Quelle: Unbekannt

Erste Zeichen und Zahlen am Horizont deuten auf eine Verschlechterung der Arbeitsmarktlage hin. Sind die guten Zeiten vorbei – und kommen jetzt die schlechten?

Kreis EsslingenDie Eßlinger Zeitung sprach mit Bettina Münz, der stellvertretenden Leiterin der auch für den Landkreis Esslingen zuständigen Agentur für Arbeit in Göppingen, über das Ende der guten Zeiten und die Vorbereitung auf die schlechteren auf dem Arbeitsmarkt.

Konjunkturkrise auf dem Arbeitsmarkt, viele sprechen davon und kündigen sie an – aber gibt es sie denn?
In den letzten Jahren hat sich der Arbeitsmarkt sehr positiv entwickelt, was sich auch in den Zahlen niederschlägt. Auch jetzt noch ist das Niveau insgesamt sehr gut: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Beschäftigung steigt, wenn auch nicht mehr so stark, und die Betriebe meldeten unserem Arbeitgeber-Service viele Arbeitsstellen. In den letzten Monaten ist allerdings die Zahl der offenen Stellen gesunken, nachdem sie vor Kurzem ein Rekordhoch erreicht hatte, es meldeten sich vermehrt Menschen arbeitslos, die zuvor erwerbstätig waren, und Anfragen von Betrieben, die sich über Kurzarbeitergeld informieren möchten, stiegen. Allerdings zeigen sich diese Entwicklungen nicht auf dem gesamten Arbeitsmarkt: Viele Bereiche sind nach wie vor sehr stabil, wie das Handwerk, der Handel und soziale Berufe. Entwicklungen im Maschinenbau und strukturelle Veränderungen in der Automobilbranche führten aber dazu, dass Unternehmen Stellenausschreibungen stornieren. Das werden wir in den nächsten Monaten sehr genau beobachten.

Worauf führen Sie diese Zahlen zurück?
Wir sehen zwei Faktoren, die Einfluss auf den Arbeitsmarkt nehmen. Zum einen sind dies strukturelle Entwicklungen wie die Diskussion um den Dieselmotor und die Substitution durch den Elektromotor. Rund 22 Prozent der Arbeitsplätze im Landkreis Esslingen sind in den Bereichen Automobil und Maschinenbau angesiedelt. Hier ist vieles im Wandel. Ich möchte Volkmar Denner von der Firma Bosch zitieren. Er hat einmal gesagt, dass für einen Dieselmotor zehn, für einen Ottomotor drei und für einen Elektromotor ein Mitarbeiter gebraucht werden. Der zweite Einflussfaktor sind konjunkturelle Dämpfer und Unsicherheiten durch internationale Handelsstreitigkeiten oder den Brexit.

Mit welchem Instrumentenkoffer kann die Agentur für Arbeit diesen Einbrüchen begegnen?
Die Agentur für Arbeit und die beiden Jobcenter im Bezirk haben viele Instrumente, die wir danach auswählen, was ein Mensch individuell braucht, um im Arbeitsleben zu bleiben oder wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. Allem voran steht die Qualifizierung, denn die Jobsuche wird für Ungelernte gerade bei einem enger werdenden Arbeitsmarkt sehr viel schwieriger. Unerlässlich ist, dass Arbeitnehmer die deutsche Sprache beherrschen – dies gilt sowohl für Menschen, die eine Ausbildung machen möchten, als auch Arbeitsuchende. Bei konjunkturellen, vorübergehenden Einbrüchen setzen wir auf das Kurzarbeitergeld. Dabei übernehmen wir anteilig den durch verkürzte Arbeitszeit ausgefallenen Arbeitslohn. Im Bezirk der Agentur für Arbeit Göppingen, zu dem die Landkreise Esslingen und Göppingen gehören, haben wir in den Krisenjahren 2008/2009 an bis zu 30 000 Menschen Kurzarbeitergeld ausbezahlt. Dieses Instrument hat damals viele Betriebe durch die Krise gerettet und zum Erhalt von Arbeitsplätzen in großem Umfang beitragen. Die Bundesagentur für Arbeit ist mit 23,5 Milliarden Euro an finanziellen Reserven gut für eine mögliche Krise gerüstet.

Sind Ihre Arbeitsvermittler denn bei der Fülle an Berufen in der Beratung nicht überfordert?
In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Berufen und Spezialisierungen. Hier den Überblick zu behalten, ist für unsere Beschäftigten in erster Linie eine Frage des laufend anzupassenden Wissens und der Aktualität. Wir haben deshalb unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Arbeitsvermittlung arbeiten, nach Branchen aufgeteilt. Das ermöglicht ihnen, tiefes spezifisches Fachwissen zu erwerben. Damit fahren wir ganz gut, denn es gibt etwa 18.000 Studiengänge und gut 350 Ausbildungsberufe. Auch wenn davon nur etwa 120 Ausbildungen im Bezirk relevant sind, ist das eine große Menge.

Was können Arbeitnehmer tun, um sich auf diese neuen Entwicklungen vorzubereiten?
Jeder Beschäftigte sollte lebenslang lernen und sich ständig weiterbilden. Qualifikation ist die beste Voraussetzung dafür, mit den Entwicklungen der Betriebe Schritt zu halten und für Unternehmen attraktiv zu sein. Wer weiß, dass er seinen Arbeitsplatz verliert, sollte sich so schnell wie möglich bei der Arbeitsagentur melden, damit Arbeitslosigkeit möglichst gar nicht entsteht.

Was ist bei der Wahl des Ausbildungsberufes zu beachten?
Der erste Blick bei der Berufswahl sollte nicht dadurch gelenkt sein, welche vermeintlich zukunftssicheren Berufe es gibt. Die Entscheidung für einen Beruf sollte vielmehr den individuellen Stärken, Neigungen und Interessen folgen. Beginnen junge Menschen eine Ausbildung, die nicht zu ihren Stärken passt, droht im schlimmsten Fall ein Ausbildungsabbruch. Damit ist niemandem geholfen – weder dem Jugendlichen, noch dem Ausbildungsbetrieb. Das Erlernen eines Berufs ist erste Grundlage, auf der durch Weiterbildungen und das bereits angesprochene lebenslange Lernen ständig neues Wissen aufgebaut wird.

Das Interview führte Simone Weiß.

Einen Kurzfilm über das Kurzarbeitergeld gibt es unter www.arbeitsagentur.de.