Nur mit einem Euro-Schlüssel ist diese Behinderten-Toilette an der Markthalle im Scharnhauser Park zu öffnen. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Im Stadtgebiet von Ostfildern gibt es zwar eine Vielzahl von öffentlich zugänglichen Toiletten, aber es fehlen die Hinweisschilder dazu.

OstfildernFast jeder kennt das Problem: Man ist irgendwo in einer Stadt unterwegs und bekommt plötzlich starken Harndrang. Wer sich auf bekanntem Terrain bewegt, weiß, wo er sich erleichtern kann. Schwierig wird es in einer fremden Stadt. Wo viele Touristen zu finden sind, haben die meisten Kommunen vorgesorgt – mit Flyern oder, noch besser, mit einer guten Ausschilderung. In Ostfildern sucht man eine solche vergebens – sehr zum Missfallen von Kurt Aichele. Der 83-Jährige aus Nellingen weiß mittlerweile, wo er hin muss, wenn es mal pressiert. Aber er denkt vor allem an die Ortsunkundigen. „Nirgends ist ein öffentliches WC ausgeschildert“, kritisiert er. „Eine Große Kreisstadt wie Ostfildern müsste das doch hinkriegen, ein paar Schilder aufzustellen.“

Aichele macht sich damit vor allem zum Fürsprecher von Senioren, die oftmals Probleme mit der Blase haben oder aufgrund von Medikamenten häufiger die Blase leeren müssen. „Unsere Gesellschaft wird immer älter“, sagt der 83-Jährige. „Darauf muss man doch Rücksicht nehmen.“ Speziell in Nellingen, wo er fast täglich unterwegs ist, sieht er das Problem der fehlenden Beschilderung. Erst neulich ist ihm ein Vorfall geschildert worden, als sich eine über 80-Jährige in ihrer Not nicht anders zu helfen wusste, als irgendwo zwischen Autos ihr Geschäft zu verrichten. „Das ist doch höchst peinlich“, sagt er.

Karin Eberhardt, ebenfalls aus Nellingen und seit vielen Jahren hochgradig sehbehindert, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Das wird hier allgemein beklagt.“ Ihr geht es nicht um die Zahl der öffentlichen WCs. Die kann sich in Ostfildern sicher sehen lassen. Offen zugängliche Toiletten gibt es in vielen öffentlichen Einrichtungen. In Nellingen beispielsweise im Friedhof, im Klosterhof, im Kubino, bei der Volkshochschule oder beim Treffpunkt an der Halle. „Aber das weiß halt nicht jeder“, sagt Eberhardt, die sich auch im Forum Gesellschaft inklusiv engagiert. „Außerdem sind die WCs nur während der normalen Öffnungszeiten zugänglich.“ Nach ihrer Ansicht müsste es zumindest an der Endhaltestelle der Stadtbahn in der Ludwig-Jahn-Straße eine öffentliche Toilette geben.

Beispielhaft sei das in Schorndorf geregelt, sagt Kurt Aichele. Da habe die Stadt für die Besucher einen Flyer herausgegeben, auf dem 14 „nette Toiletten“ inklusive Stadtplan aufgelistet sind. In der Regel sind das Lokale, in denen man für einen kleinen Obolus die sanitären Anlagen aufsuchen kann. Finanziell unterstützt wird die Aktion wie in gut 270 anderen Kommunen im Bundesgebiet von der Stadt Schorndorf, die wie die anderen auch durchaus einen Nutzen aus der Teilnahme an der Aktion zieht. Denn sie spart sich Investitionen für öffentliche Toiletten. In Ostfildern ist das Thema „Nette Toilette“ vor vielen Jahren mal im Gemeinderat angedacht worden. Doch konnte man sich damals nicht zum Mitmachen durchringen.

Zum Ärgernis geworden ist die fehlende Beschilderung für Otto Mezger. Der 89-jährige Nellinger ist Eigentümer des Wohn- und Geschäftshauses an der Ecke Hindenburg-/Denkendorfer Straße, in dem auch Arztpraxen untergebracht sind. Dort kommt es immer wieder vor, dass Unbefugte ins Haus kommen, um die Toilette zu benutzen. Um das zu verhindern, ließ Mezger draußen neben dem Schaufenster der Bäckerei ein Schild mit einem dicken roten Pfeil und der Aufschrift „WC in der Halle“ anbringen. Zum Unmut der Stadtverwaltung, die verfügte: Das Schild muss wieder weg. Begründung: Die WCs im Zentrum an der Halle seien zwar zugänglich, aber nur während der normalen Öffnungszeiten. Enttäuscht ist Mezger, dass die Stadt nicht auf einen anderen Vorschlag eingegangen ist: die WCs neben dem Treffpunkt an der Halle mit einem kleinen Umbau zu einer echten öffentlichen Toilette zu machen. Ohne großen Aufwand hätte man sie so abtrennen können, dass andere Bereiche des Kultur- und Bildungszentrums für Unbefugte abgeschirmt wären, sagt der 89-Jährige.

Im Rathaus will man das Problem nicht wegdiskutieren. Aber Ostfildern sei keine Touristenstadt, sagt Stadtsprecherin Andrea Wangner. Wenn es Übernachtungen gebe, seien das zu zwei Drittel oder drei Viertel Geschäftsleute. Außerdem, so Wangner, gebe es in Ostfildern nicht wie in Esslingen oder Schorndorf eine Tourist-Info, in der man eine Broschüre mit den geöffneten Toiletten auslegen könne. „Wir haben auch kein echtes Stadtzentrum.“ Wangner verweist darauf, dass es im Stadtgebiet eine Vielzahl öffentlich zugänglicher WCs gebe, etliche von ihnen seien auch barrierefrei und damit für Behinderte zugänglich. Doch gebe es keine Toilette, die rund um die Uhr offen sei, wie beispielsweise am Kleinen Markt in Esslingen. Auch deshalb verzichte man in Ostfildern auf Hinweisschilder.

Ganz untätig ist die Stadt in Sachen Aufklärung nicht. Erst vor Kurzem hat sie ein 140-seitiges Heft mit dem Titel „Leben in Ostfildern“ herausgegeben. Darin findet sich so gut wie alles, was die Stadt zu bieten hat – auch Stadtteil-Pläne mit Toiletten-Standorten. Stadtsprecherin Wangner verspricht weitere Informationen. Sie werde künftig immer wieder mal in der „Stadtrundschau“ auf die WC-Anlagen hinweisen.