Claudia und Arthur Schmidt verzichten, wo immer sie können, auf Plastikverpackungen. Foto: Osswald Quelle: Unbekannt

Wegwerf-Gesellschaft gegen Second-Hand, Unverpackt-Läden versus 24-Stunden-Supermarkt, Müllvermeidung kontra Plastikwahn: Es existieren zahlreiche Möglichkeiten, die Umwelt, Ressourcen und den Geldbeutel zu schonen. Eine Variante davon ist die „Zero Waste-“ oder „Low Waste-Bewegung“. Familie Schmidt aus Ostfildern macht mit.

Von Moritz Osswald

Mit Sohn Maximilian und den Wegwerfwindeln fing alles an. Der Zweijährige machte der jungen Familie bewusst, wie viel Müll tagtäglich in die Tonne wandert. Heute füllen die Schmidts Lebensmittel in Einmachgläser, setzen auf Mehrweg- statt Einwegartikel. Vor zwei Jahren hätten sie selbst nicht gedacht, ihren Müllverbrauch um knapp 80 Prozent reduzieren zu können - ohne dafür einen Hauch an Komfort einzubüßen. Jeder Deutsche verursacht laut Statistischem Bundesamt im Haushalt durchschnittlich 450 Kilogramm Abfall pro Jahr. Nicht dazugerechnet: Die Berge an Kaffee-to-go-Bechern sowie anderer Unterwegs-Abfall.

Die Begriffe „Zero Waste“ und „Low Waste“ bezeichnen einen Lebensstil, bei dem man versucht, keinen oder möglichst wenig Müll zu erzeugen. Menschen, die so leben, kaufen Nahrung unverpackt ein, bringen ihre Taschen mit, vermeiden Plastik. Manche stellen Dinge, die sie täglich brauchen, selbst her, zum Beispiel Zahnpasta oder Shampoo. Von einer Freundin erfuhr Claudia Schmidt von Mehrweg-Stoffwindeln. Schnell realisierte sie, dass dies nicht nur ökologischer, sondern auch ökonomischer ist. „Es fiel uns wie Schuppen von den Augen“, erzählt die 32-Jährige.

Die Windeln waren die Initialzündung für eine Art zu leben, die auch für Arthur Schmidt neu war. „Ich war nie ein besonders umweltbewusster Mensch. Jedoch kann man eine Menge Abfall einsparen, ohne an anderen Stellen Abstriche zu machen“, sagt der 37-jährige.

Die Nachhaltigkeitsbewegung vernetzt sich im Internet. Bloggerinnen tauschen Kochrezepte und Anleitungen für selbst gemachte Deodorants aus, geben Tipps zum Plastik vermeiden. Claudia Schmidt inspirierte der Blog der New Yorkerin Lauren Singer, die zeigen will, dass es auch in einer hektischen Großstadt möglich ist, fast müllfrei zu leben. Nahezu - denn gar kein Müll ist utopisch. Das wissen auch die Schmidts, die die puristischen Anhänger der Bewegung, die Zero Wasteler, eher kritisch betrachten. „Keinen Müll zu produzieren wäre illusionär und funktioniert nur mit Einbußen an Komfort im Alltag. Das wollten wir nie.“ Jens-Peter Wedlich, Inhaber des einzigen Unverpackt-Ladens in der Region Stuttgart, fügt hinzu: „Zero Waste durchzuhalten ist sehr anstrengend. Die Frustration ist zu Beginn oft hoch, daher geben viele schnell auf. Low Waste ist weitaus praktikabler. Jede Plastiktüte, die vermieden wird, zählt. Man sollte sich jedoch nicht unter Druck setzen.“

Keine Ökofanatiker

Abfallaskese funktioniert nicht von heute auf morgen. Orientierung bieten den jungen Eltern die fünf Prinzipien der französischen Anti-Müll-Pionierin Bea Johnson: „refuse, reduce, reuse, recycle, rot“ - also ablehnen, reduzieren, wiederverwenden, wiederverwerten und kompostieren. Nach und nach passten die Ostfilderner ihr Konsum- und Einkaufsverhalten an. Lebensmittel kaufen sie fast nur noch unverpackt, zum Einkaufen nehmen sie selbst genähte Taschen mit. Statt Shampoo in Plastikflaschen benutzen sie selbst gemachte Seife. Claudia Schmidt hat sich auch schon an einer Hautcreme versucht. Ein Toilettenreiniger mit Natron, Zitronensäure und Essig lasse sich ganz einfach selbst herstellen. Denn: „Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht“, sagt die Designerin.

„Wir werden dafür häufig in eine Schublade gesteckt“, erzählt Arthur Schmidt. Es gebe viele Menschen, die sie nicht verstünden, die fragten, warum sie diesen ganzen Aufwand auf sich nehmen. „In erster Linie machen wir das für uns“, sagt er. Ihre Motivation sei vor allem gesunder Menschenverstand. Die Schmidts betonen, dass sie keinerlei Kompromisse eingehen müssen, nur weil sie ihren Müllverbrauch drastisch gesenkt haben.

Auch Spross Maximilian muss nicht auf Spiel und Spaß verzichten. Große bunte Bauklötze und Rennautos zieren das Kinderzimmer des Zweijährigen. Vater und Spielzeugverwalter Arthur Schmidt erklärt: „Wir legen überall Wert auf hochwertige, langlebige Produkte. Da machen wir bei ihm keine Ausnahme.“ Wer billig einkaufe, kaufe zweimal, meint er.

Die Schmidts sind keine Ökofanatiker und missionieren nicht. Sie drängen niemandem ihre Sichtweisen auf. Die 32-jährige Mutter betont, dass sie nichts von radikalen Ansichten halten: „Wandel muss von den Menschen selbst ausgehen. Wir können und wollen niemanden von etwas überzeugen.“ Während die Recyclingquote für Papier und Pappe bei 99 Prozent liegt, schafft es die von Glas laut Statistischem Bundesamt sogar auf 100 Prozent. Dagegen sieht es beim Hausmüll mit gerade einmal 17 Prozent dürftig aus. Es gibt viele Ansätze, Abfall zu vermeiden - Mehrwegartikel statt Einwegprodukte, qualitativ hochwertige Dinge kaufen, die lange halten. Die 100 Euro für eine gute Jeans, die jahrelang hält, sind eben eine Investition. Alle sechs Monate eine neue kaufen, kommt nicht nur dem Portemonnaie teuer zu stehen. Und die Ressourcen des Planeten sind begrenzt.

Müllfreier alltag

Eigene Tasche zum Einkaufen mitnehmen.

Lebensmittel unverpackt einkaufen, Nahrungsmittel in Glas statt Plastikverpackung bevorzugen.

Produkte aus zweiter Hand kaufen, Kleider in Second-Hand-Läden, Möbel in Sozialkaufhäusern wie „Fairkauf“ in Stuttgart-Feuerbach.

Lieber qualitativ hochwertige Dinge kaufen und auf Langlebigkeit achten.