Die Supermärkte planen genauer, für die Diakonie- und Tafelläden wie hier in Nellingen fällt weniger ab. Foto: Dietrich - Dietrich

Die Nachfrage übersteigt das Angebot, weil die Supermärkte genauer planen und weniger Ware den Tafelläden überlassen. Ein weiteres Problem ist der Mitarbeiternachwuchs.

Kreis EsslingenDie Tafelläden im Kreis Esslingen erhalten zu wenig Waren, um die Nachfrage von bedürftigen Menschen zu bedienen. Der Hauptgrund: Die Spenden von Supermärkten gehen zurück, weil diese genauer planen und weniger abgelaufene Lebensmittel übrig haben. Die zusätzliche Nachfrage durch Flüchtlinge registrierten die Tafelläden im Kreis Esslingen zwar auch, zu heiklen Situationen in den Läden hat dies aber nicht geführt. In Essen hatte ein Tafelladen vor einigen Monaten Aufsehen erregt, weil er keine Waren mehr an Asylbewerber ausgab, um deutsche Bedürftige bedienen zu können. Die Debatte um den Essener Kurs war Anlass für die SPD-Kreistagsfraktion, die Vertreter der Tafel- und Diakonieläden aus dem Landkreis Esslingen in den Wendlinger Treffpunkt Stadtmitte einzuladen. Neben dem Warennachschub ist die zweite große Sorge die Rekrutierung von ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Aus Scham keine Grundsicherung

Im Jahr 2015 sei die Zahl der Kundenbesuche in den DRK-Tafelläden auf 15 000 angestiegen, berichtete Rolf Siebert, der Kreisvorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes. 2016 seien es noch 12 000 gewesen, nun habe sich die Zahl bei 10 000 eingependelt. Die regelmäßigen Kunden beziffert er mit 560. Etwa 60 Prozent der Kundschaft der Tafelläden hat einen Migrationshintergrund, darunter sind viele alleinerziehende Frauen. Neben Langzeitarbeitslosen oder Menschen, die aufgrund psychischer Krankheiten keine Arbeit finden, kommen immer häufiger ältere Frauen in den Laden, berichtet Tanja Herbrik vom Kreisdiakonieverband. Sie schämten sich, aufs Amt zu gehen und Grundsicherung zu beantragen. Diesen Eindruck bestätigt Katrin Öhler von der Esslinger Caritas: „Die trinken am Monatsende lieber nur noch Tee und essen Zwieback, bevor sie dem Sozialstaat zur Last fallen.“

Ehrenamtlich im Tafelladen zu arbeiten, ist kein Zuckerschlecken. Wer an der Kasse steht, muss hinstehen können und öfter mal einem Kunden erklären, warum er nicht mehr bekommt. Die von den Supermärkten aussortierten Obst und Gemüsekisten nochmals zu sortieren, macht auch nicht nur Freude. Und mit dem Kühl-Lastwagen für Nachschub zu sorgen, ist körperlich anstrengend, also kein Job für ältere Menschen. „Wir brauchen mehr junge Leute und zuverlässige Bufdis“ (also Personen, die einen Bundesfreiwilligendienst ableisten), sagt Herbrik.

In den Läden arbeiten auch einige Langzeitarbeitslose. Davon abgesehen, dass es eine Kunst ist, ein Team aus Langzeitarbeitslosen, Flüchtlingen und gut situierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu steuern, läuft die Zuweisung von Langzeitarbeitslosen nicht optimal. „Wir bräuchten ein festes Kontingent für ein oder zwei Jahre“, meint Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands. Der Idee des Landtagsabgeordneten Andreas Kenner, ein freiwilliges Pflichtjahr einzuführen, stimmt die ganze Runde zu. Und begeistert sind sie von der Stadt Filderstadt, die ihre Auszubildenden verpflichtet, sich jede Woche zwei Stunden in einer sozialen Einrichtung zu engagieren.

„Wir müssen professioneller werden“

Ein festes Helferteam mit jungen Leuten könnte auch helfen, das Problem Warenangebot zu verbessern. „Wir müssen professioneller werden“, sagt Katrin Oeler. Wenn ein Angebot reinkomme, müsse man schnell reagieren und die Ware verlässlich abholen. Ab und zu werden dem Bundesverband der 940 Tafelläden größere Posten angeboten, die dann über die Regio-Tafel gleichmäßig verteilt werden. Die Nachschubfrage wird sich vermutlich noch verschärfen, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum fällt. Abgelaufene, aber nicht verdorbene Ware ist ein Standbein der Tafelläden. Trockenprodukte fehlen schon jetzt in den Regalen. Deshalb sind die Tafeln froh, wenn Märkte Aktionen starten wie „zwei kaufen, eins abgeben“. Oder wenn Kirchengemeinden Kisten aufstellen, in die Kirchgänger ein Päckchen Haferflocken oder Nudeln hineinlegen.

Die SPD-Riege zeigte sich sichtlich beeindruckt von den Schilderungen der Tafelläden. Man werde sich dafür einsetzen, dass es einen regelmäßigen Zuschuss vom Landkreis gebe. Denn ein großer Ausgabeposten sind die Müllgebühren, die an den kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetrieb gehen. Zu jedem Tafelladen gehört nämlich eine Batterie Biotonnen für die aussortierte Frischware.

Ihre Wünsche an die Politik konnten die Vertreter der Diakonie- und Tafelläden an diesem Abend äußern, aber ihrer großen Vision sind sie kaum näher gekommen. Denn die heißt: Tafelläden müssten in unserer Gesellschaft überflüssig sein. Oder wie Brigitte Chyle von der Caritas Fils-Neckar-Alb sagte: „Der Grundskandal ist, dass Menschen arbeiten und dennoch in Armut leben.“