Katze Lilly muss nach Operation ein Korsett Foto: oh - oh

Familie Schreiber ist geschockt: Ihre Katze ist in Kirchheim angeschossen worden. Und sie ist nicht die einzige.

KirchheimAls Lilly um die Mittagszeit nach Hause kommt, merkt Familie Schreiber sofort, dass sich ihre Katze anders verhält als sonst. Sie versteckt sich und leckt sich ständig an der rechten Seite. Tanja Vetter-Schreiber entdeckt eine Wunde, vermutet aber nichts Böses: „Wir waren überzeugt, dass die Verletzung von einem Ast oder Strauch kommt“, erzählt die Kirchheimerin. Bis Sonntag verheilt die Wunde weitgehend, doch Lilly ist noch nicht die Alte. „Sie ist nicht mehr gesprungen und hat auf dem rechten Bein gehumpelt“, erzählt Tanja Vetter-Schreiber. Als sie die Stelle abtastet, bemerkt sie, dass sich eine Verdickung gebildet hat. In diesem Moment kommt ihr zum ersten Mal der Verdacht, dass die Katze eine Schussverletzung haben könnte.

„Der Kater unserer Nachbarn hat nämlich auch eine Kugel im Rückgrat“, sagt die Katzenbesitzerin. Eine Röntgenaufnahme bestätigen ihre Vermutung: Lilly hat einen Kugel unter der Haut. Sie ist angeschossen worden, irgendwo im oder beim Kirchheimer Wohngebiet Bohnau. Familie Schreiber ist geschockt. Und was sie noch fassungsloser macht: Lilly ist offenbar kein Einzelfall. „Katzen werden häufiger angeschossen – ohne dass darüber etwas öffentlich bekannt wird“, erfährt die Familie. „Das haben wir häufiger als Zufallsbefund“, sagt Tierärztin Tanja Schlegel, die Lilly behandelt. Das bestätigen andere Tierartpraxen aus der Region. „Die Kugeln bemerkt man meist, wenn aus einem anderen Grund geröntgt wird.“

In der Regel verursachen die Geschosse keine großen Beschwerden: „Die Besitzer kriegen das oft gar nicht mit“, weiß die Tierärztin. Auch die Katzen können damit gut leben, es sei denn, die Kugel hat ein Organ getroffen oder es treten andere Komplikationen auf. Herausoperiert werden die Geschosse normalerweise nicht. Katze Lilly kommt allerdings um eine Operation nicht herum, bei ihr hatte sich eine schmerzhafte Zyste gebildet. Die etwa einen halben Zentimeter große Kugel bleibt drin. Sie zu entfernen, wäre zu kompliziert und auch gefährlich für die Katze.

Nach der OP muss Lilly ein Korsett tragen, raus darf sie in der Zeit nicht. Auch treten Komplikationen auf: Ein Blutgefäß im OP-Bereich platzt. Die Stelle muss punktiert werden. Die Wochen, bis Lilly wiederhergestellt ist, sind nicht für das Tier und die Familie belastend – emotional, zeitlich und finanziell. Die Tierarztrechnungen bleiben vermutlich an der Familie hängen. Nur wenn ein Schuldiger gefunden würde, könnten Schreibers das Geld einklagen. Familie Schreiber erstattete Anzeige, doch der Täter wurde nicht gefunden. „Die Ermittlungen gestalten sich bei solchen Fällen extrem schwierig, weil der eigentliche Tatort unbekannt ist“, sagt Martin Raff, Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen. Auch Zeugen fehlen meist. Im Wohngebiet Bohnau befragt die Polizei die Nachbarn, doch keiner hat etwas Verdächtiges beobachtet. Also werfen Schreibers Handzettel in Briefkästen und hängen Plakate auf. Hinweise bekommen sie nicht, aber die Kampagne macht den Fall bekannt. Genau das möchte Tanja Vetter-Schreiber erreichen – um Hinweise auf den Täter zu erhalten und um aufzuklären. „Solange kaum jemand weiß, dass immer wieder Katzen angeschossen werden, können die Täter ja ungehindert und unbemerkt weitermachen.“

Viele Schüsse, aber wenig Anzeigen

Schussverletzungen bei Katzen kommen häufiger vor, werden aber selten angezeigt. Im Kreis Esslingen gab es in den vergangenen Jahren neben Lillys Fall vier weitere Anzeigen. In keinem Fall wurde der Täter ermittelt. Im Juli 2013 schoss ein Unbekannter in Filderstadt mit einem Luftgewehr zweimal auf eine Katze. Im Dezember 2015 gab es in Wernau Schüsse auf eine Katze mit einer Luftdruckwaffe und in Altdorf benützte der Schütze im gleichen Monat gar eine Schrotflinte. Im April 2016 wurde in Aichtal mit einem Kleinkalibergewehr auf eine Katze geschossen.

Im Wohngebiet Bohnau sorgte im April 2015 ein Fall von Tierquälerei für Aufsehen gesorgt. Unbekannte verletzten einen Kater mit einem Knüppel so schwer an der Wirbelsäule, dass seine Besitzer ihn einschläfern ließen. Damals hatte der Tierschutzverein Kirchheim vor Katzenhassern gewarnt. Die Polizei sieht für einen „Serientäter“ aber keine Anhaltspunkte.

Strafbar ist das Schießen auf ein Tier gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen können Täter, die Tiere ohne vernünftigen Grund töten oder ihnen aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügen, mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren belegt werden. Werden Haustiere, die einen Besitzer haben, verletzt oder getötet, so gilt das außerdem als Sachbeschädigung im Sinne des Strafgesetzbuches.