Auch koschere Küche ist Thema: Gebäck für besondere Feste in einem der Museumshäuser Quelle: Unbekannt

Im Spätmittelalter wurden die Juden aus den Städten in die schwäbische Provinz vertrieben. Eine Ausstellung im Freilichtmuseum Beuren zeigt, wie es ihnen auf dem Land erging.

BeurenEine neue Sonderausstellung zum jüdischen Leben auf dem Lande hat im Freilichtmuseum Beuren eröffnet. Sie durchzieht das ganze Gelände, die Stelen vor den Häusern sind kaum zu übersehen, und das bis Ende 2019.

An neun Stationen werden zwölf Themen behandelt: Wie lebten jüdische Viehhändler, welche Rolle spielte der jüdische Textilhandel? Die Ausstellung erklärt religiöse Feste und Bräuche, betrachtet das friedliche Zusammenleben zwischen Juden und Christen ebenso wie die dunklen Seiten der Geschichte. Eine Station widmet sich den Kriegserfahrungen jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, eine andere informiert über Antisemitismus früher und heute. Was macht die koschere Küche aus? Auch das wird erklärt. An Mitmachstationen kann eine kleine Thorarolle gebastelt werden, Kippot, Tefillin und Dreidelspiel werden ausprobiert und hebräische Schriftzeichen getestet. In der Gärtringer Scheuer ist die Laubhütte aus Baisingen zu sehen, die einst für die häusliche Feier des Laubhüttenfestes verwendet wurde. Später wurde sie als Hühnerstall missbraucht.

„Jüdisches Leben im ländlichen Württemberg“ ist ein Teil eines Gemeinschaftsprojekts von den Freilichtmuseen in Baden-Württemberg, die unter dem Motto „Die Sieben im Süden“ kooperieren. Jedes Museum widmet sich einem anderen Aspekt der Ausgrenzung und Integration auf dem Lande. Es geht um Heimatvertriebene und Gastarbeiter, um Armut auf dem Land und um Geschichten von Flucht und Heimkehr. Das Gemeinschaftsprojekt wird durch das Land Baden-Württemberg und die Baden-Württemberg Stiftung gefördert, zu ihm erscheint ein Begleitband.

Die Ausstellung in Beuren komme genau zur richtigen Zeit, sagte Landrat Heinz Eininger bei deren Eröffnung. „70 Jahre Israel, 35 Jahre Partnerschaft des Landkreises mit Givatayim, 80 Jahre Reichspogromnacht und bedrohliche antisemitische Strömungen in der Gesellschaft. Wir sind mit der Beschäftigung mit der Geschichte mitten in der Gegenwart.“ Was im Nahen Osten geschehe, müsse uns Sorgen machen: „Die Weltordnung ist in Unordnung. Israelische Siedlungspolitik, atomare Hochrüstung, Amerika wird seiner Verantwortung als Weltmacht in keiner Weise gerecht.“

Der Landkreis tue gut daran, die Partnerschaft mit Israel immer neu zu beleben, etwa durch die Schulen und den Austausch der Klinken. Deutschland habe wegen der Schoah eine besondere Verantwortung. „Dabei wollen wir unter Freunden auch schwierige Themen ansprechen“, sagte Heinz Eininger mit Blick auf die Ereignisse im Gazastreifen.

Wie kamen Juden in Württemberg aufs Land? Darüber sprach der Plochinger Pfarrer Joachim Hahn: Sie wurden am Ende des Mittelalters aus den Städten vertrieben. „Das hatte wirtschaftliche Gründe. Nachdem es auch christliche Handelsfamilien wie die Fugger gab, waren die Juden nur noch eine lästige Konkurrenz.“ Außerhalb der Städte konnten sie sich nur gegen hohe Schutzgelder ansiedeln, teils nur vorübergehend, teils dauerhaft. Es gab immer Hunderte von obdachlosen Juden in Württemberg. „Vom 16. bis 19 Jahrhundert waren sie Objekte wirtschaftlicher Ausbeutung, ihr Wohngebiet war oft streng ausgegrenzt.“

Ab dem 18. Jahrhundert gab es auf dem Gebiet des späteren Württemberg 70 bis 80 Judendörfer, in denen die Juden bis zu 50 Prozent der Bevölkerung stellten. In Buttenhausen auf der Alb lebten Juden und Katholiken mehr als 300 Jahre friedlich miteinander. „Als dann die erste evangelische Familie zuzog, waren sich Juden und Katholiken im Dorf einig, dass das nichts rechtes war.“ Es gab in manchen Dörfern Synagogen, die den Kirchen baulich in nichts nachstanden.

Als in den Städten der Handel und die Industrie befördert werden sollten, konnten Juden in die Städte zurückkehren. In Esslingen war das ab 1806 der Fall. „Das war erfolgreich, Juden bauten unter anderem die beste Handschuhfabrik der Stadt auf.“

Museumsleiterin Steffi Cornelius ist stolz auf die drei Kuratorinnen, das Design der Ausstellung wurde selbst erstellt. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und Joachim Hahn haben fachlich beraten. Die Ausstellung ist bis November 2019 während der Öffnungszeiten des Museums zu sehen. Es gibt ein Begleitprogramm mit zehn Veranstaltungen.

Das Begleitprogramm

Vortrag über Helfer: Am Sonntag, 24. Juni, um 11 Uhr spricht der Plochinger Pfarrer Joachim Hahn über die Rettung des jüdischen Ehepaars Krakauer. Pfarrhäuser der „württembergischen Pfarrhauskette“ hielten die Familie ab 1943 vor den Nazis versteckt.

Film und Musik: Am Sonntag, 1. Juli, gibt es um 11 Uhr die Filmvorführung „Der Dachdecker von Birkenau“ mit Regisseur Johannes Kuhn .

Unter dem Titel „Anatevka im Lautertal“ erinnert das sechsköpfige Ensemble „Klezmerfantasien“ um 15 Uhr an das musikalische Leben im jüdisch-christlichen Albdorf Buttenhausen.

Erzählkonzert: Am Sonntag, 22. Juli, erfährt man um 11 Uhr beim Erzählkonzert

„Der Wunderrabbi, der den Toten mit Wodka weckte“ von Revital Herzog viel über das jüdische Leben.

Das Museum ist bis 4. November dienstags bis sonntags von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellung ist auch von 30. März bis 3. November 2019 zu sehen.