Christian Ebert und Roboter Bo laden zum Lernen ein: Mit dem Finger den gelben Pinselstrich nachzeichnen, das hilft, sich das Wort einzuprägen. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Der Sprachwissenschaftler Christian Ebert aus Wernau hat eine App entwickelt, die mit Gesten arbeitet. Ein Weg mehr ins Gehirn.

WernauSchüler hassen es, Vokabeln zu lernen. Aber junge Leute lieben Smartphone und Tablet. Diese Tatsachen hat der Sprachforscher Christian Ebert mit wissenschaftlichen Erkenntnissen kombiniert und eine Lern-App entwickelt, die Spaß macht und die hilft, die neuen Wörter systematisch ins Gedächtnis einzubauen. Die wichtigste neue Eigenschaft der App: Der Lernvorgang wird mit Gesten verknüpft. Das Gehirn erhält also durch die Fingerbewegung einen zusätzlichen Input, der hilft, das Wort zu verankern. Starthilfe erhielt Ebert für seine Firma Cabuu von der Universität Tübingen, wo er als Lehrkraft beschäftigt war.

„To fly – fliegen“ soll gelernt werden. Auf dem Bildschirm flattern drei Vögel auf ein Robotermännchen zu – daneben taucht ein senkrechter Pinselstrich auf. Den soll der Lernende nachzeichnen: Der Wisch zum oberen Bildrand als Symbol fürs Abheben. „Hören – to hear?“ Der Schüler zeichnet eine Ohrmuschel neben Bo, der Roboterfigur, nach. Für circa 3000 Vokabeln hat Designerin Lea Schumm Grafiken entworfen, zum Teil wird einfach der Anfangsbuchstabe des neuen Wortes nachgefahren. Welchen Vorgang das Nachzeichnen im Gehirn genau auslöst, das ist unklar. Das versucht die Universität Frankfurt gerade zu erforschen.

Aus der Gestenforschung war schon länger bekannt, dass Vokabeln besser hängen bleiben, wenn man eine passende Bewegung dazu macht. Manche Menschen nutzen das intuitiv und zeichnen eine Figur in die Luft. Superschade, dass man das nicht gezielt im Alltagsbereich einsetzt, dachte sich Sprachwissenschaftler Ebert.

In einem Seminar zum gestischen Lernen an der Universität Tübingen untersuchten seine Studenten, ob der positive Effekt auch bei einer Bewegung auf einem Bildschirm erhalten bleibt. Es funktionierte.

Nun musste das Lernprogramm noch in eine App gepackt werden. Christopher Dilley, Student der Computerlinguistik und freischaffender Programmierer, baute für Ebert den ersten Prototypen. Für die hübsche und humorvolle Optik ersann die Designerin den Lernroboter Bo, der durch die Lerneinheiten führt. Im April 2017 gründete das Trio Ebert, Dilley und Schumm die Cabuu GmbH – den Namen Cabuu haben sie aus dem Wort Vocabulary herausgeschnitten. Ein Stipendium, das die Universität beim Bund beantragte, half bei der Unternehmensgründung. Zudem hilft ein zinsloses Darlehen der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg über die ersten Jahre hinweg. Seit Februar steht die App zum Download im Apple-Store und bei Google-Play bereit. Für das Jahresabo verlangt Cabuu 48 Euro. Eine Testversion ist kostenlos.

Am Erfolg der Lern-App zweifelt Ebert nicht: Auf der Bildungsmesse Didacta waren Englischlehrer begeistert und manche Schüler kaum mehr vom Tablet wegzubringen, erzählt der Firmenchef, der inzwischen den Job an der Uni gekündigt hat und Cabuu in seinem Haus in Wernau managt.

Neben der Gestik hat die App weitere Vorzüge, etwa das Erstellen einer eigenen Vokabelliste. Ebert schlägt ein Englischbuch auf und fotografiert mit dem Tablet eine Seite ab. 25 Wörter erfasst der Scanner. Er gleicht sie mit seinem internen Wörterbuch ab und stellt eine Liste Deutsch-Englisch auf. Fehler, die eventuell beim Scannen entstanden sind, werden dadurch vermieden. Dieses Verfahren hat Ebert als Patent angemeldet. Der Schüler kann angeben, bis wann er die 25 Wörter beherrschen muss. Auf dieser Basis wird ein Lernprogramm erstellt. Dann fordert Roboter Bo auf: „Los geht’s!“

„To walk – gehen“. Bo läuft über den Bildschirm, der Schüler zeichnet drei kleine Wellen nach. Dann kommt das nächste Wort. Bei der ersten Wiederholung sind die Buchstaben oder Silben in der richtigen Reihenfolge zu setzen. So wird die richtige Schreibweise trainiert. Je nach Erfolgsquote setzt die App die nächsten Wiederholungen auf den Plan. „Das ist für Kinder motivierender, als den Karteikasten zu pflegen“, meint Ebert. Außerdem registriert das Programm den individuellen Fortschritt und setzt die Lerneinheiten zeitlich fest. Der Sprachforscher sagt: „Der ideale Zeitpunkt zum Wiederholen ist kurz, bevor man es vergisst“.

Noch dieses Jahr will Cabuu eine Version für Französisch herausbringen, auch für Latein und Spanisch gebe es schon Anfragen. Interesse hat auch schon eine Firma gezeigt, die ihren Mitarbeitern Fachvokabular vermitteln möchte. Ebert kann sich vorstellen, dass die Fingerbewegung entlang der Darstellung eines technischen Gegenstandes vollzogen wird.

www.cabuu.app