Naturschützer entdecken an den Baggerseen viele interessante Vogelarten. Quelle: Unbekannt

Seit 40 Jahren betreuen Helfer des Naturschutzbunds das Naturschutzgebiet Wernauer Baggerseen. Durch den Rückzug der Daimler-Teststrecke ergeben sich neue Möglichkeiten.

WernauDer Naturschutzbund (Nabu) hat gleich zwei Gründe zu feiern: Einerseits wurden die Schutzgebiete „Wernauer Baggerseen“ und „Neckarwiesen“ vor 40 Jahren durch das Regierungspräsidium Stuttgart als Naturschutzgebiet sichergestellt. Andererseits hat nun auch Daimler angekündigt, die Teststrecken für Autos und Lastwagen in den Gebieten „Neckaraue“ und „Wendlinger Wasen“ im Jahr 2020 komplett aufzugeben. Somit kämen, wenn der Eigentümer mitmacht, zu den bestehenden 45 Hektar Schutzgebiet noch weitere 15 Hektar dazu.

Roland Appl, Nabu-Beauftragter für Naturschutzgebiete, zeigt sich anlässlich des Jahrestags zufrieden: „Es ist nicht selbstverständlich, in einem dicht besiedelten Raum ein Naturschutzgebiet zu haben.“ In seinem Rückblick ging er auf den Vogelkundler Wulf Gatter ein. Dieser trug nämlich vor 40 Jahren mit seinen kenntnisreichen Veröffentlichungen dazu bei, dass die Baggerseen unter Naturschutz gestellt werden.

„Damals zählte Gatter rund 200 Arten an Vögeln in diesem Gebiet.“ Im Lauf der Zeit haben sich die Arten verändert, wie Roland Appl betont: „Der Kiebitz ist fast ganz verschwunden, dafür sind andere Vogelarten dazu gekommen. Der weiße Reiher, auch Seidenreiher genannt, ist eigentlich am Mittelmeer beheimatet.“ Verhungern müssen die Vögel nicht, noch gibt es genügend Insekten, aber auch Fische in den Baggerseen. Karpfen und Hechte teilen sich die Gewässer.

Unterschriften für Naturschutz

Die damaligen Unterschriftensammlungen haben sich gelohnt, wie Appl erläutert: „Rund 15 000 Unterschriften wurden für den Naturschutz gesammelt und später kamen nochmals 20 000 für die Verbesserungen in den Schutzgebieten dazu.“ Damit wurde erreicht, dass das Betonwerk vom Gelände verschwand. Aber auch die Hochspannungsleitungen bereiteten einige Sorgenfalten. Denn: Die Kabel hingen zum Teil nur zehn Meter über dem Boden: „Flugfallen für die Vögel.“ Doch die Netzbetreiber hatten ein Einsehen und erhöhten die Stromkabel, damit die Vögel gefahrlos untendurch fliegen können.

Waren früher die Baggerseen noch beliebte Ausflugsziele für Wassersportler, sind heute die Tiere im Schutzgebiet unter sich. Nur wenige Male wird die Ruhe gestört: Dann nämlich, wenn sich die Naturfreunde dort treffen, um die Schutzgebiete zu pflegen. „Etwa 45 Naturfreunde, darunter auch Firmlinge, beteiligen sich jedes Jahr im Januar oder Februar an der Reinigungsaktion.“ Der engagierte Naturschützer erinnert sich an die erste Aktion: „Da entfernten die ehrenamtlichen Helfer rund 800 Autoreifen vom Gelände und im See lag ein Auto.“

Die Pflege der Weiden im Naturschutzgebiet übernehmen derzeit Schafe und Zieger. Schäfer Markus Hornung aus Wernau lässt dann seine Tiere rund um die zehn Baggerseen weiden und diese leisten in mehrfacher Hinsicht ihren Beitrag zum Naturschutz. Einerseits lassen die blökenden und meckernden Rasenmäher viel Dorngebüsch stehen. „Ideal für den Neuntöter. Dieser Vogel liebt Dornenbüsche.“ Außerdem seien Schilfgebiete förderungsfähig, betont der Nabu-Fachmann. Damit werden auch Brutplätze für diverse Arten geschaffen. „Nachtigall, Eisvogel oder Schwarzspecht haben im Naturschutzgebiet eine Heimat gefunden.“ Auch größere Vogelarten teilen sich Luft- und Lebensraum um die geschützten Baggerseen. „Wir zählten 15 Paare Reiher und rund 60 Brutpaare Kormorane sowie 170 Gänse.“ Bisher seien keine Konflikte mit den Fischen zu verzeichnen, sagte Roland Appl. Die Vereinigung des Erblehensees mit dem Neckar sei erfolgreich verlaufen, freut er sich: „Dabei wurde eine künstliche Insel geschaffen und in diesem Gebiet zogen mittlerweile verschiedene Vogelarten und Biber ein.“

Für viel Kopfschütteln, nicht nur bei den Naturfreunden, sorgte die Überflughilfe, die durch das Land Baden-Württemberg mit einem Wall geschaffen wurde. „Für die Katz“ sei das Bauwerk, so titelten damals auch die Medien. Ebenso waren die Welse im Baggersee ein Aufreger. Damals hagelte es viele Leserbriefe, weil gefordert wurde, dass man die Welse doch fangen soll.

Infotafeln für Spaziergänger

Doch auch diese Welle der Entrüstung verebbte. Fischer haben in der Tat Welse gefangen. „Der größte war zwei Meter lang und wog 50 Kilo“, wie Roland Appl bestätigte. Da die Naturschutzgebiete von Spaziergängern und Fahrradfahrern nur schlecht einsehbar sind, hat der Naturschutzbund an mehreren Stellen Info-Tafeln aufgestellt.

Das Betreten der geschützten Gebiete an den Wernauer Baggerseen ist nicht erlaubt. „Es gibt zwar hin und wieder Dickschädel, aber größtenteils respektiert die Bevölkerung den Schutz der Tiere.“ So freuen sich Nachtigall und Co. demnächst über ein noch größeres Naturschutzgebiet, wenn Daimler die Testfahrten rund um die Baggerseen im nächsten Jahr einstellt und an andere Orte verlagert.

Ein Interview zum Thema lesen Sie hier.