Weil das Krankenhaus mittags geschlossen hat, muss die Klein NeFinger Feuerwehr Erste Hilfe leisten. Foto: Osswald - Osswald

Klein NeFingen ist die kleinste Stadt im Kreis Esslingen – eine Woche lang. Die Zehntscheuer Deizisau und das Wernauer Jugendhaus Kiwi haben wieder ihre Kinderspielstadt eröffnet.

Deizisau/WernauJedes Jahr bekommt der Landkreis für eine Woche Zuwachs bei der Zahl seiner Kommunen. Die Stadt „Klein NeFingen“ wird dann Teil von Deizisau und Wernau. Die Einwohnerinnen und Einwohner sind Kinder. Sie regieren die Stadt, arbeiten dort, wählen Bürgermeister und Minister. Die Kinderspielstadt erwacht unter dem Dach des Kreisjugendrings, der Zehntscheuer Deizisau und der Hilfe zahlreicher lokaler Vereine zum neunten Mal zum Leben.

In Klein NeFingen gibt es alles, was es in einer „richtigen“ Stadt auch gibt: Post, Rathaus, Zeitung, Café, Feuerwehr. Bastelwerkstätten und ein Spieleparadies dürfen auch nicht fehlen. Das Leben ist in Klein NeFingen wie in der übrigen Republik nicht gerade billig. Zehn „NeFis“ kostet der Eintritt ins Spieleparadies, zwölf ein Crêpe – ärgerlich, wie die Bewohner finden, denn früher hat er nur zehn NeFis gekostet. Um das alles bezahlen zu können, müssen die jungen Bürger arbeiten und Geld verdienen. Was sie machen wollen, bleibt ihnen überlassen. Kekse backen, Perlenketten basteln oder Stadtführungen geben: Die Kinder dürfen es sich selbst aussuchen. Manche melden sich einen Tag lang arbeitslos, bloß um am nächsten Tag ihren Traumjob rechtzeitig beim Arbeitsamt zu reservieren, verrät Holger Kaufhold, Leiter des Wernauer Jugendhauses Kiwi und einer der Spielleiter des Projekts.

Für Kaufhold ist die Spielstadt nicht bloß ein Ferien-Camp für Kinder. Es ist ein Staat im Staate, eine Miniatur-Ausgabe eines demokratischen Systems, das von Beteiligung, Kompromiss und Konsens lebt. „Es ist ihre Stadt, die Kinder entscheiden“, betont er. Was den Sozialpädagogen noch viel mehr freut: „Die Kinder lernen ganz viel, ohne dass sie es merken.“ Der Spaß steht immer im Vordergrund. Für manche hatt sich die Woche bereits zum heimlichen Höhepunkt der Sommerferien gemausert. „Wir kennen Familien, die ihren Urlaub nach dem Datum der Projektwoche richten“, erzählt Heike Banzhaf-Frasch, ebenfalls Spielleiterin und Leiterin der Zehntscheuer.

Auch wenn es beim Mottotag rund um das Thema Mittelalter nicht danach aussah, geht auch Klein NeFingen mit dem Zeitgeist. Neben dem großen Sportplatz, der sonst dem TSV Deizisau gehört, lädt ein „Escape Room“ (deutsch: Fluchtraum) Rätselfreudige ein. Bei interaktiven Spielen geht es darum, in kurzer Zeit durch Geschick und Grips Denkaufgaben zu lösen, um das Geheimnis eines Raumes zu knacken. Das kreative Potenzial Klein NeFingens könnte in Zukunft auch anderswo ausgelebt werden: Wäre mehr Platz vorhanden, könnte die Stadt um ein oder mehrere Start-up-Unternehmen bereichert werden. Dafür gebe es momentan jedoch keine Kapazitäten, sagt Heike Banzhaf-Frasch.

Der Zensus hat ergeben, dass die Stadt 200 Bewohner hat. Das ist das Maximum, das Klein NeFingen vertragen kann. „Wir hatten dieses Jahr eine Warteliste, die wir leider nicht bedienen konnten“, bedauert Banzhaf-Frasch. Die Talentshow „The Voice of Klein NeFingen“ gibt es nicht mehr – wegen zu vielen Zankereien ums Gewinnen und Verlieren. Stattdessen: „Die ultimative Klein NeFingen-Show“. Was sich hinter diesem Superlativ verbirgt, wird sich am Donnerstag zeigen. Gewinner und Verlierer wird es jedenfalls nicht geben.

Events sind in der jungen Stadt keine Seltenheit. Bürgermeister Paul ist der Initiator von „NeFi-Warrior“, einem Parcours-Wettbewerb auf dem Klein NeFinger Sportplatz. Damit begründet er auch seinen Wahlerfolg: „Ich fand das cool. Und bei den Leuten kam es gut an.“ Die Stadt wird zwar vom Deizisauer und Wernauer Nachwuchs geleitet, im Notfall sind die Spielleiter und das DRK aber vor Ort. Eine Polizei gibt es in Klein NeFingen nicht. Ein Gefängnis schon gar nicht – auf die Frage danach schüttelt Sebastian energisch mit dem Kopf. „Das brauchen wir doch gar nicht. Hier gibt es nicht wirklich Kriminalität“, erzählt der 13-jährige. Im Falle eines Falles wird die Spielstadt auch zum Sozialstaat – wer keine Arbeit, aber Hunger hat, kann im Rathaus Essensgutscheine abholen.