Quelle: Unbekannt

Im Winter bietet einheimisches Wurzelgemüse mehr Variationen als gemeinhin bekannt. Kerstin und Jochen Hemminger bauen es in Denkendorf an.

DenkendorfUnter Tage wächst und gedeiht es – doch verstecken muss es sich wahrlich nicht: Wurzelgemüse ist die Zutat dieser frostigen Tage. Regional, nahrhaft, gesund. Und sogar schön anzusehen. Eine wahre Pracht warmer Farbtöne liegt auf dem Teller, wenn Markus Vogt im „Berkheimer Hof“ seine hausgemachten Steinpilz-Ravioli mit rustikalem Wintergemüse auftischt. „Ich habe das Wurzelgemüse im Winter standardmäßig auf der Karte“, sagt der Küchenchef. Zwischen der goldgelben Pasta lugen weiße, rote, gelbe, orangefarbene, dunkelviolette und sogar weiß-rot geringelte Gemüsestücke hervor.

Der Begriff Wurzelgemüse ist ein umgangssprachlicher. Was dazu zählt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Im weitesten Sinne könnte er all die Knollen, Rüben, Rettiche und sogar Zwiebeln umfassen, die essbar sind. Damit reicht das Spektrum von Doldenblütlern über Fuchsschwanzgewächse, Kreuzblütler, Windengewächse bis hin zu Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln – die streng genommen nicht als Gemüse gelten. All die Sorten haben unterschiedliche Eigenschaften und einen eigenen Geschmack.

Zu Tisch im „Berkheimer Hof“ kann sich der Gast davon überzeugen: Die Petersilienwurzel hat einen etwas schärferen Geschmack als die im Aussehen ähnliche Pastinake, die Süßkartoffel zergeht cremigsüß auf der Zunge, während die Steckrübe etwas Bitterkeit mit einbringt. Die optisch aufregendste Komponente macht ihrem Namen alle Ehre: Ringelbete. „Gelbe Bete und Ringelbete sind im Geschmack der Roten Bete ähnlich, aber nicht ganz so stark“, erklärt der Koch. Unterschiede gibt es auch bei der Garzeit: „Die Bete braucht länger als die Süßkartoffel“, erklärt Markus Vogt. „Wurzelgemüse zu lange zu kochen, ist der größte Fehler“, erklärt der Experte.

Viele Menschen kennen die auf den ersten Blick schnöden, schrumpeligen Knollen nur als Einlage für Suppen. Warum aber erhalten sie im Menü des Restaurants eine so prominente Rolle? „Ich finde sie einfach superlecker und es ist eine tolle Abwechslung zu den anderen Speisen“, hält der Maître entgegen. Teil des Konzepts seiner Küche ist zudem die regionale Herkunft der Zutaten – zu der sich die Vogts mittlerweile auch offiziell als Teil der „Schmeck den Süden“-Initiative verpflichtet haben. „Wurzelgemüse bietet sich im Winter an, denn so viel aus der Region gibt es derzeit nicht“, sagt Vogt.

Die Knollen werden bis in den Spätherbst geerntet und sind gut lagerbar. Wie, demonstriert das Ehepaar Kerstin und Jochen Hemminger in seinem Naturlager in Denkendorf, in dem sich derzeit bis an die Decke große Kisten aus Holz und Metallgittern voll Kartoffeln, Petersilienwurzeln, Roter Beten und schwarzer Rettiche stapeln. „Vor allem muss es dunkel sein“, sagt der Gemüsebauer. Damit die Knollen im Tageslicht nicht zu treiben beginnen, gibt es keine Fenster in der hohen zugigen Halle auf dem Hof des Familienbetriebes. Nur eine Öffnung mit einem Lüfter. Wenn die Knollen im Herbst zum Einlagern aus der Erde geholt werden, seien sie noch relativ warm, erklärt Jochen Hemminger. Darum werde in der Nacht der Lüfter angeschaltet, damit das Gemüse abkühlt. Denn auch Wärme verringert die Haltbarkeit, weil der Stoffwechsel der Pflanze angekurbelt wird. Optimal sind Temperaturen von fünf bis sechs Grad – und Feuchtigkeit, weil Karotte und Co. ja nicht austrocknen sollen.

Etwa ein Drittel der Jahresproduktion bei Hemmingers macht das Wurzelgemüse aus – ohne die Kartoffeln gerechnet. Anfang März beginnt in Denkendorf die erste Aussaat für Rote Bete, die im Juni geerntet werden soll. Hauptaussaat ist dann zwischen April und Ende Mai, sodass Pastinaken und Wurzelpetersilie im September reif sind. Bei Karotten setzen die Gemüsebauer sowohl auf Sorten mit kurzer Wachstumszeit, die Anfang März schon gesät werden und 90 Tage später als Bundware verkauft werden, als auch auf Lagersorten für den Winter. Bis Mitte November, bevor der Frost kommt, wird geerntet. Im Anbau macht das Wurzelgemüse im Verhältnis zu Gurken, Kohl und Co. relativ wenig Aufwand: Es wird gesät, nicht von Hand gepflanzt und kann maschinell geerntet werden. Allerdings ist auch hier die Witterung entscheidend: Im trockenen Jahr 2018 war den Pastinaken der Hemmingers kein gutes Ende beschieden. Deswegen kauft der Betrieb, der zwar nicht biozertifiziert ist, aber eigener Aussage nach im Rahmen des integrierten und kontrollierten Anbaus mit Augenmaß Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzt, nun für seinen Hofladen und die Belieferung einiger Restaurants und weniger Großhändler, die Sorte nun dazu.

Denn Pastinaken und anderes Wurzelgemüse allgemein erfreuen sich Jochen Hemminger zufolge zunehmender Beliebtheit. „Pastinaken waren bis vor 70 bis 80 Jahren ein Hauptnahrungsmittel, bis sie von unserem Speiseplan verschwunden sind. Vor zehn Jahren kamen sie als Nischenprodukt in die Gemüseauslagen zurück – und werden nun zum Trendgemüse.“ Er nehme wahr, dass die Verbraucher zunehmend auf Regionalität und Saisonalität achteten, so Hemminger. „Es ist ein Phänomen, dass der Verbraucher wieder mehr darauf achtet, was er isst, und sich Gedanken darüber macht, welche Wege die Lebensmittel zurücklegen.“ Beim Griff nach dem Wurzelgemüse aus der Region braucht der Kunde im Winter kein schlechtes Gewissen zu haben – und außerdem ist bei all den Sorten für viele Geschmäcker etwas dabei. Bei den Hemmingers ist der Familienvater eher der Rettichfan, der die schwarze Knolle raspelt und ein Saure-Sahne-Dressing anmischt, die Kinder mögen die lila Möhren, die den Reis so schön einfärben. Und Kerstin Hemminger ist die Rote-Bete-Liebhaberin der Familie.

Auch im „Berkheimer Hof“, der sein Gemüse von den Hemmingers bezieht, sind die Gäste mit den Knollen zufrieden. „Nur die Kriegsgeneration tut sich mit Steckrüben schwer“, erzählt Markus Vogt. Die waren in der Not das einzige Nahrungsmittel und dienten als Ersatz für alles – von Brot bis Kaffee. „Ein älterer Herr hat zu mir gesagt: Das kann ich nicht mehr sehen.“ Für alle anderen empfiehlt der Koch, Steckrüben nicht alleine zuzubereiten, sondern in Kombination mit anderem Gemüse – oder geraspelt zu Kartoffeln und Sahne , etwa als Beilage für Rindfleisch. Vogt: „Das ergibt einen tollen Geschmack.“