Das Berufliche Ausbildungszentrum Esslingen Foto: BAZ - BAZ

Man nennt die Gruppe „Dunkelziffer“: Jugendliche, die sich mit Schule und Berufseinstieg schwer tun. Im Kreis Esslingen werden sie unterstützt, um Sozialhilfe-Karrieren zu vermeiden.

Kreis Esslingen Es gibt Jugendliche, die sich mit der Schule und dem Einstieg in den Beruf sehr schwer tun. Sie schwänzen die Schule oder haben den Kontakt zum Jobcenter abgebrochen, sie sind aus dem Elternhaus ausgerissen, sind psychisch auffällig oder suchtkrank. Um diese „benachteiligten oder schwer erreichbaren Jugendlichen“ will sich der Landkreis Esslingen, als Jugendhilfe-Instanz, gezielter kümmern als bisher.

„Wir müssen alle erreichen, um Sozialhilfe-Karrieren zu vermeiden“, sagte Landrat Heinz Eininger im Sozialausschuss. Bundesweit gibt es vielleicht auf 60 000 dieser schwer Erreichbaren zwischen 15 und 25 Jahren. Weil man es nicht genau weiß, nennt man die Gruppe „Dunkelziffer“. Kreisweit geht es wohl nur um etwa 50 Jugendliche, die man auf Kurs bringen will. Dafür scheint der Aufwand relativ hoch zu sein. 583 000 Euro werden Landkreis und Jobcenter jährlich für das neue Förderkonzept ausgeben; der Jugendhilfe-Ausschuss hat dem Kreisanteil von 305 000 Euro für die Jahre 2019 und 2020 zugestimmt. Die fünf Städte mit Anlaufstellen für die Jugendlichen steuern für Räume insgesamt 30 000 Euro bei. Der Landrat ist überzeugt, dass sich diese Bemühungen lohnen. Häufig kämen die schwierigen Jugendlichen aus Familien, die schon in der zweiten oder dritten Generation Sozialhilfe bezögen.

Es ist nicht so, dass Landkreis und Jobcenter bisher nichts für schwierige Jugendliche gemacht haben. Es gibt sogenannte niederschwellige Anlaufstellen in Esslingen (Jugendbüro des Stadtjugendrings), in Ostfildern (Jugendbüro Ikeros, Kreisjugendring), in Nürtingen und Kirchheim. In Esslingen gibt es zudem das Berufliche Ausbildungszentrum BAZ, das die Jugendlichen quasi von den Beratungsstellen übernimmt und ihnen eine erste berufliche Orientierung gibt. Nicht versorgt war bislang nur der Filderraum. Nun soll auch Leinfelden-Echterdingen ein Jugendbüro erhalten, die Büros in Esslingen, Nürtingen und Kirchheim werden personell verstärkt und das Kreisjugendreferat im Landratsamt erhält eine halbe Stelle, um die Förderung zu koordinieren.

Das neue Konzept sei einer der ersten Aufschläge des neu geschaffenen Jugendreferats, hebt Eininger dessen Rolle hervor. Ihre Aufgabe sei, so sagt Referentin Christine Kenntner, dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Systeme von Jobcenter, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe ineinandergreifen und Doppelstrukturen vermieden werden. Zudem gehe es um eine geregelte Finanzierung.

Das findet Frank Buß (Freie Wähler) richtig: Man müsse von einer projekthaften zu einer dauerhaften Struktur kommen. Das werde zwar 600 000 Euro im Jahr kosten, aber man müsse über jeden froh sein, der aus dem Hilfesystem in den ersten Arbeitsmarkt komme. Ähnlich sieht es Steffen Weigel (SPD): Die Förderung helfe auch der Wirtschaft, denn angesichts des Fachkräftemangels dürfe niemand durchs Netz fallen. Einen Seitenhieb verkniff er sich nicht: Die Jugendhilfe sei bisher schon koordiniert worden, ob es nun einer weiteren Stelle im Landratsamt bedürfe? Ursula Merkle (CDU) wünscht sich, dass auch kleinere Kommunen berücksichtigt werden. So ist es imKonzept im Prinzip vorgesehen: als Modell für weitere Kommunen.

Einzig Ulrich Deuschle (REP) findet die neue Förderung „bei weitem überzogen“. Wer denn die schwer erreichbaren Jugendlichen seien? Da kam der REP-Mann bei Landrat Eininger an den Rechten: Diese Jugendlichen seien doch ein Dauerthema beim Runden Tisch mit der IHK und seit 15 Jahren versuche man die Schulschwänzer über die Straßeneckenschulen wieder zum geregelten Lernen zu bringen. Auch Christine Roos (Grüne) erklärte es noch einmal: „Es geht darum, Sozialausgaben an anderer Stelle einzusparen.“