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Tag der Seelischen Gesundheit im Union Theater Plochingen – Offenheit gegenüber Patienten und ihren Bedürfnissen

PlochingenBundesweit organisiert das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit seit Jahren rund um den Internationalen Tag der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober vielfältige Veranstaltungen, die dazu beitragen sollen, über psychische Krankheiten aufzuklären. So war es auch bei der Veranstaltung am Mittwochabend im Union Theater Plochingen, zu der die Brücke, der sozialpsychiatrische Dienst Plochingen unter dem Dach des Kreisdiakonieverbands Esslingen, eingeladen hatte. Die Aktion Mensch förderte die Veranstaltung, die sich aus dem auf einer wahren Geschichte basierenden Kinofilm „Eleanor und Colette“ sowie einer Podiumsdiskussion zum Thema Mitbestimmung von Patienten bei der Behandlung und Medikation zusammensetzte.

Wegweisendes Urteil

Der Film handelt vom Fall Eleanor Riese (Helena Bonham Carter), die unter einer chronischen paranoiden Schizophrenie leidet. 1985 weist sie sich freiwillig mit akuten Symptomen in eine Psychiatrische Klinik in San Francisco ein. Als sie sich weigert, verschiedene Substanzen einzunehmen, wird sie gegen ihren Willen mit Medikamenten ruhiggestellt. Riese verlangt bei der Patientenrechtshilfe einen Anwalt. Diesen Part übernimmt Colette Hughes (Hilary Swank). Das Gesetz sieht es zu diesem Zeitpunkt weder vor, dass Psychiatrie-Patienten das Recht haben, über ihre Medikationen informiert zu werden, noch dass deren Zustimmung zu einer Verabreichung notwendig ist. Patientenrechtsanwältin Colette Hughes, die jahrelang als Krankenschwester arbeitete, und ihr Kollege, der Verfassungsrechtsanwalt Morton Cohen (Jeffrey Tambor) ziehen vor Gericht und setzen sich am Beispiel von Eleanor Riese für ein Mitspracherecht bei der Medikation von Patienten in psychiatrischer Behandlung ein. Sie scheitern in erster Instanz, gewinnen aber vor dem kalifornischen Supreme Court. Das Riese-Urteil wird 1987 ein für die Vereinigten Staaten wegweisendes Urteil zum Umgang mit psychisch erkrankten Patienten. Seitdem garantiert es hunderttausenden Betroffenen Selbstbestimmung bei Fragen der Medikation.

Um jene Mitbestimmung ging es auch in der anschließenden Gesprächsrunde. Am runden Tisch Platz genommen hatten Cornelia Matscheko (Betroffene), Ursula Schur (Leitung der Angehörigengruppe Psychisch Erkrankter Menschen in Plochingen), Klaus Eigenberger (Arzt der Psychiatrischen Institutsambulanz in Plochingen) sowie Barbara Groß (Ärztin am Gesundheitsamt Esslingen). Moderiert wurde die Runde von Anja Kirschner, Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialpsychiatrie des Kreisdiakonieverbands im Landkreis Esslingen. Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands Esslingen, betonte, dass nach wie vor über Themen wie die psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft zu oft geschwiegen werde. Eine, die darüber spricht, ist Cornelia Matscheko: „Heute bin ich gesund, ich kann aber morgen auch schon wieder krank sein“, sagte Matscheko, die, wie sie es selbst beschreibt, „Depressionserfahrung“ hat. „Psychische Erkrankungen bedeuten eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft“, sagt Ursula Schur. Ein offener Umgang mit den Betroffenen sei ungemein wichtig. Die gesetzlichen Vorgaben zur Behandlung seien in Deutschland sehr streng geregelt, erläuterte Psychiater Eigenberger: „Das oberste Ziel ist es, den Menschen zu helfen, und nicht, in irgendeiner Form Macht oder Zwang auszuüben.“ Vielmehr müsse ein Bezug zu den Patienten aufgebaut und bestenfalls eine Freiwilligkeit in der Behandlung erreicht werden. Nicht immer sei das möglich. Eine Begutachtung des Patienten durch das Gesundheitsamt gebe es nur dann, wenn drei wesentliche Kriterien erfüllt seien: Es besteht eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung, es liegt eine psychische Erkrankung vor, es gibt keine andere Möglichkeit mehr, die Situation zu verbessern, ergänzte Barbara Groß. Ein Instrument der Mitbestimmung, das teils noch unbekannt sei, ist die Behandlungsvereinbarung, erklärte Anja Kirschner.

Präventives Handeln ist wichtig

In Zusammenarbeit mit Vertrauenspersonen und Fachleuten halte der Patient in einer gesunden Phase schriftlich fest, welche Maßnahmen er im Falle der Krise wünsche. „Da kann es um die Dosierung der Medikamente gehen, um den Hinweis auf Unverträglichkeiten, wer soll benachrichtigt werden und so weiter.“ Ein präventives Handeln sei wichtig. „Man muss als Betroffener selbst etwas dazutun, denn wer, wenn nicht wir kann dazu beitragen, die öffentlichen Stigmata zu brechen? Zu viele reden nicht offen über ihre Erkrankung“, sagte Cornelia Matscheko.

Der Kreisdiakonieverband im Landkreis Esslingen hilft mit etwa 30 Beratungsstellen, Diensten sowie Diakonie- und Tafelläden Menschen in schwierigen Lebensumständen. Die Brücke in Plochingen als sozialpsychiatrischer Dienst ist Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Dazu zählen zudem Altbach, Baltmannsweiler, Deizisau, Denkendorf, Hochdorf, Köngen, Lichtenwald, Reichenbach und Wernau. Insgesamt gibt es fünf Einzugsgebiete im Landkreis.
Weitere Informationen: www.kdv-es.de