Theo Quetschlich und einige seiner gefiederten Freunde. Foto: Dietrich - Dietrich

Die Taubenzüchter der Kleintierzüchter Wernau haben zum „Tag der Brieftaube“ ihre Türen geöffnet. Leider kamen nur wenige Besucher – dabei wissen Experten wie Theo Quetschlich eine Menge zu erzählen.

WernauWir Taubenzüchter haben ein schlechtes Image“, sagt Theo Quetschlich, Zweiter Vorsitzender der Kleintierzüchter Wernau. Deshalb war er gerne beim „Tag der offenen Tür“ des Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter dabei. Es war das erste Mal in seiner über 130-jährigen Geschichte, dass der Verband am 15. April, dem „Tag der Brieftaube“, so etwas organisiert hatte. Der Blick hinter die Kulissen fand aber nur wenig Interesse, es ging also nur die Vögel betreffend „wie im Taubenschlag“ zu.

„Ich könnte stundenlang erzählen“, sagte Quetschlich. Einst waren Tauben ein Hobby des kleinen Mannes, der Taubensport kam von Belgien aus nach Deutschland. Heute bezahlen reiche Chinesen oder Taiwanesen manchmal 400 000 Euro für eine einzige Taube. „Sie nehmen sie als Hengst, die darf nie wieder fliegen.“

Eine Wissenschaft für sich

So teuer sind die Tauben von Theo Quetschlich und den anderen Züchtern bei den Wernauer Kleintierzüchtern bei weitem nicht, aber einige hundert Euro sind schon drin. Die Zucht ist eine Wissenschaft für sich. Selten sind die direkten Nachfahren guter Flieger wiederum solche, manchmal sind es dann die Enkel wieder. Mit 60 bis 90 Kilometern pro Stunde ist eine Taube unterwegs. Werden Quetschlichs Tauben zum Rückflug ausgesetzt, sind sie in der Regel schneller wieder zuhause im Schlag als er selbst. Der Sonntagsflug von Merklingen zurück war für die Tauben nur ein kleiner Saisonauftakt, da flogen sie vor der Rückkehr gegen 13 Uhr gerne noch einen Umweg oder ein paar Ehrenrunden. Langstreckenflüge führen die Tauben über mehrere Hundert Kilometer, zur Orientierung nutzen sie neben guten Augen das Magnetfeld der Erde. Gefährlich ist so ein Flug durchaus: „Wenn man wie ich 130 Tauben starten lässt, bleiben oft zwei oder drei weg. Manche kommen auch einen oder zwei Tage später.“ Raubvögel sorgen genauso für Verluste wie Starkstromleitungen. Manche Taube, die eine glitzernde Straße mit Wasser verwechselt, wird dort überfahren.Es kommt auch vor, dass sich eine Taube verirrt. Theo Quetschlich hat gerade einen Gast, der eigentlich nach Mannheim gehört. Auf der Beringung ist mindestens eine Telefonnummer angebracht, so ließ sich das Tier zuordnen. Fremde Tauben erkennt er sofort an ihrem Verhalten. So wissen die eigenen Tauben, dass die lokale Katze so gut und streng erzogen ist, dass sie von dieser nichts zu befürchten haben. Fremde Tauben wissen das nicht.

Tauben scheinen die Ordnung zu lieben: Das erste Ei wird regelmäßig um 7 Uhr gelegt, das zweite mittags um 14 Uhr. Gebrütet wird im Schichtbetrieb, allerdings bei etwas ungleicher Verteilung, das Weibchen von 17 bis 10 Uhr und das Männchen von 10 bis 17 Uhr. Damit die Tauben sich ausruhen und ihren Energieüberschuss für den Flug bewahren, werden vor einem Wettbewerbsflug Männchen und Weibchen unter der Woche getrennt gehalten.

Seit 1978 ist Quetschlich Taubenzüchter. Dass seine beiden Opas Tauben hatten, erfuhr er erst, nachdem er mit dem Hobby begonnen hatte. „Das liegt in den Genen.“ Und ist mit viel Arbeit verbunden. „Ich bin ein Vielputzer.“ Antibiotika will der Züchter vermeiden. Falls eine Krankheit eine Desinfektion der Schläge erfordert, heißt das eine ganze Woche Extraarbeit. Die Taubenschläge sind alle Marke Eigenbau, der Zuchtschlag hat einen technischen Kniff: Auf Knopfdruck fahren Förderbänder den Kot weg.

Davon gibt es viel, denn der Stoffwechsel der Taube hat etwa das 40-fache Tempo des Menschen. Eine Taube, die vollgefressen mit 500 Gramm auf einen Langstreckenflug startet, kann am Ziel mit nur noch 350 Gramm ankommen: Erst verbraucht sie Eiweiß, dann Kohlehydrate, dann Fettvorräte.

Im Zuchtschlag sitzt ein Taubensenior, Jahrgang 2003, er bekommt vom Züchter ein paar extra Streicheleinheiten. Dann geht Quetschlich zu den Displays: Im einen Schlag sind schon 62, im andern 17 Tauben vom ersten Trainingsflug des Jahres zurückgekehrt. Bei manchen fehlen Angaben, also stimmt etwas mit der Elektronik nicht. Doch auch die alte Technik hatte ihre Tücken, als die Ankunft noch nicht mit einem Sender, sondern mit einer mechanischen Stempeluhr erfasst wurde. „Da konnte es passieren, dass der Papierstreifen riss. Deshalb waren in manchen Uhren zur Sicherheit zwei Streifen drin.“