Die heutige Ansicht Foto: Bulgrin/Visualisierung: Kauffma - Bulgrin

Die Stadt Ostfildern glaubt, für die Ecke Kirchheimer/Hedelfingerstraße in Ruit eine Lösung zu haben. Dort sollen bezahlbare Wohnungen für Menschen mit Pflegeberufen entstehen.

OstfildernWie bebaue ich an der Ecke Kirchheimer/Hedelfingerstraße in Ruit ein Mini-Grundstück mit ortsprägendem Charakter? Und wie lässt sich so ein kaum rentables Vorhaben finanzieren? Mit einem Entwurf des Architekten Andreas Theilig glaubt die Stadt Ostfildern darauf die richtigen Antworten gefunden zu haben. Als „repräsentativer Auftakt“ des Stadtteilkerns soll dort ein zweigeteilter, sich nach oben verjüngender Baukörper mit fünf beziehungsweise sechs Geschossen entstehen. Die Erich-und-Liselotte-Gradmannstiftung will in dem sehr modern anmutenden Gebäude 14 bezahlbare Wohnungen für Menschen mit Pflegeberufen schaffen und die Miete auch subventionieren.

Der Technische Ausschuss des Gemeinderats habe in seiner jüngsten Sitzung dem Baugesuch mehrheitlich zugestimmt, berichtete OB Christof Bolay gestern in einem Pressegespräch. Wohl wissend, dass es auch kritische Stimmen gibt. „Ausmaß und Höhe erschrecken mich“, sagt Uwe Schlecht, der in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt. Mit einem vor Jahren verabschiedeten Rahmenplan habe die städtische Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft (SEG) alles daran gesetzt, Ruit zu verschönern. „Dann kommt so was.“ Ferner missfällt Schlecht, dass es im Gegensatz zu anderen Großprojekten in Ruit keinerlei Bürgerbeteiligung gegeben habe.

Forderung nach Freifläche abgewiesen

Die Fläche soll frei bleiben – mit dieser Forderung hatte der Bund der Selbstständigen vor ein paar Jahren eine Unterschriftenaktion initiiert und dafür an die 2000 Unterstützer gefunden. Doch die Stadt machte von Anfang an klar: Eine Freifläche kommt an dieser Stelle nicht in Frage. „Niemand hat ernsthaft gedacht, dass man den Platz wüst lässt“, so der Rathauschef. Da gehöre ein markantes Gebäude hin. Als im Herbst 2016 der neue Altenhilfeplan herauskam und darin festgestellt wurde, dass günstiger Wohnraum für Pflegefachkräfte absolute Mangelware ist, konfrontierte Bolay damit seinen Vorgänger Herbert Rösch, der seit vielen Jahren Geschäftsführer der Gradmann-Stiftung ist. Auf den ersten Blick erschien ihm das Vorhaben als unrealisierbar, räumte Rösch ein. Zumal die Anfangsfläche gerade mal 430 Quadratmeter betrug. Aber durch das „Wohlwollen“ zweier Nachbarn, die ihre Grundstücke verkauft haben, sei die Fläche auf knapp acht Ar gewachsen. Er sei überzeugt, „dass wir mit dem Projekt für die Ziele der Stiftung etwas Sinnvolles bewirken“, so Rösch. Stiftungszweck sei, „das Wohnen und Leben älterer und hilfsbedürftiger Menschen zu fördern“. Außerdem man leiste einen Beitrag dazu, die Funktionsfähigkeit der Pflegeheime in der Stadt zu erhalten. Drittens realisiere man ein Projekt, das der Verschönerung des Ortsbildes dient.

Jährliche Subventionen nötig

Inklusive Grunderwerb wird die Stiftung 6,3 Millionen Euro investieren. Wirtschaftlich sei das Projekt nicht, betont der Alt-OB. Das sieht auch Architekt Theilig so. „Ein normaler Investor hätte das nicht angepackt.“ In Ruit werde für Mietwohnungen ein Quadratmeterpreis von bis zu elf Euro verlangt, rechnet der Stiftungschef vor. „Damit würden wir Null auf Null rauskommen.“ Vorgesehen sei jedoch für die Pflegekräfte eine Kaltmiete von 7,50 Euro. Die Folge: Die Stiftung muss das Projekt mit 80 000 bis 90 000 Euro pro Jahr subventionieren. Geplant sind 14 Wohnungen mit einer Fläche zwischen 60 und 80 Quadratmetern. Ansprechen will man damit Einzelpersonen, Familien, aber auch Wohngemeinschaften. Im Erdgeschoss des größeren Gebäudeteils soll ein Cafe entstehen. Auch damit trage man dazu bei, die Aufenthaltsqualität im Ruiter Ortskern zu verbessern.

Architekt Theilig sprach von einer „herausfordernden Aufgabe“. Es sei „wie ein Knobelspiel“ gewesen, „ein Haus so auf den Platz zu stellen, dass niemand darunter leidet“ und trotzdem eine ansprechende Architektur entstehe. Zur Höhe des Objekts gab der Planer zu bedenken, dass man sich damit auf dem gleichen Niveau bewege wie das gegenüberliegende Einkaufszentrum und das Samariterstift. „Wir mussten mehrfach an dem Würfel schnitzen“, sagte Theilig zu den mehrmaligen Veränderungen des Baukörpers. In manchen Bereichen hat das Gebäude schräge Mauern.

Im September wolle man mit dem Bau beginnen, erklärte Stiftungschef Rösch. Geplante Fertigstellung ist im Frühjahr 2020.