Von Sabine Försterling

Ein offenbar wochenlanger Streit in einem Mehrfamilienhaus in Kirchheim ist am Abend des 16. September 2016 eskaliert. Ein 53-jähriger Elektromeister hatte einen 25-jährigen Nachbarn und dessen 40-jährigen Bruder mit Schlägen auf den Kopf schwer verletzt. Nun muss er sich wegen versuchten Mordes und versuchten Totschlags vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Der Angeklagte ist in der Verhandlung immer wieder aufgewühlt, er weint auch mal.

Mit seiner Ehefrau wohnte er im zweiten Geschoss, der 25-Jährige im Erdgeschoss. Der Oberstaatsanwalt wirft ihm vor, er habe auf der Straße gewartet, bis sein Nachbar mit seinem älteren Bruder vom Abendgebet in der Moschee nach Hause kommt. Ohne Vorwarnung habe er dem 40-Jährigen mit einem 85 Zentimeter langen Metallrohr auf den Kopf geschlagen. so dass dieser bewusstlos zu Boden fiel. Der 25-Jährige floh, doch der Angeklagte rannte hinterher, warf ihm das Rohr zwischen die Beine und schlug mehrmals den am Boden Liegenden. Erst als das Opfer um Hilfe schrie und Passanten herbei eilten, hörte der 53-Jährige auf. Der 40-Jährige erlitt eine Schädelfraktur, eine Gehirnerschütterung und ein Schädelhirntrauma, der 25-Jährige eine Schädelprellung und Prellungen am Körper.

Vor knapp vier Jahren hatte der Angeklagte die Wohnung gekauft. Der 25-Jährige zog kurz danach ein, sein Bruder zwei Tage vor der Tat. Sein Nachbar habe ihn so schikaniert, dass er die Wohnung wieder habe verkaufen wollen, sagte der 53-Jährige. Er sprach über Streitigkeiten, weil die Rücklagen erhöht wurden. Auch sein Hund, ein Labrador, sei nicht erwünscht gewesen und er sei immer wieder von einer Gang von Salafisten beobachtet und drangsaliert worden.

Am Tattag sei er von der Arbeit nach Hause gekommen, die beiden Brüder hätten auf dem Balkon gesessen und ihn als „Schwuchtel“ beschimpft. Als er ein zweites Mal vorbei gegangen sei, habe ihn einer angespuckt. Bevor er mit dem Hund Gassi gegangen sei, habe er sich durch einen Blick aus dem Küchenfenster vergewissert, dass die Brüder nicht mehr auf dem Balkon saßen. Das Rohr habe er mitgenommen, um es in seinen Bus zu legen, da er es am nächsten Morgen auf einer Baustelle brauchte. „Plötzlich sind die Beiden hinter einem Auto aufgetaucht, ich habe Angst bekommen und gerufen sie sollen nicht näher kommen und mit dem Metallrohr auf den Boden geschlagen“, erzählte der Angeklagte. Und dann habe er zugeschlagen, mehr wisse er nicht. Er könne sich aber noch daran erinnern, wie er den fliehenden Nachbarn verfolgte und ebenfalls mit dem Rohr attackierte. Der 40-Jährige verfolgte die Aussage des Angeklagten als Nebenkläger. In einer Verhandlungspause kam es im Saal zu einem Wortgefecht zwischen ihm und dem Sohn des Angeklagten. Der 40-Jährige erzählte, dass sein Bruder ständig von dem 53-Jährigen provoziert worden sei und dass seine Mutter Angst vor diesem „Psychopathen“ gehabt habe. Sein Bruder sei kein Salafist, sondern nur sehr religiös und werbe für den Islam.

Der Prozess wird nächsten Mittwoch fortgesetzt.