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Die Familie befindet sich in einem stetigen Wandel und die Herausforderungen sind enorm. Darüber diskutierten Experten und Betroffene in der Filderklinik.

FilderstadtDie Familie befindet sich in einem stetigen Wandel und steht heute vor enormen Herausforderungen, um Beruf und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen.“ Das hat die Frauenreferentin Susanne Omran vom Referat für Bürgerbeteiligung und Chancengleichheit betont, als sie die Veranstaltung „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ am Freitagabend in der Filderklinik eröffnete. Omran hatte diese in Kooperation mit dem Landratsamt Esslingen, der Filderklinik, der Bundesagentur für Arbeit und dem Evangelischen Familienzentrum im Rahmen der „Weltstillwoche“ organisiert.

Eine besonders belastete Familienform sei die der Alleinerziehenden, sagte Omran. „Diese Mütter stehen viel schlechter da und sind überdurchschnittlich armuts- und gesundheitsgefährdet.“ Auch die Bernhäuserin Sandra Rien gehört zu dieser Gruppe. Die Arzthelferin zieht ihre zwei Kinder, eine fünfjährige Tochter und einen vierjährigen Sohn, alleine groß, arbeitet 26 Stunden pro Woche und engagiert sich im Familienzentrum in der Rosenstraße. „Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?“ fragte Rosemarie Daumüller, die Moderatorin der Podiumsdiskussion, die den Landesfamilienrat Baden-Württemberg leitet. „Mein Arbeitgeber ist sehr flexibel, doch ohne meine Mama ginge es nicht.“ Die Oma überbrücke die Fehlzeiten in der Betreuung. Nun stockte die junge Mutter ihr Arbeitspensum auf, kam dadurch in eine andere Bemessungsgrenze. „Das Wohngeld fiel weg, und der Kindergartenplatz kostet jetzt 3,20 Euro pro Tag statt nur 1 Euro“, klagte Sandra Rien.

„Elterngeld ist fantastisch“

Lehrerin Susanne Schulz wohnt mit ihrem Partner in Plattenhardt, hat einen elf Monate alten Sohn. Sie will im nächsten März aus finanziellen Gründen wieder in den Schuldienst zurück. „Ich habe mich für eine Tagesmutter entschieden, diese Betreuungsform ist flexibler und nicht so teuer wie eine Krippe.“ Sie fühle sich als Mutter aber nicht als Leidtragende: „Das Elterngeld ist fantastisch, in dieser Zeit können Väter und Mütter daheim bleiben. Schade, dass heute niemand von den Kindis hier ist.“ Vertreter der institutionellen Kinderbetreuung waren bei dieser Veranstaltung nicht vor Ort, nur Sibylle Schober, Geschäftsführerin des Tageselternvereins Esslingen. „Wir bieten mit der Kindertagespflege Betreuung durch Tagesmütter für Kinder von null bis 14 Jahren“, erklärte sie. Ihr Verein sehe sich als Ergänzung zur institutionellen Betreuung.

„Familie heute – Generation unter Druck?“, fragte Stephanie Saleth, Leiterin der baden-württembergischen Familienforschung im Statistischen Landesamt in ihrem Vortrag und zeigte, wie stark sich die Lebenswelt der Familien in den letzten 40 Jahren verändert hat. Während in den 1970-er Jahren nur wenige Frauen arbeiteten, kehren heute 75 Prozent wieder in den Beruf zurück, wenn die Kinder zwei oder drei Jahre alt sind. Vor allem die Familienformen wandelten sich stark. „Es gibt mehr unverheiratete Paare, mehr Scheidungen und damit häufiger Familienneugründungen. Die Anzahl der Kinder, die bei Alleinerziehenden aufwachsen, steigt stetig.“ Die Gruppe der 35- bis 44-Jährigen sei durch Pflichtaufgaben im Beruf, in der Familie und bei der Pflege am stärksten gefordert und komme oft an den Rand ihrer Kraft. Das Fazit der Familienforscherin: „Die Arbeitgeber können durch innovative Arbeitsorganisation und entlastende Infrastruktur einen positiven Beitrag zur Bewältigung des Alltags leisten und mehr Freiräume schaffen.“

Wie bekomme man den Spagat zwischen Beruf und Erziehung hin, fragte Moderatorin Daumüller? „Wir suchen mit individuellen Arbeitzeitmodellen nach flexiblen Lösungen“, antwortete Rechtsanwältin Kristina Fritz-Schneider, die sechs Edeka-Märkte und 500 Mitarbeiter unter sich hat. Der Schichtbetrieb und die langen Öffnungszeiten im Einzelhandel seien aber nicht familienfreundlich. „75 Prozent unserer Mitarbeiter sind Frauen“, verriet Nikolai Keller, Personalchef der Filderklinik. „Davon arbeiten 75 Prozent in Teilzeit – ein Kraftakt in einer Akutklinik.“ Doch mit Job-Sharing-Modellen und der Einräumung von Stillzeiten komme man den Müttern entgegen.

Diskussion wie vor 30 Jahren

„Vor 20 Jahren konnte man Teilzeitstellen mit der Lupe suchen, sagte Thekla Schlör, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Göppingen. „Viele Frauen gingen nach dem Erziehungsurlaub in die Arbeitslosigkeit, heute sind fast alle wieder zurück im Beruf.“ Das sei ein Riesenfortschritt. „Schon vor 30 Jahren haben wir diese Diskussion geführt“, sagte Edeltraud Herrmann, die frühere Frauenreferentin von Filderstadt: „Frauen arbeiten in Teilzeit, oft weit unter ihrer Qualifikation. Das wirkt sich negativ in der Rente aus.“

Doch es gab auch positive Stimmen: Immer mehr Arbeitgeber böten Teilzeitarbeit oder Home Office an. Die Kinderbetreuung habe sich verbessert, junge Familien erhielten 14 Monate lang Elterngeld mit 65 Prozent des Gehalts. Die Väter übernähmen mehr Erziehungsaufgaben als früher und im engmaschigen Netz der Kommunen gehe niemand verloren.