Als Nothilfe an Brennpunkt-Schulen wurde die Schulsozialarbeit Anfang der 90er-Jahre eingerichtet. Heute setzen zwei Drittel aller baden-württembergischen Schulen auf die Sozialarbeit. „Sie ist nicht mehr wegzudenken“, so lautete der Tenor im Jugendhilfe-Ausschuss des Landkreises. Als Hilfestellung für die Fachkräfte und für die Gemeinden haben der Kreis Esslingen und das Staatliche Schulamt nun eine Rahmenkonzeption vorgestellt. Damit sollen die Standards der Sozialarbeit gesichert werden.

Von Roland Kurz

Im Jahr 2012 ist der Landkreis in die Förderung der Schulsozialarbeit eingestiegen. In diesem Jahr gibt er dafür 1,6 Millionen Euro aus. Er fördert damit in 29 Kommunen 102,5 Stellen mit je 16 700 Euro. Das ist ein Drittel, die anderen beiden Drittel bringen die Kommune und das Land auf.

„Gut investiertes Geld“, lobte Kreisrat Lorenz Kruß, Sprecher der Freien Wähler. Insbesondere die finanzschwächeren Gemeinden seien dankbar für diese Förderung. Die Freien Wähler wünschen sich allerdings, dass der Kreis seinen bislang gedeckelten Zuschuss regelmäßig anpasst. Landrat Heinz Eininger wiederum fand, die Landesförderung sei „ausbaufähig“. Volker Reif, der Vertreter des Kommunalverbandes Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS), machte dem Landrat gewisse Hoffnungen: Man sei mit dem Land „in guten Gesprächen“.

Dem Landkreis Esslingen bescheinigte Reif, die Ausbau-Dynamik sei hier in den vergangenen Jahren doppelt so schnell gewesen wie im Landesvergleich. Die meisten Fachkräfte würden heute in Grundschulen eingesetzt. Der Ansatz, Sozialarbeiter nur an Brennpunkt-Schulen einzusetzen, sei längst überholt. Als neue Herausforderung für die Schulsozialarbeit sieht Reif die Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie die Arbeit mit Kindern mit Fluchterfahrung.

Die Kreisräte hatten - von einer Ausnahme abgesehen - keinerlei Zweifel, dass Schulsozialarbeit heute notwendig ist. „Die guten Auswirkungen kann man tagtäglich an der Schule spüren“, betonte Ursula Merkle (CDU), bis vor kurzem selbst Lehrerin. Vor 15 Jahren sei sie davon keineswegs überzeugt gewesen.

Mit Prävention müsse man früh anfangen, wenn man etwas erreichen wolle, ergänzte Solveig Hummel (SPD). Sie regte an, den Vabo-Klassen an den beruflichen Schulen mehr Unterstützung zukommen zulassen. Dort werden junge Leute ohne Deutschkenntnisse unterrichtet, vorwiegend Flüchtlinge. Ulrich Deuschle (REP) sah als Einziger alles ganz anders. Für ihn verbirgt sich hinter dieser „ungewollten Dynamik“ ein „massives Beschäftigungsprogramm für Sozialpädagogen“ und eine gesellschaftliche Fehlentwicklung. Deuschle: „Sind denn die Lehrer heute so schlecht?“

Solveig Hummel hielt ihm entgegen: Die Kinder an der Grundschule seien unbeschreiblich schwierig geworden. „Es gibt Kinder, die keine einzige Grenze kennen.“ Auch Landrat Eininger bekräftigte: „Wir sind aus voller Überzeugung eingestiegen.“ Da sich Schulsozialarbeit an der Schnittstelle zur Jugendhilfe bewege, sei der Kreis dafür zuständig. Er griff jedoch Deuschles Frage nach der Wirksamkeit von Schulsozialarbeit auf. Eine Überprüfung durch den Kommunalverband KVJS sei angebracht. Man starte im April eine Studie, antwortete Reif, und sei bereit, eine Schule aus dem Landkreis zu berücksichtigen.

Damit Schulsozialarbeit, die im Kreis Esslingen von unterschiedlichen Trägern geleistet wird, vergleichbare Arbeitsbedingungen vorfindet, wurde unter Federführung von Elke Klös eine Rahmenkonzeption erstellt. Sie gibt den Kommunen und Trägern beispielsweise klare Hinweise, was bei der Einführung der Schulsozialarbeit zu beachten ist. Sie definiert auch ihre Aufgaben: Intervention bei Problemlagen, Prävention, Vernetzung aller Akteure an der Schule sowie Brücke zur Gemeinde und zu den Erziehungshilfestationen. Das Konzept empfiehlt auch klare Kommunikationsstrukturen, etwa die Teilnahme der Sozialarbeiter an der Schulkonferenz. Und schließlich formuliert das 30-seitige Papier, was nicht zur Schulsozialarbeit zählt: Pausenaufsicht und Krankheitsvertretung. Das Werk, so Klös, möge Orientierung geben und eine gute Diskussionsgrundlage. Das Rahmenkonzept sei aber „kein Heiligtum.“

Ausbau der Schulsozialarbeit seit 2006

Verdreifachung: Die Schulsozialarbeit in Baden-Württemberg wird seit 2006 kontinuierlich ausgebaut. Nach den Zahlen des KVJS (Kommunalverband für Jugend und Soziales) waren Ende 2006 im Land 486 Vollkräfte beschäftigt. Aktuell sind es 1368 Schulsozialarbeiter. Das Land, das 2012 in die Förderung einstieg, hat voriges Jahr 22,3 Millionen Euro für Schulsozialarbeit ausgegeben.

In 29 Gemeinden: Im Landkreis Esslingen gibt es derzeit 102,5 Stellen für Schulsozialarbeit, die sich mehr als 150 Personen teilen. Schulsozialarbeit wird in 29 von 44 Kreisgemeinden geleistet, von neun kommunalen und vier freien Trägern.

1,42 auf 1000: Auf 1000 junge Menschen zwischen 6 und 18 Jahren kommen im Kreis Esslingen 1,42 Stellen Schulsozialarbeit. Im Schnitt haben die baden-württembergischen Kreise 1,06 Kräfte. Besser ausgestattet als der Kreis Esslingen sind nur der Landkreis Konstanz und drei Stadtkreise. Am unteren Ende rangiert der Alb-Donau-Kreis mit 0,71 Stellen. An allen Gymnasien des Kreises gibt es Sozialarbeiter, bei 73 Prozent der Grundschulen und 85 Prozent der Realschulen.