„Spielkarten sind der Ausdruck der menschlichen Sehnsucht nach Glück“, sagt Annette Kröger, Leiterin des Spielkartenmuseums. In der neuen Schau sind ab morgen Karten mit religiösen Motiven zu sehen. Foto: urh Quelle: Unbekannt

Von Ulrike Rapp-Hirrlinger

Religiöses auf Spielkarten zeigt das Deutsche Spielkartenmuseum Leinfelden-Echterdingen ab morgen im Stadtmuseum in Echterdingen. Der Titel „Gebetbuch des Teufels oder himmlischer Zeitvertreib“ zeigt das Spannungsfeld, in dem die Ausstellungsmacher das Thema darstellen. Bis heute werde das Kartenspiel von den einen mit der Freude am Spiel von anderen mit der Gefahr des Verlusts der Kontrolle in Verbindung gebracht, sagt Annette Kröger, die Leiterin des Spielkartenmuseums.

Anlass für die Ausstellung ist das Reformationsjubiläum. Und so nehmen Motive, die im Zusammenhang mit Martin Luther stehen, breiten Raum ein. Luthers Familie, seine Freunde und Zeitgenossen, aber auch Gegner sind auf Kartenspielen zu sehen. Der Reformator wird einerseits als Held, andererseits als Kreatur der bösen Machenschaften dargestellt. Doch der Bogen wird weit über Luther hinaus gezogen. Eine „gewaltige Bandbreite“ religiöser Themen und Motive habe das Museum aus seiner Schatzkiste geholt, lobte Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Roland Klenk.

Der Papst als Karikatur

In vielfältiger Weise spiegelt sich christliche Symbolik in den Abbildungen wider. Als Titelbild hat das Ausstellungsteam einen Franziskanermönch gewählt, der verzweifelt auf ein Kartenspiel in seiner Hand blickt. Bezeichnender Titel: „der Verspieler“. „Die Karten sind Ausdruck der menschlichen Sehnsucht nach Glück. Man kann sich Glück erspielen oder es auch verlieren“, erläutert Kröger. Die promovierte Kunsthistorikerin weist auch auf christliche Symbole hin, die sich auf Tarot-Karten wiederfinden: der Turm als Symbol des Turmbaus zu Babel oder der Teufel ebenso wie das Jüngste Gericht oder „Frau Welt“, die von den vier Evangelisten eingerahmt wird. Oft müssen die religiösen Inhalte vom Betrachter erst entschlüsselt werden.

Ganz eindeutig in der christlichen Tradition stehen religiös erbauliche Motive wie Mönch oder Nonne, Kirchengebäude, Abbildungen von Jesus oder Paulus. Auch satirische Abbildungen etwa in Form von Papst-Karikaturen sind ausgestellt. Ganz böse kommt es aus Großbritannien: „The Horrid Popish Plot“ und andere Karten aus dem 17. Jahrhundert sind offene Propaganda gegen das Papsttum in Rom. Sie zeigen Gräueltaten, wie sie aus der Sicht der Anglikaner in Rom ausgeheckt wurden. „Eine wirkliche Rarität“ nennt Kröger diese historischen Spiele, die ganze Geschichten erzählen. „Sie waren nicht zum Zocken gedacht, sondern wurden wie eine Bibel aufbewahrt und in der Familie weitergegeben“, erläutert sie.

Spielkarten können gesellschaftliche und religiöse Diskussionen widerspiegeln. Sie dienen der Propaganda, aber auch der Aufklärung und Bildung. Den didaktischen Wert der Karten hat der Franziskanermönch Thomas Murner (1475 - 1537) entdeckt. Er entwickelte Lehrspiele für seine Studenten und legte damit die Grundlage für die zeitgenössischen Quartett-Spiele.

Auch Kartenspiele aus anderen Religionen sind zu sehen. Runde Spielkarten zeigen indische Gottheiten. Die tibetischen Karten aus dem 19. Jahrhundert sind nicht aus Papier, sondern aus Stoff gefertigt. Kröger vermutet, „dass sie Grundlage für Opferrituale waren“. Ausgewählte Beispiele gibt es zudem an Spielen aus dem jüdischen und islamischen Kulturkreis. Mythologisch angehauchte Spiele, die antike Gottheiten zeigen oder pseudoreligiöse Motive wie Runen,Tantra oder ein Tyrannenquartett ergänzen diesen Bereich. Auch ein antireligiöses Kartenspiel aus der Sowjetunion fand sich im schier unerschöpflichen Fundus des Museums. Besonders prägnante Exponate wurden als vergrößerte Kopien an die Wände gehängt. Repliken von thematisch passenden Kunstwerken ergänzen die Karten.

Für Wolfgang Haug ist die Ausstellung hochaktuell: „Man muss nur an die religiösen oder kriegerischen Auseinandersetzungen der Gegenwart denken“, betont der ehrenamtliche Leiter des Stadtmuseums.

Begleitprogramm

Die Ausstellung im Stadtmuseum, Hauptstraße 79 in Echterdingen, wird morgen um 18 Uhr eröffnet und ist bis zum 28. Januar 2018 jeweils sonntags 10.30 bis 12.30 Uhr und 14.30 bis 17.30 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Öffentliche Führungen gibt es am 17.September, 1. Oktober, 19. November und am 21. Januar 2018 jeweils um 15 Uhr sowie am 25.Oktober und 4.Dezember jeweils um 18 Uhr. Pfarrer Markus Scheifele von St. Albertus Magnus in Esslingen spricht am 18.Januar 2018 um 18 Uhr über das Thema „Religion und Spielkarten“.

www.spielkartenmuseum.de