet, eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen, wenn er sie braucht.

Ist jemand, der aufgrund altersbedingter Fahrfehler einen Unfall hat, überhaupt noch versichert? Ulrich Augsten ist seit 1987 im Versicherungsgewerbe tätig und hat in Nürtingen eine Agentur. Er berichtet, dass der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft jedes Jahr durch unabhängige Treuhänder die Unfallstatistiken auswerten lässt. Die Ergebnisse sind eindeutig: zwischen 18 und 25 gibt es eine hohe Schadenquote, danach sinkt die Schadenshäufigkeit. Ab 65 steigt sie wieder und Menschen über 75 haben die gleiche Schadenquote wie Anfänger. Die Versicherer reagieren, indem von Älteren höhere Versicherungsbeiträge verlangt werden. „Die meisten haben so viele schadensfreie Jahre, da fällt das kaum ins Gewicht“, so Augsten.

Augsten beruhigt die älteren Kunden: Versichert sind sie auf jeden Fall. Auch, wenn sie durch Medikamente oder Gebrechen in ihrer Fahrtüchtigkeit eingeschränkt sind. Wer mit einer gültigen Fahrerlaubnis unterwegs ist, dem bezahlt die Versicherung meistens anstandslos den Schaden. Was allerdings passieren kann ist, dass die Kasko-Versicherung bei grober Fahrlässigkeit die Leistung verweigert. Sprich: auf dem eigenen Schaden bleibt der Fahrer sitzen. Das sei jedoch immer Auslegungssache und schwer nachzuweisen. Die Versicherungen bestehen bei Autoversicherungen nicht auf Gesundheitschecks.

Augsten hat beobachtet, dass viele ältere Fahrer nach anfänglicher Scheu Fahrassistenten sehr schätzen. Den Kopf zum Einparken drehen muss keiner mehr, der eine Kamera hat, andere Autos parken auf Wunsch aus und ein. Damit ist eine Fehlerquelle schon beseitigt.

Laut der aktuellen Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidiums Reutlingen gab es im vergangenen Jahr 2474 Unfälle mit Personen über 65 Jahren. Von den Senioren selbst verursacht wurden zwei Drittel dieser Unfälle. Nur fünf Prozent sind auf mangelnde Fahrtüchtigkeit zurückzuführen. Die Hauptursachen sind Vorfahrtsverstöße (26 Prozent), Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren (21 Prozent). Neben regelmäßigen Kontrollen ist es der Polizei wichtig, die älteren Verkehrsteilnehmer fit für die Straße zu halten – und zwar mit Hilfe von Prävention. In Vorträgen werden Senioren über spezifische Risiken, Gefahren und mögliche Vorbeugungsmaßnahmen aufgeklärt. „Die meisten Senioren sind erfahrene Autofahrer“, so Christian Wörner, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen.

Vielleicht würden manche Senioren das Auto gerne häufiger stehen lassen, wissen aber nicht, wie sie ohne Fahrzeug ihre alltäglichen Besorgungen bewältigen sollen. Barbara Raab-Löffler ist Mitarbeiterin des Nürtinger Pflegestützpunktes am Rathaus und kennt sich mit allen Aspekten des Älterwerdens aus. Sie rät Angehörigen und Nachbarn, den Senioren den Abschied von der eigenen Mobilität leicht zu machen, indem sie ihre Hilfe bei Einkäufen oder Besuchen anbieten. Alternativen gibt es viele, wenn man sie erst kennt. Pflegedienste bieten Fahrten für Menschen mit Pflegestufe an, liegt ein Grad der Behinderung vor, gibt es ebenfalls Möglichkeiten, beispielsweise an verbilligte Nahverkehrstickets zu kommen oder Taxischeine zu erhalten. Lieferdienste von Geschäften und Apotheken können die Einkäufe und Medikamente nach Hause bringen. Haben Angehörige Bedenken wegen der Fahrtüchtigkeit, sieht Raab-Löffler die Hausärzte als erste Ansprechpartner. „Sie sollten mit den Leuten reden, ihnen ihre Bedenken aus medizinischer Sicht darlegen und auf die Folgen hinweisen.“ Im Falle eines Falles können sie der Führerscheinstelle melden, wenn sie jemanden nicht für fahrtauglich halten. Das ist jedoch eine schwierige Entscheidung für die Mediziner, da hier die Schweigepflicht betroffen ist. Besser ist es natürlich, wenn eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten gut leben können.

Fahrtraining für Senioren

Sicherheits-Check: Für ältere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gibt es verschiedene Angebote des ADAC, um sich fit für den Verkehr zu halten. Der Fahr-Sicherheits-Check mit Fahrschulen vor Ort: Ein Fahrlehrer begleitet den Fahrer im eigenen Auto. Danach werten sie die Fahrt gemeinsam aus und der Fahrlehrer spricht eine Empfehlung zur weiteren Teilnahme am Straßenverkehr aus.

Ernstfall: Das Generation-Plus-Training ist auf ältere Fahrer ausgerichtet. Die Teilnehmer lernen das Verhalten und die Grenzen ihres Fahrzeuges kennen. Zudem üben sie Gefahrensituationen, um im Ernstfall richtig zu reagieren.

Mobil bleiben: Die Veranstaltung Sicher mobil vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die es ermöglichen sollen, lange und sicher mobil zu bleiben.