Der neuralgische Punkt. Wernaus: Die Junkersstraße mündet in die viel befahrene Ortsdurchfahrt Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mobilitätsserie: S-Bahn, Stadtbus, Seniorenbus – die Stadt Wernau hat ein gutes ÖPNV-Angebot. Problem ist die Blechlawine auf der Ortsdurchfahrt. Auch der Schutz der Radfahrer könnte besser sein.

WernauMobilität in Wernau wird von zwei höchst unterschiedlichen Merkmalen geprägt. Die Bürger werden im öffentlichen Nahverkehr überdurchschnittlich gut bedient. S-Bahn-Anschluss, Stadtbus, Bürgerbus. Denkt man aber an den privaten Nahverkehr, hat man die Blechlawine in der Kirchheimer Straße vor Augen. Zur Mobilität gehört in Wernau noch eine dritte Sache, an die man in dieser motorisierten Welt nicht sofort denkt: die Fußwege. Laichlestaffel, Uhlandstaffel, die Treppe zum Amselweg , die Fußwege vom Hengenbach zur Junkersstraße – ohne diese praktischen Verbindungen müssten die Bewohner an den beiden Hängen lange Umwege machen und sie würden noch öfter ins Auto steigen.

15 000 bis 20 000 Autos fahren täglich auf der Kirchheimer Straße. „Das ist die Hölle, der Gestank und der Lärm!“, schimpft Panajotis Papadopulos, der an der Durchgangsstraße wohnt. Die Fassade seiner Pension habe er 2012 streichen lassen, vorne sei sie grau, hinten gelb – wie neu. Seit der Einführung von Tempo 30, das lässt Papadopulos gelten, sei es etwas ruhiger geworden.

Im Berufsverkehr wird die Blechschlange zur Schnecke. Denn in die Hauptverkehrsader fließen zwei kräftige Venen: Junkers- und Adlerstraße. Etwa 1000 Menschen arbeiten im Bosch-Werk in der Junkersstraße und viele Auswärtige sind mit dem Auto da. Ohne Stau vor der Ampel geht das nicht.

Über einen Kreisverkehr hatte der Gemeinderat vor Jahren heftig diskutiert. Aber zum einen müsste die Wernauer Bank private Parkfläche abgeben, zum anderen warnte die Polizei vor dem Kreisel: Die Fußgängerströme seien schwer zu regeln. Der Kreisel fand keine Mehrheit. Im Juni sollen auf Antrag von zwei Fraktionen die Verkehrsexperten im Rathaus zusammenkommen, um Optimierungsmöglichkeiten der Ampeln zu besprechen. Dass es noch viel Spielraum ist, glaubt Bürgermeister Armin Elbl nicht. Die hochkomplexe Ampelanlage auf Höhe der Bank sei von einem Ingenieurbüro programmiert worden, sie reagiere verkehrsabhängig und sei auch auf Tempo 30 eingestellt worden. Der Stadtbus fährt seit 1999 durch Wernau. Vorher mussten Bewohner aus dem Gebiet Schmalwiesen fast eine halbe Stunde Fußweg bis zum Bahnhof einkalkulieren.

Auch zur Stadtmitte hat man schnell 15, 20 Minuten und einen Kilometer Strecke beisammen, wenn man oben an der Adlerstraße oder hinten an der Humboldtstraße wohnt. 2009 wurde die Buslinien 145 und 146 an die neue S-Bahn-Verbindung angepasst. Vor eineinhalb Jahren wurde nachgebessert und einige Bus-Haltestellen gestrichen, damit die Fahrgäste zuverlässig die S-Bahn in Richtung Kirchheim erwischen. „Seither gab es keine Beschwerden mehr“, berichtet Bürgermeister Elbl. Das Busangebot bezuschusst die Stadt jährlich mit 28 000 Euro, dazu kommen circa 7000 Euro für das Anruf-Sammeltaxi, das abends ab 20 Uhr fährt.

Der Preis für den S-Bahn-Anschluss war der Verlust des Regional-Express zwischen Stuttgart und Tübingen, auch die Regionalbahn hält nur noch selten. Man muss also in Wendlingen oder Plochingen von der S-Bahn in den Zug umsteigen. Die wenigen Regionalzüge werden wohl ganz verschwinden: Entweder, weil die S-Bahn viertelstündlich fährt, spätestens aber, wenn die Güterzüge auf die Schnellbahnstrecke nach Ulm fahren. Elbl versucht die gute Seite zu sehen: „Deshalb haben wir im Vorgriff mehr Lärmschutz bekommen.“ Wo kaum ein Zug hält, braucht man auch keinen Bahnhof mehr. An dessen Stelle haben die Wernauer nun einen leeren Platz, für dessen Neugestaltung ihnen das Geld fehlt.

In der ganzen Region wird seit Monaten viel über Radschnellwege geredet. In Wernau nicht. Die vorhandenen Verbindungen seien schon gut, meint Elbl. Die schnellen Radler könnten sich bei Tempo 30 in den Verkehr auf der Kirchheimer Straße einreihen. Wer gemütlich fahre, dürfe den breiten Gehweg nehmen. Etwas flotter sei die Strecke über den Schulweg. Peter Denzinger leitet eine Radlertruppe beim TSV Wernau und fährt auch mit dem Rad ins Büro nach Köngen. Er wünscht sich Radstreifen auf der Fahrbahn wie in Köngen. Dank dieser optischen Grenze respektiere der Autofahrer den Radler beim Überholen mehr. Auf dem beliebten Neckartal-Radweg kommt man laut Elbl heute schon schnell vorwärts. Asphaltieren dürfe man den Weg nicht, weil er zu nah am Fluss liege. 610 000 Euro sind ein Batzen Geld. So viel wird die Sanierung der Laichlesstaffel kosten. Im Gemeinderat gab es Kritiker, aber für die Mehrheit war klar: Die Treppe muss erhalten werden. Denn das Netz an Fußwegen schafft schnelle Verbindungen, zu den Läden, zu den Schulen, zum Bahnhof. „Ich bin ein großer Fan der Treppen“, bekennt Elbl. Er habe sich dafür eingesetzt, dass die Grünzone beim Ärztehaus serpentinenartige Fußwege erhielt, um den Anstieg mit Kinderwagen zu erleichtern.

Die Stadt und ihr Verkehr

S-Bahn-Anschluss: halbstündliche Verbindung nach Stuttgart und Kirchheim.

Stadtbus: Anschluss an S-Bahn,
Verbindung in entferntere Wohngebiete, nachts durch Sammeltaxi ergänzt.

Parken: Zwei Parkhäuser in der
Stadtmitte. Park & Ride am Bahnhof für 2,50 Euro/Tag.

Einkaufsbus für Senioren

Verkehrsbelastung: Täglicher Stau in der Kirchheimer Straße.

Ladesäulen E-Autos: sind geplant.

Radwege: gut für Freizeit-Radler,
aber zügiges Fahren für Berufspendler schwierig, kein Schutzstreifen auf
Hauptstraßen.

Die Stadt Wernau zählt 12 500 Einwohner. Verkehrsgünstig an der B 313, sechs Kilometer zur A 8, zwei Kilometer zum Neckarhafen, 20 km zum Flughafen.

Wernau hat einen hohen Freizeitwert, ist finanziell aber nicht auf Rosen gebettet. Am Ort gibt es 3500 Arbeitsplätze. 2800 Menschen kommen zur Arbeit nach Wernau, 5050 pendeln aus. Das Pendlersaldo fällt schlechter aus als in Wendlingen, Köngen oder Plochingen.