„Da liegt Schlaitdorf.“ Sasch Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Vom Wildtierbeauftragten des Landkreises Esslingen zum Bürgermeister der kleinen Gemeinde Schlaitdorf – Sascha Richter (42) aus Hochdorf wird Anfang September seinen Job antreten.

Hochdorf/SchlaitdorfWo, bitte, liegt Schlaitdorf? Von dem kleinen Ort ganz im Südwesten des Landkreises Esslingen hat man schon mal gehört, aber ansonsten fristet die nur gut 1900 Einwohner zählende Kommune eher ein Schattendasein. Nicht für Sascha Richter. In seinem Leben wird Schlaitdorf zumindest in den nächsten acht Jahren eine zentrale Rolle spielen. Denn der 42-jährige Hochdorfer übernimmt dort Anfang September das Bürgermeisteramt. Am 7. Juli war Richter zum Nachfolger von Dietmar Edelmann gewählt worden, der 16 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde geleitet hatte und sich nun in den Ruhestand verabschieden wird. Gleich im ersten Wahlgang hatte sich der gebürtige Esslinger gegen drei Konkurrenten klar mit 51,88 Prozent der Stimmen durchgesetzt. Er habe von Anfang an ein gutes Gefühl gehabt, sagt Richter im EZ-Gespräch. Schon die Vorstellungsrunde sei für ihn „super gelaufen“.

Für die studierten Forst-Ingenieur, der seit 2016 als Wildtierbeauftragter im Landratsamt Esslingen beschäftigt ist, bedeutet die neue Aufgabe eine Herausforderung. Ganz fremd ist dem 42-Jährigen die Tätigkeit allerdings nicht. Bereits sein Studium sei auf die öffentliche Verwaltung ausgerichtet gewesen, sagt er. Und mit der Kommunalpolitik habe er sich schon immer verbunden gefühlt. Ihn interessiere sehr, was in seinem näheren und weiteren Lebensumfeld passiert. Deswegen hat er in der Lokalpolitik schon einmal eine aktive Rolle eingenommen. Von 2009 bis 2014 saß Richter für die damals neu gegründete Gruppierung „Die Mitte“ im Hochdorfer Gemeinderat. Eine für ihn spannende Zeit, von der er in seinem Amt als Bürgermeister nun auch profitieren werde. Genauso werde ihm das große Netzwerk zugute kommen, das er sich in den vergangenen Jahren als Wildtierbeauftragter aufgebaut habe.

Womit beschäftigt sich ein Wildtierbeauftragter eigentlich? Zum Beispiel mit Füchsen, Mardern und Dachsen, Wildtieren, die sich immer mehr in Wohngebieten breit machen und für viele zum Problem werden. Was kann der einzelne tun, um die Tiere nicht noch zusätzlich anzulocken? Wie kann man den ungebetenen Gästen den Zugang zum Grundstück verwehren? Wie geht man jagdrechtlich mit dem Thema um? „Ich habe da eine beratende und unterstützende Funktion“, erklärt Richter. Seine Aufgabe sei es, zwischen dem zuständigen Jäger, dem Grundstücksbesitzer und der Unteren Jagdbehörde zu vermitteln. Daneben kümmert sich Richter um alle Fragen der Jagdverpachtung. Im Landkreis gibt es etwa 100 Jagdbezirke. Ein dritter Bereich, der in seine Zuständigkeit fällt, ist die Wildtierforschung. Immer wenn ein gerissenes Reh oder Schaf gemeldet wird, nimmt Richter genetisches Material und lässt es bei den zuständigen Stellen untersuchen. Gibt es typische Merkmale? Von wem wurde das Tier getötet? Der Wolf scheidet, bisher zumindest, aus. „Bei uns ist noch keiner entdeckt worden“, erklärt Richter. Auch Luchse seien im Landkreis Esslingen kein Thema.

Der Wildtierbeauftragte wird aber auch bei vielen anderen Problemen kontaktiert: Wenn ein Greifvogel oder ein totes Eichhörnchen gefunden wird oder auch wenn sich ein Bienenschwarm in einem Rollladenkasten eingenistet hat.

Künftig wird Richter ganz andere Probleme zu lösen haben. Als Bürgermeister ist er nicht nur für die großen Linien der Gemeindeentwicklung verantwortlich, sondern muss sich auch um alltägliche Sorgen der Bürger kümmern: eine kaputte Straßenlaterne, lästige Schlaglöcher, verschmutzte Wege. All die Dinge werde er mit Freude angehen, verspricht der 42-Jährige. „Ich bin es gewohnt, auf Menschen zuzugehen und leistungsorientiert zu arbeiten.“

Warum er gerade Schlaitdorf, die fünftkleinste Gemeinde im Landkreis Esslingen, ausgewählt habe? Er beobachte seit Jahren, in welchen Gemeinden Wechsel an der Rathausspitze anstehen, berichtet Richter. Schlaitdorf habe sich aus den unterschiedlichsten Gründen angeboten. Dass die Kommune einen Waldanteil von über 30 Prozent hat und mehr als die Hälfe der Gemeindefläche landwirtschaftlich genutzt sei, komme ihm als Forstingenieur entgegen. Außerdem habe er bei seinen bisherigen Begegnungen „nur herzliche, durchaus auch mal kernige, aber rundweg sympathische Menschen“ kennengelernt. In so einer Gemeinde übernehme er gerne Verantwortung.

Aus der Wahlkampfzeit weiß Sascha Richter, dass er in Schlaitdorf auf geordnete Verhältnisse stößt: Große Gewerbesteuereinnahmen hat die Gemeinde nicht, aber die Finanzen sind solide. Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 50 Euro liegt Schlaitdorf weit unter dem Landesdurchschnitt. Zusammen mit dem Gemeinderat und den Bürgern möchte Richter ein Dorfentwicklungskonzept erarbeiten. Natürlich werde er darauf achten, dass die hohe Wohnqualität in Schlaitdorf erhalten bleibt, verspricht der 42-Jährige. Aber man müsse sich auch der Aufgabe stellen, neue Gewerbeflächen zu schaffen, um die Zukunft der Gemeinde zu sichern. „Investieren und sparen, aber nicht totsparen“ ist sein Motto. „Da müssen wir einen gesunden Mittelweg finden.“

Am 26. Juli wird Richter seinen Schreibtisch im Landratsamt räumen. Dann nimmt er für einen Monat Elternzeit. Und möglichst bald möchte er mit Partnerin und Kind nach Schlaitdorf ziehen. Denn für ihn ist klar: „Ein Bürgermeister gehört ins Dorf.“