Ursula Hudson Foto: Messe Stuttgart - Messe Stuttgart

Die „Slow-Food-Messe“ in Stuttgart zieht jährlich Tausende an. Ursula Hudson, Vorsitzende des Vereins Slow Food in Deutschland, erklärt, was die Besucher dieses Jahr erwartet.

Kreis EsslingenGutes Gewissen trotz Genuss – dass das kein Widerspruch sein muss, versucht der Verein Slow Food seit seiner Gründung vor 30 Jahren zu vermitteln. Doch erst in der jüngeren Vergangenheit kommt diese Einsicht in der breiten Öffentlichkeit an. Die „Slow-Food-Messe“ in Stuttgart zieht seit 2007 jährlich Tausende an. Ursula Hudson, Vorsitzende des Vereins Slow Food in Deutschland, erklärt, was die Besucher dieses Jahr erwartet.

Frau Hudson, beim Blick ins Programm der Messe: Welcher Punkt überrascht Sie?
Ganz toll finde ich – das gibt es aber leider nur am Donnerstag – , was sich „die kleine Schweineschule“ nennt. Da lernen nicht die Schweinchen was, sondern die Menschen über die Schweine und von den Schweinen. Lauter Schwäbisch-Hällische Ferkel und eine junge Bäuerin, die sozusagen für uns Menschen übersetzt.

Studien über die desolate deutsche Esskultur auf der einen, unzählige Kochshows und eine gut besuchte Slow-Food-Messe auf der anderen Seite: Wie passt das zusammen und wie schätzen Sie die Situation in den deutschen Küchen ein?
Das hat wahrscheinlich schon damit zu tun, dass die Lebensmittelindustrie und das Wissen sowie die Bedürfnisse der Menschen nicht unbedingt immer richtig gut zusammenwirken – deswegen gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen. Darunter eine wachsende Generation von Leuten, auch junge, die sieht, dass Lebensmittel etwas Positives sind, das man einsetzen kann, um so etwas wie Nachhaltigkeits- und Klimaziele besser zu erreichen. Das sind Leute, die sich für das interessieren, was Genuss und Verantwortung zusammenbringt. Man soll ja nicht essen, nur weil es gesund ist oder weil es gut ist für die Umwelt. Das wäre fad, zu moralisch. Genuss und Verantwortung gehören im Idealfall zusammen. Und davon kann man viel auf der Messe erleben. Hier kriegen vor allem Positives mit. Denn die, die sich für Slow Food interessieren, sind diejenigen, die die Ernährungswelt in die richtige Richtung schieben.

Welchem Foodtrend wünschen Sie den Durchbruch?
Dem Selberkochen. Will sagen: Die ganzen Trends, die da kommen, ein heißer Tipp hier, eine neue Geschichte da, interessieren meist mehr die Lebensmittelindustrie, die Waren verkaufen will. Wir von Slow Food sagen: Koch doch einfach mal selbst, dann bist du dem Ganzen nicht so ausgesetzt und eigenständiger in deinen Entscheidungen.

Eigentlich steht Slow Food ja für regionale, traditionell hergestellte Lebensmittel. Auf der Messe präsentieren sich aber Hersteller aus aller Welt. Ist es denn überhaupt ratsam, hier in Schwaben italienischen Prosciutto zu essen? Wie passt das zu Ihrer Philosophie?
Wir sind eine weltweite Bewegung und damit weltweit lokal. Wir meinen nicht, dass man ausschließlich kleinteilig aus dem ganz nahen Umfeld konsumieren muss. Da würde die Küche ja langweilig. Mit den Jahreszeiten zu kochen, ist wunderbar, vor allem wenn es um die Grundzutaten geht. Aber ich kann keine Orangen in der Menge anbauen, dass ich meine winterliche Orangenlust bedienen könnte. Ich kaufe meine Orangen von dort, wo ich die Leute kenne. Wir haben beispielsweise auch Aussteller, die Gewürze von äthiopischen Kleinbauern anbieten, von denen sie wissen, wer es macht und wie. Da macht das Sinn. Äthiopische Gewürze gibt es halt nicht aus Stuttgart. Das Entscheidende ist, dass die Menschen mitgedacht werden. Werden sie ordentlich bezahlt? Ich kaufe beispielsweise keine Tomaten, die aus spanischen wasserfressenden, menschenversklavenden Systemen kommen. Ich habe mir diesen Winter einmal Tomaten geleistet. Zu meinem Geburtstag. Das waren sizilianische Tomaten, von denen ich wusste, wo sie herkommen.

Wenn ich nur wenige Stunden Zeit oder Lust habe, um die „Slow-Food-Messe“ zu erkunden: Welche Tourempfehlungen haben Sie für mich?
Ich würde wahrscheinlich zu den Produzenten gehen, die die Markthelden machen. Das sind von uns ausgezeichnete Produkte, in denen Landschaft, Mensch, Ökologisches, Soziales und Geschmackliches besonders gut zusammenkommen. Von den Fruchtsäften bis zum Wein, von Ciderherstellern über Imkereien und Bäcker bis zum Pfeffer mit einer klaren Herkunft. Da kann man viel lernen. Es sind 16 an der Zahl. Ich glaube, das kann man gerade so in zwei Stunden schaffen.

Die Fragen stellte Greta Gramberg.

Einen Artikel zu den Frühjahrsmessen in Stuttgart lesen Sie hier.