Gestrüpp ist einem Park gewichen, in dem die Vereine gerne feiern. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

Wie der Elefant im Porzellanladen fühlt sich der Besucher bei Wolfgang Thiel im Kulturpark Dettinger: An den Wänden lehnen oder stehen Werke über Werke, Leitern und anderes Material und nur ein schmaler Weg führt in den hinteren, helleren Bereich seines Ateliers, wo der Künstler arbeitet oder sich auf sein rotes Sofa setzt. Vor 25 Jahren hat Thiel als einer der ersten die ehemalige Mühlsteinfabrik mitten in Plochingen bezogen - und es sich auf seine Art heimelig gemacht. „Wenn man so lange in einem Atelier ist, sammelt sich einiges an“, sagt der Bildhauer.

Künstler, Vereine, Flaneure: Sie haben sich die verschiedenen Ecken des Areals angeeignet und peu à peu an ihre Bedürfnisse angepasst - ganz im Sinne der Stadt Plochingen, die das Gelände Ende der 1980er von der Fabrikantenfamilie gekauft hat, um das historische Ensemble als Industriedenkmal zu erhalten und es für ihre Bürger zu öffnen. „Die Parkanlage ist als erstes öffentlich geworden“, sagt Susanne Martin, Leiterin des Fachbereichs Kultur und Tourismus im Rathaus. Er sei wie ein „geheimnisvoller Märchengarten“ hinter hohen Hecken gewesen, erinnert sie sich. „Inzwischen haben ihn die Leute als Open-Air-Wohnzimmer angenommen.“

Das ist auch das Verdienst der Vereine, die den Park beleben. Die Initiative Mahlwerk bietet im Alten Pferdestall Kunstkurse an. Die Harmonikafreunde und der Musikverein Stadtkapelle üben im früheren Kontor und dem 2008 eingeweihten Musikpavillon. Der Bouleclub spielt auf den Bahnen im Park. „Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sie sehr viel an Eigenleistung investiert“, sagt Susanne Martin. An die 4000 Stunden haben etwa die Mitglieder des Musikvereins laut dem Vorsitzenden Ralf Krasselt für die Herrichtung ihrer Räume selbst angepackt. „Wir sind sehr dankbar, in diesem schönen Park und historischen Gebäudeensemble mitten in der Stadt üben, proben, aber auch feiern zu dürfen“, so Krasselt.

Aber auch bei den Außenanlagen haben Bürger entscheidend geholfen. Noch vor der Eröffnung haben sich die Plochinger Vereine zusammengetan, um auszumisten, erzählt Martin. Damals sei alles mit Gestrüpp zugewachsen gewesen - das Archivfoto oben gibt einen Eindruck davon. Heute ist der Park offen zugänglich. Ein Spielplatz zieht Mütter mit ihren Kleinen an. Es gibt eine Tischtennisplatte und Sportgeräte für Senioren.

Alle Generationen, Besucher und Bewohner sind beim Jubiläumsfest am Wochenende vertreten. Auch die Ateliergemeinschaft, die ihre Räume öffnet. Jeder Künstler hat sich sein Reich eingerichtet. Bei Werner Fohrer, der ebenfalls seit 1992 ansässig ist und unter dem Dach an seinen leuchtenden, fotorealistischen Bildern arbeitet, lehnt Leinwand an Leinwand und es gibt nur wenige Möbel. Wie eine helle, moderne Wohnstube sieht dagegen Verena Könekamps Atelier aus, das sie seit fünf Jahren hat. Es gibt eine gemütliche Sofaecke und überall sieht man ihre farbenfrohen Textilbilder. In Manuela Tirlers Räumen spiegelt sich deren industrielle Vorgeschichte wieder: Ihre großen Stahlplastiken fertigt sie mit schwerem Gerät, es riecht nach Gummi und für eine kleine Tee- und Schreibecke hat sie ein Pförtnerhäuschen gebaut. Die Fabrikhistorie hatte auf keines der Werke Einfluss, sagen die Künstler. „Die gute Atmosphäre im Haus schlägt sich aber nieder“, so Könekamp. Wenn man bei einer Arbeit nicht weiterkomme, könne man die Nachbarn um ihre Meinung bitten, ergänzt Thiel. Ein chaotisches Künstlerdorf mit wilden Parties ist es aber nicht. „Man muss diszipliniert und straff arbeiten“, beschreibt Thiel das Leben eines Künstlers von heute.

Lustige Anekdoten haben sich in 25 Jahren dennoch angesammelt: An einem Regentag soll die „Ente“ eines Besuchers mit Wasser vollgelaufen sein, weil er das Auto unter den Ablauf einer Regenrinne gestellt hat. Tirler hat auf dem Gelände ihren Mann kennengelernt, der Vizedirigent des Musikvereins ist - was zu einer „fruchtbaren Zusammenarbeit“ geführt habe, wie sie mit Blick auf ihren Babybauch sagt. Und Bildhauer Helmut Stromsky, der früher Teil der Ateliergruppe war, hatte eine Neigung dazu, die Stipendiaten zur Arbeit anzutreiben, wie Fohrer und Thiel sich schmunzelnd erinnern. Er habe die Anwesenheit kontrolliert und dabei gerufen: „Der Adriani kommt“ - in Anlehnung an den Kunstpapst Götz Adriani.

Auch die vier aktuellen und frühere Stipendiaten sind am Fest beteiligt. Die Kreisverwaltung hat eine Jubiläumsschau zusammengestellt, die morgen in der Alten Steingießerei eröffnet wird: 35 der bislang 41 Stipendiaten stellen Werke zur Verfügung. „Die meisten blicken auch heute noch begeistert auf ihre Stipendiaten-Zeit zurück“, erzählt die Kreiskulturbeauftragte Sarah Panten.