War eine Wildschweinrotte auf Nahrungssuche, gleicht die Wiese hinterher einem Acker. Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Wildschweine haben in den vergangenen Monaten mehrere Wiesen am Hermannsberg in Plochingen regelrecht umgegraben und quasi in Äcker verwandelt. Die Geschädigten fordern, dass die Jäger mehr Wildschweine schießen und die Stadt gegen die Eigentümer verwilderter Wiesen vorgeht.

PlochingenDie Zahl der Wildschweine nimmt seit Jahren zu. Ob die Schäden, die das Schwarzwild in den vergangenen Monaten immer wieder am Plochinger Hermannsberg angerichtet hat, vorhersehbar waren, darüber könnte man abendelang diskutieren. Betroffene Grundstücksbesitzer und die Stadt sind über dieses Thema aneinandergeraten. Eine Informations-Veranstaltung im Ratssaal glättete zumindest die höchsten Wellen etwas.

Manche Eigentümer hatten mehrfach Besuch von Wildschweinen, die Beete, Streuobstwiesen oder Rasen in Äcker verwandelten. Die Flächen mussten teilweise mit schwerem Gerät wieder geglättet werden. Die Stücklesbesitzer werfen der Stadt vor, dass sie nicht vorgebeugt und ihnen nicht geholfen, sondern mit dem Hinweis auf angeblich herumliegendes Fallobst ihnen auch noch den schwarzen Peter zugeschoben habe.

Jetzt lud die Stadt zumindest Grundstückseigner, die ihr bekannt sind, zum Info-Abend ein. Es sei ein irrer Aufwand, alle ausfindig zu machen, sagte Bürgermeister Frank Buß und schilderte ein wochenlanges Prozedere mit Beteiligung verschiedener Ämter. „Uns liegt die Pflege der Streuobstwiesen sehr am Herzen“, betonte er, die Stadt schätze die Arbeit derjenigen, die ihr Grundstück in Schuss halten, sehr. Die anderen, die mit verwilderten Fläche dem Schwarzwild einen Unterschlupf bieten, erreiche man leider nicht. Gegen sie härter durchzugreifen, forderten die Betroffenen an diesem Abend mehrfach: Die Stadt müsse Druck machen und notfalls selbst Ordnung schaffen. Diese letzte Konsequenz hat die Stadtverwaltung bislang vermieden, auch wenn eine solche „Ersatzvornahme“ rechtlich möglich ist. Allerdings sei es äußerst fraglich, ob man die Kosten dafür jemals erstattet bekomme, sagte Buß.

Dem Vorwurf, die Jäger schössen zu wenig Schwarzwild, stellte die Stadt neue Zahlen gegenüber. Im zurückliegenden Jagdjahr, das am 31. März endete, haben die Jagdpächter auf Plochinger Gemarkung 53 Wildschweine erlegt, im Jahr davor lediglich 12. Für den Bürgermeister ein klarer Beleg dafür, dass sie „ganz massiv dabei sind, die Population zu reduzieren“. Aus Sicht der Garten- und Wiesenbesitzer ist diese Zahl aber noch viel zu niedrig. Dass es mit dem Abschießen nicht so einfach ist, erklärten die Jagdpächter Siegfried Ulfig und Alexander Gauland: Man müsse im Schnitt 19 Mal ansitzen, um ein Wildschwein zu erwischen. Und in einem unübersichtlichen Gebiet wie dem Hermannsberg schieße man in der Regel gar nicht, weil das Risiko, dass dort jemand unterwegs ist, zu hoch sei.

Die Rechtslage ist verzwickt: So sollen sich Grundstücksbesitzer gegen Wildschweine schützen, ein Zaun gilt als bestes Mittel, ist im Landschaftsschutzgebiet aber gar nicht zulässig. Steht aus irgendeinem Grund doch ein Zaun, gilt das Grundstück als „befriedetes Gebiet“, in dem nicht gejagt werden darf und folglich keine Schadensersatzansprüche bestehen. Im offenen Bereich sollten sich bei auftretenden Schäden Jäger und Geschädigte einigen, erklärte Sascha Richter, der Wildtierbeauftrage des Landkreises. Gelinge das nicht, werde ein Gutachter eingeschaltet, den der Auftraggeber zahlen müsse.

Die Zuhörer schüttelten ob dieser Verfahren den Kopf. Sie wollen ihre Schäden oder zumindest die Kosten für Leihgeräte ersetzt bekommen, mehr Bejagung und mehr Unterstützung, zum Beispiel durch Grünschnittabfuhr. Beim Grünschnitt will die Stadt sich zumindest erkundigen. Die Ermittlung der Eigentümer von verwilderten Grundstücken sei bereits im Gange, versicherte Ordnungsamtsleiter Uwe Bürk. Bürgermeister Buß schloss nicht mehr ganz aus, ein Exempel zu statuieren. Das alles stuften die meisten Versammelten aber eher als „Larifari“ ein, wie einer sagte. Die aus ihrer Sicht wichtigste Maßnahme ist die geplante Drückjagd am 27. Oktober im Wald oberhalb des Stumpenhofs. Sie sei beantragt, versicherte Buß.

Die Jäger glauben, dass sich das Wildschweinproblem im Lauf des Jahres ohnehin deutlich entschärfen wird. Zum einen durch die stärkere Bejagung, zum anderen seien heuer wieder mehr Eicheln und Bucheckern, die Leibspeisen der Wildschweine, zu erwarten. Die fehlten im vergangenen Jahr, ähnlich wie das Obst, fast komplett. Der Futtermangel sei ein Grund gewesen, warum die Tiere verstärkt aus dem Wald ins Grünland kamen.