Monika Halama zeigt der Seniorin Gudrun Michael, wie man mit der Veeh-Harfe einfache Lieder spielt. Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Mit einem Blatt gibt das Instrument an, wann welche Saite gezupft werden muss. Notenlesen ist somit keine Vorraussetzung.

WernauIm Alter noch ein Musikinstrument lernen, das ist mühsam. Doch im Seniorenzentrum St. Lukas in Wernau wird trotzdem regelmäßig nicht nur gesungen, sondern auch musiziert. Selbst Menschen, die nie ein Instrument gespielt haben, wagen sich mit Monika Halama an die Veeh-Harfe.

„Das ist einfach das genialste Instrument“, ist Halama überzeugt. Aus dem Mund der langjährigen Musiklehrerin, die auch Flöte, Akkordeon und Klavier spielt, erstaunt dieser Satz zunächst ein bisschen. Doch Halama hat erlebt, wie die Veeh-Harfe ihrer eigenen Mutter glückliche Momente beschert hat. Und weil sie nach deren Tod nicht aufgehört hat, mit Tagespflegegästen und Bewohnern von St. Lukas zu musizieren, erlebt sie auch jetzt noch fast jede Woche die starke Wirkung des Zupfinstruments. Auch an sich selbst, wie sie verrät: „Das bringt einen richtig wieder runter.“

Papier unter den Saiten

Die Veeh-Harfe, deren Aufbau an eine Zither angelehnt ist, hat in den 80er-Jahren der Landwirt Hermann Veeh erfunden. Sein Sohn war sehr musikalisch, konnte aber aufgrund seiner Einschränkungen durchs Down-Syndrom keine Noten lernen. Die braucht man bei der Veeh-Harfe auch nicht zu beherrschen: Ein Blatt Papier wird unter die Saiten geschoben, durch eine Linie verbundene Notenköpfe – je nach Länge gefüllt oder leer – zeigen an, welche Saite gezupft werden muss. Das war’s schon beinahe, auch wenn das Ganze noch mit Feinheiten wie einer Begleitstimme für die linke Hand oder weiteren Notenwerten ausgebaut werden kann. „Man braucht keine musikalischen Grundkenntnisse“, sagt Halama.

Gudrun Michael schaut trotzdem etwas skeptisch auf das Instrument. „Das sehe ich heute zum ersten Mal“, sagt die 92-Jährige. Halama ermuntert sie, es zu versuchen und legt das Notenblatt für „Der Mond ist aufgegangen“ ein. Vorsichtig beginnt die Seniorin zu zupfen, die Töne perlen und sie spielte das ganze Lied durch. Außer Blockflöte habe sie nie ein Instrument gespielt, verrät sie, aber sehr viel im Chor gesungen, „auch als Solistin“. Ihr fällt das Spielen leicht, beim zweiten Durchgang nimmt sie schon die linke Hand dazu, um die tiefen Töne der Begleitmelodie anzuschlagen. „Da haben wir ein Naturtalent entdeckt“, sagt Gesa Streng, die an diesem Tag als Betreuungsassistentin die Gruppe unterstützt.

„Sie werden staunen, wie einfach das ist“, sagt Halama zu einer anderen Frau am Tisch, die sich ebenfalls versuchen möchte. Mit dem Zupfen tut sie sich ein bisschen schwer, sie drückt die Saiten nach unten. Ganz leise ist die Melodie trotzdem zu erkennen. Da lacht die „Schülerin“ herzhaft. Durch den schnellen Erfolg seien die Leute sehr motiviert, erzählt Halama. Manchmal möchten alle ausprobieren, manchmal spielt sie selbst und die Runde singt mit. Das geht zum Klang der Veeh-Harfe sehr gut. „In der Tagespflege, da singen sie immer wie die Stare“, verrät die Musiklehrerin.

In thematischen Mappen sind die Liedblätter vorsortiert, an diesem Tag sind Frühlingslieder angesagt. „Nun will der Lenz uns grüßen?“, fragt Halama und erntet zustimmendes Nicken. Gesa Streng verteilt die Liederbücher, auf der passenden Seite aufgeschlagen, und alle Strophen werden durchgesungen. „Das ist zu hoch“, merkt Streng beim nächsten Stück an. Kein Problem: Bei der chromatisch aufgebauten Veeh-Harfe kann man durch Verschieben des Notenblatts nach links oder rechts leicht die Tonlage verändern.

Mittlerweile ist die Runde deutlich größer geworden, einige sind auf dem Rückweg vom Gottesdienst dazu gestoßen. Eine Frau stellt sich hinter Halama und schaut ihr über die Schulter beim Spielen zu. Die Musiklehrerin spielt auch in zwei Gruppen in Kirchheim und Beutelsbach Veeh-Harfe. Dort werden ebenfalls Betagte oder Menschen mit Behinderung integriert. Nach St. Lukas kommt sie fast jede Woche. „Bis nächstes Mal dann“, sagt eine der Damen am Ende: „Und wann ist das nächste Mal?“ Das weiß Monika Halama nicht genau, weil sie verschiedene Bereiche besucht. Aber sie hat einen Tipp für die Bewohnerin, denn die Veeh-Harfe gehört St. Lukas und kann von den Bewohnern ausgeliehen werden: „Das können sie hochholen und selber spielen!“