Jonas Huber, Daniel und Silke Buhl sowie Alexandra Käb haben derzeit viel Arbeitsstress: Sie müssen neue Tätigkeiten und Fälle übernehmen, alte Aufgaben abgeben und entsprechend an andere übergeben. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Wer in Wernau ein Haus kauft oder sein Testament verfassen will, kann ab Dienstag nicht mehr zum Bezirksnotar vor Ort, um die entsprechenden Rechtsgeschäfte abzuschließen: Dann greift die lange vorbereitete Notariatsreform im Land. Für den näheren Umkreis von Esslingen und Plochingen bedeutet das konkret, dass Stellen in neun Kommunen wegfallen. Vier Noch-Bezirksnotare klären über Vor- und Nachteile des Wandels auf.

Von Greta Gramberg

Vor der Schulstraße 16 in Plochingen steht ein Lastwagen, aus dem Möbel ausgeladen werden. Das Bezirksnotariat wird saniert und hat dazu das Erdgeschoss geräumt. Notar Daniel Buhl modernisiert die Räume, die künftig sein eigenes Geschäft beherbergen, nicht das des Landes. Der 33 Jahre alte verbeamtete Justizangehörige wechselt in der Silvesternacht vom Staatsdienst in die Selbstständigkeit - eine Möglichkeit, die die bisherigen württembergischen Bezirksnotare nun haben.

„Ich habe sehr gerne mit Menschen zu tun“, erklärt Buhl, der an diesem Morgen mit drei weiteren Noch-Staatsnotaren in einem Besprechungsraum im ersten Stock sitzt. Die Beurkundungen hätten ihm deshalb am meisten Spaß gemacht. „Und diese Tätigkeit führe ich gerne fort.“ Andere Aufgaben muss er nun aber abgeben: Daniel Buhl ist nicht wie bislang Betreuungs- oder Nachlassrichter, sein Büro fungiert nicht mehr als Grundbuchamt. Diese Tätigkeiten wandern an die Amtsgerichte Esslingen beziehungsweise Böblingen.

Die Landesregierung hat mit der Notariats- und der Grundbuchamtsreform, über die in den Jahren 2008 und 2009 entschieden wurde, die Anpassung an den Rest der Bundesrepublik im Sinn. Seit fast 200 Jahren gibt es das Bezirksnotariat in Württemberg, wozu bis 2012 ein fünfjähriges Duales Studium an der Notarakademie Baden-Württemberg befähigt hat. Wobei es auch jetzt schon, vor der Reform, freie Notare gibt, die nur beurkunden können und teils zeitgleich als Rechtsanwälte tätig sind. Im badischen Landesteil gilt bislang wiederum eine andere Regelung.

Nun werden in einer Nacht rund 300 staatliche Notariate aufgelöst. Die früher mehr als 600 Grundbuchämter sind bereits schrittweise an 13 Stellen zusammengefasst worden. An 138 Standorten im Land wird es freie Notare und Notarinnen geben. Die Stellen vergibt das Justizministerium. Die Ausbildung besteht nun aus einem Jurastudium und einem mindestens zweijährigen Assessorat. Zeitgleich als Rechtsanwalt tätig sein, darf dieser Nachwuchs nicht.

Es gibt also künftig weniger Notariate, im näheren Umkreis nur noch in Esslingen und Plochingen. Viele Bezirksnotare wechseln an Amtsgerichte, um dort die ihnen bereits geläufigen Tätigkeiten als Rechtsbeamte im Grundbuchwesen, als Nachlass- oder Betreuungsrichter fortzuführen. Daniel Buhls Frau, bislang Notarin in Wernau, wechselt ans große Grundbuchamt in Waiblingen. „Für mich kommt einfach die Selbstständigkeit nicht infrage“, sagt die 31-jährige Silke Buhl, die allerdings Wehmut empfindet. „Ich fand den Beruf Bezirksnotarin sehr schön, er ist abwechslungsreich.“ Der Kundenkontakt werde ihr künftig fehlen.

„Wir können alle sagen, dass wir den Beruf, wie er bisher war, gerne gemacht haben“, bestätigt auch Alexandra Käb. Ihnen würden die betreuungs- und nachlassrechtlichen Angelegenheiten fehlen, erklärt ihr künftiger Geschäftspartner Jonas Huber. Durch diese Tätigkeit werde man geerdet, weil man mit vielen Schicksalsschlägen in Berührung komme. „Die Leute, die sagen, die Arbeit eines Notars ist trocken, haben keine Ahnung.“ Man sei mitten im Leben. Gemeinsam werden der 34 Jahre alte Huber und die 41-jährige Käb in Esslingen ein Notariat in Sozietät bilden - da könne man sich größer aufstellen, gegenseitig vertreten und trage das Risiko Selbstständigkeit gemeinsam.

Notare wappnen sich für Neukunden

Allerdings ist dieses nicht so groß, weil der Staat die Stellenzahl stark limitiert - dadurch entstehe kein Konkurrenzgedanke, so Huber. Auch wenn man zu Beginn viel investiere, sei es nicht der schlechteste Beruf, um sich selbstständig zu machen, sagt Geschäftspartnerin Käb. Und obwohl die Notariatsstellen in Württemberg von 250 auf 146 reduziert werden, ist die Verteilung den vier Bezirksnotaren zufolge gut aufgegangen, jeder habe bekommen, was er wollte. Der Zeitraum für die Umsetzung der Reform sei glücklich gewählt, weil gut die Hälfte der früheren Notare in Ruhestand gingen.

Das Negative an der Reform: Manche Bürger haben keinen Notar mehr vor Ort. „Aber wir stellen uns entsprechend auf, dass wir auch ihnen zur Verfügung stehen“, sagt Daniel Buhl. Sowohl er als auch Huber und Käb verwahren Urkunden und übernehmen nicht beendete Verfahren von geschlossenen Notariaten. Die Gebühren erhöhen sich für den Bürger nicht.

Über die künftigen Zuständigkeiten im Kreis Esslingen klärt die Internetseite www.notariatsreform.de auf.

Ansprechpartner im näheren Umkreis

Bezirksnotariate (bis 31.12.2017): Aichwald, Altbach, Denkendorf, Esslingen, Filderstadt, Köngen, Leinfelden-Echterdingen, Neuhausen, Ostfildern, Plochingen, Reichenbach, Wendlingen, Wernau.

Freiberufliche Notare (ab 2018):

Esslingen: Alexandra Käb und Jonas Huber, Hubert Brüstle-Heck und Peter Wandel, Beate Magnussen, Rolf Pratz, Frank M. Schwarz.

Filderstadt: Alexandra Müller.

Leinf.-Echterdingen: Jürgen Kuhn.

Plochingen: Daniel Buhl.

Nachlass und Betreuung (Zuständigkeit ab 2018):

Amtsgericht Esslingen: Aichwald, Altbach, Baltmannsweiler, Deizisau, Denkendorf, Esslingen, Hochdorf, Lichtenwald, Neuhausen, Ostfildern, Plochingen, Reichenbach, Wernau.

Amtsgericht Nürtingen:Filderstadt, Köngen, Leinfelden-Echterdingen, Wendlingen, Wolfschlugen.

Grundbucheinsichtsstellen: Baltmannsweiler, Deizisau, Hochdorf, Lichtenwald, Ostfildern, Plochingen, Wendlingen, Wernau, Wolfschlugen. Für die Bürger der restlichen Gemeinden bleibt nur der Weg ans Amtsgericht Böblingen.