Jugendliche machen Pizza und diskutieren über Kommunalpolitik – auch ohne Gemeinderatskandidaten Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Die Enttäuschung war groß: Die Wernauer Gemeinderäte haben das gemeinsame „Kochevent“ mit politikinteressierten Jugendlichen abgesagt. „Zu wenig Teilnehmer“, so die Begründung.

Wernau Was Kommunalpolitik so anrichtet“ – diesen Titel einer Veranstaltung liest man in Wernau seit Samstag anders als zuvor. Denn angerichtet im Sinne von aufgetischt haben die Gemeinderäte gar nichts. Aber Schaden angerichtet möglicherweise schon.

Jugendliche und zehn Gemeinderatskandidaten treffen sich bei einem Koch-Event und tauschen sich sozusagen am Kochtopf aus. In Kleingruppen mit wechselnder Besetzung sollte ein Menü entstehen; so war die Aktion des Jugendhauses Kiwi und der Stadt Wernau geplant. Doch es kam anders: Am Ende haben neun Jugendliche und zwei Kiwi-Mitarbeiter in der Küche der Realschule allein Pizza gebacken. Denn in der Gemeinderatssitzung vor dem geplanten Event hatte das Gremium einen Rückzieher gemacht. 13 Anmeldungen von Jugendlichen waren den Gemeinderäten zu wenig, nachdem die Stadt 550 Erstwähler zwischen 16 und 21 Jahren persönlich angeschrieben hatte. Nichtöffentlich beschloss das Gremium, dass die Kandidaten nicht teilnehmen. Die Entscheidung fiel mehrheitlich, aber nicht einstimmig, teilte Sylvia Schmid vom Hauptamt auf Nachfrage der EZ mit.

Jugendliche erstellen drei Plakate

Jugendhausleiter Holger Kaufhold und sein Team waren von der Absage überrascht. Nicht nur sie fanden, dass 13 junge Leute, die am Samstagnachmittag freiwillig zu so einem Termin kommen, doch gar nicht so wenig sind. Und dass es ja letztlich nicht auf Quantität ankomme. So boten sie den Angemeldeten an, trotzdem gemeinsam Pizza zu backen und sich unabhängig von Kandidaten Gedanken über Kommunalpolitik zu machen. Neun nahmen das wahr und sinnierten beim Hefeteigausrollen und Pizzabelegen darüber, wer nun eigentlich politikmüde und unengagiert ist. Von Jugendlichen in Deutschland und Europa könne man das jedenfalls nicht generell sagen, waren sie sich einig. Anna (17) hat auch schon mal an einer Freitagsdemo von Schülern teilgenommen. Sie hätte die Kandidaten auf jeden Fall auf Umweltthemen angesprochen, sagte sie. Das wäre auch für andere in der Gruppe ein zentrales Thema gewesen. Eric, der noch vor der Wahl 16 wird, interessiert sich sehr für Stadtgestaltung. Dass die Kommunalpolitiker nicht da waren, fand er „enttäuschend“ und „echt schade“. „Ich finde es ein bisschen respektlos“, fügte Charlotte (16) hinzu. „Wir sind ja diejenigen, die wählen bei der Kommunalwahl.“

Sich Gedanken gemacht und Vorschläge und Ideen gesammelt haben die Jugendlichen trotzdem. So sind drei Plakate entstanden, auf denen es unter anderem um Ökologie – zum Beispiel Vertikalbegrünung an Hochhäusern – und um die Einkaufssituation in Wernau geht. Holger Kaufhold hat sie fotografiert und die Bilder an die Stadt weitergegeben. „Mir ist es wichtig, dass Jugendliche und die Politik zusammenkommen“, betont er und plant deshalb mit dem Kiwi einen neuen Anlauf: Am 16. Mai um 18 Uhr heißt das Motto „Misch dich ein“. Passend dazu soll es, dieses Mal im Kiwi, alkoholfreie Cocktails und hoffentlich Gespräche zwischen Kommunalpolitikern und jungen Wernauern geben.

Angesprochen sind nicht nur die Erstwähler, sondern alle Jugendlichen, so der Jugendhausleiter, dem es über die Wahl hinaus um Partizipation geht: „Was bewegt sich in der Stadt, was ist den Jugendlichen wichtig?“ Passend zum Motto versucht das Kiwi-Team noch einen Profi-Barkeeper zu engagieren. Und natürlich sind auch die Gemeinderäte und Kandidaten eingeladen…