Abwechslung im Heim-Alltag: Ruth Konzmann erhält Besuch von Karola Leder. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Das Seniorenzentrum Sonnenhalde in Leinfelden-Echterdingen ist auf den Hund gekommen – auf den Therapiebegleithund, genauer gesagt. Die EZ hat den Vierbeiner bei seinem Heim-Besuch begleitet.

Leinfelden-EchterdingenIn sich zusammengesunken sitzt Ruth Konzmann im Rollstuhl. Die 96-Jährige starrt mit abwesendem Blick aus dem Fenster. Bis ein sandbrauner Hund behutsam seinen Kopf auf ihren Schoß legt und vorsichtig ihre magere Hand leckt. Plötzlich strahlen die Augen der alten Frau. „Da freue ich mich aber, dass ihr gekommen seid!“, ruft sie. „Ihr“: Das sind Karola Leder und ihr Golden Retriever Lucky. Jeden zweiten Samstag besucht die Heilpraktikerin und Psychotherapeutin ehrenamtlich mit ihrem Therapiebegleithund pflegebedürftige Bewohner im Seniorenzentrum Sonnenhalde der Arbeiterwohlfahrt in Leinfelden-Echterdingen.

Dort werden den Bewohnern verschiedene Therapieangebote gemacht: neben Gymnastik, Kunst und Musik auch die tiergestützte Arbeit. „In der Interaktion Therapeut, Hund, Patient bildet der Hund die Brücke zur Kommunikation, weil sich der Patient dem Tier gegenüber leichter öffnet“, erklärt Leder. Denn der Hund gibt Nähe, Wärme und unbedingte Anerkennung. „Er bewertet nicht“, erläutert Leder, „sondern nimmt jeden Menschen so an, wie er ist – mit all seinen Stärken und Schwächen“. Wenn ein Mensch traurig, verängstigt oder gestresst sei, spüre der Hund das und spende Trost.

Doch der Hund spricht die Heimbewohner nicht nur auf der Gefühlsebene an, sondern trainiert auch die Motorik. Beim Versteckspiel etwa platziert Seniorin Konzmann Hundekuchen für Lucky in kleinen Mulden in einem Holzbrett – keine leichte Aufgabe für die alten Finger. Mit Würfel- und Ballspielen sorgt Therapeutin Leder dafür, dass Sensorik und Gedächtnis ihrer Patienten in Übung bleiben.

Die tiergestützte Therapiearbeit hat Leder vor vier Jahren in der Hundeschule Baden-Württemberg in Leinfelden-Echterdingen kennen gelernt. Dort hat sie sich gemeinsam mit Lucky zu einem Therapiebegleithunde-Team ausbilden lassen. Bei Hundetrainerin Monika Lanaridis-Weiss und ihren beiden Assistentinnen Marianna Lanaridis und Heike Schober steht das Verständnis für den Hund an erster Stelle. Am Anfang geht es darum, die Körpersprache der Tiere richtig zu lesen: Wenn Hunde die Ohren anlegen, passen sie auf, wenn sie zusammengerollt am Boden liegen, sind sie entspannt und wenn sie den Schwanz einziehen, haben sie Angst. Im Austausch mit dem Vierbeiner setzt Lanaridis-Weiss auf nonverbale Kommunikation: Allein auf ein Handzeichen hin kommen die Hunde zu ihren Frauchen, machen Platz oder geben Pfötchen. Das Besondere: Bei Lanaridis-Weiss erhalten die Hunde eine „einfühlsame und konsequente Erziehung“. Gehorsam wird belohnt, Fehlverhalten aber nicht bestraft.

„Ich erziehe weniger den Hund“, räumt Lanaridis-Weiss ein. „Sondern hauptsächlich den Menschen.“ Denn der müsse sich einlassen auf eine Partnerschaft mit seinem Hund, die auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen basiere. Ganz anders als beim althergebrachten hierarchischen Verhältnis, das sich auf Zwang und Unterwerfung stützt.

Theorie und Praxis unterrichtet Lanaridis-Weiss in 30 Trainingstagen mit insgesamt 70 Unterrichtsstunden. Die Ausbildung startet jedes Jahr im Januar und September, dauert insgesamt zehn Monate und kostet mitsamt Prüfungsgebühr knapp 3000 Euro. In den kleinen Gruppen mit höchstens acht Teilnehmern finden sich Kindergärtner, Lehrer, Sozialarbeiter, Pfleger und Therapeuten zusammen, die ihre Hunde am Arbeitsplatz einsetzen. Aber auch Ehrenamtliche zählen zu den Kunden.

Vor jedem Kurs lädt Lanaridis-Weiss zu einem kostenlosen Informationsgespräch ein. Das nächste findet am 13. April im AWO Seniorenzentrum Sonnenhalde statt. Dann wird die Eignung der Tiere zum Therapiebegleithund eingeschätzt. Mindestens 16 Wochen müssen sie alt sein, gesund und geimpft. Ein Grundgehorsam wird erwartet. Am wichtigsten ist aber der Charakter: Therapiebegleithunde sollten ruhig und ausgeglichen sein, stressresistent und gelassen, neugierig und kontaktfreudig.

Rüde Lucky erfüllt all diese Voraussetzungen. Noch vor seiner Ausbildung lief er auf eine Rollstuhlfahrerin zu und legte ihr seinen Kopf auf den Schoss. „Gell, das ist ein Therapiehund?“, vermutete die Frau. „Noch nicht“, antwortete Leder und nahm den Vorfall zum Anlass, ihren Hund zu schulen. Heute kuschelt Lucky mit Heimbewohnerin Konzmann. „Kommt bald wieder!“, verabschiedet die Seniorin ihre Besucher. Lange wird sie nicht warten müssen, in zwei Wochen ist es wieder soweit.