Ruth Müller (rechts) erzählt den Mädchen und Jungen, wie es in ihrer Kindheit war. Foto: Krytzner - Krytzner

Die gute alte Zeit war gar nicht so gut. Das haben Grundschüler aus der Lindenschule in der Parksiedlung im Rahmen ihres Ferienprogramms erfahren.

OstfildernWie die Leute früher gelebt haben, erkundeten Grundschüler der Lindenschule im Ferienprogramm. Um die 60 Kinder nutzten das Angebot von Andrea Spätling und ihrem Team vom Ganztagsbereich und erlebten spannende Tage. Da der Kreisjugendring (KJR) die Trägerschaft für das Programm übernahm, konnten die Pädagoginnen und Erzieherinnen unabhängig von der Schulleitung planen und organisieren. Zum Team gehören auch Jugendbegleiter und einige Teilnehmer am Freiwilligen Sozialjahr. Für Andrea Spätling eine gelungene Mischung: „Im Team gibt es immer wieder neue Gesichter. So können wir verschiedene Workshops wie Judo oder Boxen anbieten.“

Ein Ferienprogramm gibt es an der Lindenschule in allen Ferien außer an Weihnachten. In der Woche nach Ostern geht es um die alten Zeiten. Da bietet sich den Grundschülern die Gelegenheit, sich mit dem Leben zu Omas Zeiten zu befassen. Die Kinder bekamen Haushaltsarbeiten wie Socken stopfen, Waschen mit dem Waschbrett oder Sticken vorgestellt. Alles konnten sie selbst ausprobieren. Besonders viel Spaß machte das Filzen. Andrea Spätling freut sich: „Die Schüler sind begeistert und interessieren sich für die alte Zeit.“ Dies liegt nicht nur an der Historie, sondern auch an der spannenden Gestaltung des Programms. So lernten die Kinder alte Spiele kennen und erfuhren, was ein Abzählreim ist. Und was wäre eine Schule ohne Zeitzeugen? Eine historische Schulbank zeigt, wie die Schüler früher im Klassenzimmer saßen. Andrea Spätling ist überzeugt: „Das Ferienprogramm ist ein Erfolg. Wir bilden kleine Gruppen, damit alle mal an die Reihe kommen.“

Am Mittwoch gab es ein Highlight: Uroma Ruth Müller erzählte aus ihrer Kindheit und beantwortete die vielen Fragen der Kinder. Die 86-Jährige lebte während des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg und verbrachte wegen der Fliegeralarme viele Nächte im Keller. Ihr Haus brannte vollständig ab und die Familie hat alles verloren. Ruth Müller erinnert sich: „Nach dem Kriegsende gab es drei Monate lang keine Schule. Dafür arbeitete ich als damals 13-Jährige bei einem Bauern, damit wir Gemüse und Eier zu essen hatten.“ Für die Oma mit zehn Enkeln und sieben Urenkeln war es eine karge Zeit, dennoch hat sie auch schöne Erinnerungen an die Kindheit. „Wir haben in der Familie viel gemeinsam gespielt. Vor allem Mensch, ärger‘ dich nicht oder Schach.“

Die Grundschüler hatten viele Fragen. Philipp wollte wissen, wie viele Kinder es in den Familien gab. „Zum Teil waren es acht Kinder, vor allem bei den Bauersfamilien.“ Die Mädchen interessierten sich für die damalige Kleidermode. Ruth Müller erklärte, dass es vor 70 Jahren undenkbar war, dass Mädels Hosen trugen. „Es gab lange Strümpfe und Röcke. In den kalten Wintern und bei einem Schulweg von bis zu vier Kilometern froren vor allem die Mädchen.“ Die Auswahl an Kleidungsstücken sei spärlich gewesen. „Wir waren froh, wenn wir überhaupt Röcke geschenkt bekamen. Wer flüchtete, konnte nur mitnehmen, was er am Körper trug.“

Eine Schülerin wollte wissen, was es zu essen gab. „Vor allem Kartoffeln, das war das Grundnahrungsmittel.“ Nudeln habe sie erst Anfang der 50er-Jahre kennengelernt. Klara interessierte sich für die Schule. Ruth Müller erinnert sich nur ungern an die strenge Zeit. „Jeden Morgen ging’s in Reih und Glied ins Klassenzimmer. Dort standen die Schulbänke mit jeweils drei Plätzen. Wir hatten immer denselben Platz. Schwätzen und Aufstehen während des Unterrichts war verboten.“ Bis zu 60 Schüler in einer Klasse seien normal gewesen. Schulhefte und Bücher nutzten sie gemeinsam und sie schrieben mit Griffeln auf Tafeln. Die Hygiene war ein weiteres Thema. Was heute Usus ist, war damals Luxus, erzählte die Seniorin. „Badewannen waren ganz selten. Wir wuschen uns mit Kernseife am Waschbecken. Es gab einen Waschplan.“ Die Wäsche sei einmal pro Woche gewaschen worden. „Sie wurde im Waschzuber eingelegt, gestampft und gereinigt. Da es noch keine Schleudern gab, hingen wir die Kleidungsstücke klatschnass auf. Da dauerte es halt ein paar Tage, bis die Wäsche trocken war.“ Lesen war für sie ein Strohhalm während des Krieges. „Mich führte das Schmökern in eine andere Welt und ich konnte die schrecklichen Erlebnisse für einige Zeit vergessen.“