Schwungvoll und mit viel Spaß starten Vertreter der Landwirte und der Stadt in die Krauternte. Foto: Osswald - Osswald

Auf den Fildern hat die Krauternte begonnen. Die Bauern beklagen Einbußen wegen der Trockenheit und der Hitze im Sommer.

Leinfelden-EchteringenStechende Sonne, endlose Felder, duftende Häuble: Auf den Fildern dreht sich in den nächsten Wochen alles um das begehrte Kraut. Beim diesjährigen „Krautstart“ in Leinfelden-Echterdingen haben am Donnerstag läuteten Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell und zahlreiche Vereinsvertreter den Beginn der Ernte-Saison der regionalen Delikatesse ein. Der Krautstart ist traditionell der Vorgeschmack auf das Ende Oktober stattfindende Krautfest, das als größte Krauthocketse Deutschlands gilt.

Vom Hof des Unteraichener Landwirt Richard Vohl ging es mit dem Traktor auf die Felder zu den Spitzkrautköpfen. „Raus aus dem Jackett und ab aufs Feld“, sagte Bürgermeister Kalbfell, für den es der erste Erntestart der Filderspezialität war. Satt sahen sie aus, die Äcker voller Spitzkraut, das nur noch von etwa einem halben Dutzend Landwirten angebaut wird. Das hat seine Gründe: Da das Filderkraut kein Katalogprodukt ist, dessen Saatgut man einfach bestellen kann, ist der Anbau aufwendiger als der von normalem Kraut. Die Samen für das Spitzkraut müssen eigenhändig vermehrt werden.

Der Anbau ist auch deshalb rückläufig, weil das normale Weißkraut höhere Ernteerträge verspricht, da er durch seine runde Kopfform maschinell einfacher zu verarbeiten ist. „Spitzkraut wird allmählich zur Rarität“, weiß Vollerwerbs-Landwirt Helmut Kitzele. Während sich manch anderer Bauer über reichlich Sonnenstunden freuen würde, klagen die Krautbauern über Ernteeinbußen und Wachstumsprobleme. Trockenheit und Temperaturen bis weit über 30 Grad ließen das grün-weiße Gemüse ächzen. Krautbauer Kitzele, der knapp sieben Hektar mit Kraut bewirtschaftet, erzählt: „Wir schätzen die Verluste durch Hitze und fehlenden Regen auf knapp ein Drittel der Ernte.“

Dreieinhalb Kilo schwere Köpfe

Bei einer Trockenheit wie in diesem Sommer bringe auch der besonders fruchtbare Lösslehmboden nichts, das landwirtschaftliche Markenzeichen der Region. Der besitze zwar eine sehr gute Fähigkeit, Wasser zu speichern. Doch: „Wenn nichts runterfällt, kann auch nichts runterfließen“, erklärt Kitzele. Künstlich bewässern helfe nur bedingt. Größe und Gewicht der Köpfe seien in dieses Saison deshalb „eher mau“ ausgefallen. Im Jammertal hielten sich die Landwirte jedoch nicht allzu lange auf. Die durchwachsene Ernte hielt sie nicht davon ab, ihre Traditionen zu pflegen. Unabhängig von Wind und Wetter werden die ersten Häuble vom Acker geschnitten, der Strunk mit einem speziellen Messer entfernt; später wird dann noch gehobelt und gesalzen. Zwei Versionen gibt es dieses Jahr: einen größeren, knapp dreieinhalb Kilogramm schweren Krautkopf sowie einen kleineren, etwa ein halbes Kilo wiegenden.

Traditionell findet das Filderkrautfest in Leinfelden-Echterdingen am dritten Oktoberwochenende statt. Dieses Mal, im 40. Jahr, wird das Jubiläum mit allerlei Besonderheiten gefeiert wie dem „Spitzköpflestemmen“ als Weltpremiere. Dabei treten Kinder, die sich dem Gewicht der Krautköpfe gewachsen fühlen, gegeneinander an. Zudem treten zahlreiche Live-Bands auf, es gibt eine Sonderbriefmarke mit Spitzkopf und einen verkaufsoffenen Sonntag.

Das Filderspitzkraut ist weit über die Region hinaus bekannt. Zahlreiche Autofahrer machen einen Abstecher von der Autobahn, um sich einen der großen Krautköpfe zu kaufen, oder auch mehrere. Seit Oktober 2012 darf das Gemüse unter dem Titel „geschützte geografische Angabe“ (kurz: g.g.A.) vertrieben werden. Dafür musste es bei der zuständigen EU-Behörde entsprechend registriert werden. Mit gleich noch einer Auszeichnung können sich die Filderbauern schmücken: Der Verein „Slow Food Deutschland“ hat das Spitzkraut in seine „Arche des Geschmacks“ aufgenommen.

Die Slow Food-Bewegung engagiert sich für einen bewussten Konsum von Lebensmitteln ein. Das internationale Projekt „Arche des Geschmacks“ setzt sich für den Erhalt von regionalen Lebensmitteln ein. Sollte das mit dem Spitzkraut gelingen, wären die Landwirte auf den Fildern wohl mehr als dankbar dafür.