Bei der Sommerredaktion diskutierten Bürgerinnen und Bürger mit EZ-Redakteurinnen über Verkehrsprobleme in Neuhausen. Foto: Tom Weller - Tom Weller

Viele Bürger hatten gehofft, dass die S-Bahn-Verlängerung schneller kommt. Dass sich das Projekt nun um weitere drei Jahre bis Mitte 2026 verzögert, kritisierten viele Leserinnen und Leser bei der Sommerredaktion der Esslinger Zeitung heftig.

Neuhausen

Der Ärger über die Verzögerung bei der S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen ist groß. Bei der Sommerredaktion der Esslinger Zeitung diskutierten die Leserinnen und Leser heftig über die Folgen. Viele können die Argumente der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) nicht nachvollziehen. Aus der Sicht vieler Verkehrsteilnehmer stoßen das Straßennetz und die Infrastruktur der Fildergemeinde bereits jetzt an Grenzen.

David Seifert (21), Auszubildender: Ich wohne direkt beim Bahnhof in Neuhausen. Deshalb mache ich mir Sorgen wegen des Baulärms. Auf jeden Fall ist die S-Bahn eine Chance. Als Radfahrer kann ich Bahn und Rad gut kombinieren. Sorgen bereitet mir, dass die Kosten von 149 auf 209 Millionen Euro steigen. Dieses Geld wird dringender gebraucht, etwa für die Sanierung der Schiller-Schule. Ich war da selbst bis vor wenigen Jahren Schüler und finde, dass das Schulhaus in schlechten Zustand war. Da war auch meine Mutter schon Schülerin, und sie sagt, es habe sich nicht viel verändert. Unterrichtsräume haben aus meiner Sicht oberste Priorität.

Matthias Brodbeck (59), Niederlassungsleiter, Neuhausen: Grundsätzlich bin ich für die S-Bahn-Verlängerung. Meine Kritik richtet sich gegen die Streckenführung. Der Ringschluss ins Neckartal wird von vielen Seiten gefordert. Nach den derzeitigen Plänen wäre das nur möglich, wenn Neuhausen untertunnelt wird. Daher spreche ich mich für eine Streckenführung vom Industriegebiet in Richtung Autobahn über Denkendorf aus. Ich bezweifle, ob die Wirtschaftlichkeit noch gegeben ist, wenn die Kosten jetzt auf 209 Millionen Euro klettern. Dass die staugeplagte Plieninger Straße durch die S-Bahn entlastet wird, glaube ich nicht.

Martin Gerst (58), Arzt, Neuhausen: Ich selbst nutze die S-Bahn nicht, aber meine Kinder sind viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Wenn sie nachts unterwegs sind, müssen wir Eltern sie abholen, weil da die Bus- und Bahnverbindungen nicht so gut sind. Deshalb hatten ich und meine Frau sehr gehofft, dass die S-Bahn möglichst bald kommt.

Nada Stoll (70), Rentnerin, Neuhausen: Ich hatte auf die S-Bahn-Verbindung gehofft, jetzt liegen die Pläne jahrelang auf Eis. Bis dahin leiden wir im Ort sehr unter dem Verkehr. Mein Sohn kommt aus Wolfschlugen, er hat auf der Ortsdurchfahrt in Neuhausen oft Probleme.

Walburg Ueberall (87), Rentnerin, Neuhausen: Ich hatte gehofft, dass die S-Bahn bis 2022 kommt, und dass ich sie noch nutzen kann. Da ich gehbehindert bin, wäre es schwer, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Für Barrierefreiheit sollte mehr getan werden. Das wäre ganz im Sinn von uns älteren Menschen.

Larissa Fialho-Gerst (19), Auszubildende: Wir hatten einen Zeitplan für die S-Bahn im Kopf. Jetzt wird er umgeworfen. Das ärgert mich ebenso wie die vielen Verspätungen im Busnetz auf den Fildern. Dann verpasst man Anschlüsse, muss warten. Ich hatte gehofft, dass das mit der S-Bahn besser wird.

Franz Heiss (85), Rentner, Neuhausen: Wir leben in schwierigen Zeiten. Dass Großprojekte viel später fertig werden und deutlich teurer werden, sieht man am Beispiel von Stuttgart 21 oder vom Großflughafen BER in Berlin. Schon jetzt finde ich die Verbindung nach Stuttgart nicht schlecht. Mit dem Bus und mit der U-Bahn vom Kreuzbrunnen im Scharnhauser Park ist man deutlich schneller am Olgaeck in Stuttgart als mit dem Auto.

Volker Selg (53), kaufmännischer Angestellter: Ich finde es eine Katastrophe, dass die S-Bahn-Verlängerung nun drei Jahre später kommt. Die Einwände, die in der Zeitung veröffentlich wurden, sind für mich nicht nachvollziehbar. Ich wohne in Neuhausen und arbeite in Nürtingen. Aufgrund der Verkehrssituation habe ich mir sogar ein E-Bike gekauft, weil die Arbeitsstrecke von hier nach Nürtingen mit einer dreiviertel Stunde, Stunde schon normal geworden ist – eine Vollkatastrophe! Auch die Mehrkosten halte ich für nicht glaubwürdig.

Ruth Selg (52), Verwaltungsfachangestellte: Ich arbeite in Hohenheim und würde mir wünschen, dass öfter Busse nach Plieningen fahren würden und nicht nur einmal in der Stunde. Außerdem ist jeden Tag in Neuhausen in der engen Hauptstraße ein hohes Verkehrsaufkommen mit brandgefährlichen Situationen. Ich kann mir eine Ringlösung vorstellen.

Nicole Meschkat (40) aus Vaihingen: Mich ärgert es, dass die S-Bahnverlängerung erst 2026 fertig gestellt sein wird. Ich wohne in Vaihingen und hatte mich sehr darauf gefreut, da ich oft in Neuhausen meine Familie besuche. Aktuell ist die Strecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit vielen Umstiegen verbunden – das würde wegfallen.

Roswitha Löffler (61), Kommissioniererin, Neuhausen: Auch mich ärgert es, dass die S-Bahn-Verlängerung angeblich erst 2026 gebaut sein wird. Da die Einkaufsmöglichkeiten in Neuhausen für mich eine Katastrophe sind, muss ich immer mit dem Bus nach Bernhausen fahren. Mit der neuen S-Bahnstrecke könnte ich auch in Stuttgart ohne viele Umstiege einkaufen fahren. Ich bezweifle aber, dass sie bis dahin überhaupt fertig gestellt wird. Ich tippe eher auf 2030.

Uwe Schmitt (58), Versicherungsmakler ,Neuhausen: Ich hatte mich schon fest darauf eingestellt, dass die S-Bahnverlängerung kommt. Jetzt müssen wir wohl länger darauf warten – und wer weiß, ob es bis 2026 auch realisiert wird. Was mich aber noch mehr aufregt, ist, dass in der Rupert-Mayer-Straße permanent Strafzettel verteilt werden – und nicht jedes Auto, das dort im eingeschränkten Parkverbot steht, erhält einen. Sie werden in meinen Augen willkürlich verteilt. Ein paar Meter weiter in der Kurve herrscht kein Parkverbot, dort parken sie wild und es ist auch viel gefährlicher.

Diana Stoll (45), Sachbearbeiterin, Neuhausen: Mein Sohn geht in die siebte Klasse und ich finde es sehr schade, dass er – und viele andere Schüler – wohl keine Mensa mehr erleben werden. Außerdem ist der Schulhof der Mozart-Grundschule viel zu klein. Zeitweise wurde den Kindern aus Sicherheitsgründen das Fangenspielen verboten. Auch da muss man dringend etwas machen oder zumindest eine Übergangslösung finden. Und dass die S-Bahnverlängerung erst 2026 kommt, das geht gar nicht! Wir fahren gerne nach Stuttgart. Was mir immer wieder auffällt: Neubaugebiete werden schnell hochgezogen, doch Infrastrukturprojekte bleiben oft auf der Strecke. Schade!

Tino Eberlein, selbstständiger Handwerker, Neuhausen: Dass die Preise steigen und dass der S-Bahn-Ausbau länger dauert, wundert mich als Handwerker nicht. Denn die Auftragslage ist zurzeit extrem gut. Vom Stau auf den Filderstraßen bin auch ich betroffen. Da muss ich eben die Fahrzeiten entsprechend legen, dass es passt.

Tanja Verch (48), Landesbeamtin/Gemeinderätin, Neuhausen: Wir ersticken, wie so viele Filderkommunen, im Verkehr. Leider hat die Gemeinde die Verkehrsinfrastruktur sehr vernachlässigt, die Aufsiedlung, bedingt durch den S-Bahn-Halt, aber stetig vorangetrieben. Infrastrukturfolgekosten wurden nicht mit berechnet. Dies macht sich in fehlenden (Ganztags-)Kitaplätzen, der Enge der Mozartschule, dem baulichen Zustand der Schiller-Schule bemerkbar. Wichtig wäre mir, dass trotz Verschiebung das geplante Ärztehaus im Bahnhofsareal angegangen wird. Bei der ärztlichen Versorgung haben wir großen Nachholbedarf.

Roman Krieger (24), Student und Gemeinderat: Keiner wollte, dass sich der S-Bahn-Bau noch länger verzögert. Denn unsere Planungen sind darauf abgestimmt. Aber wir brauchen die Schienenverbindungen unbedingt. Ich sehe aber die Notwendigkeit, um die neuen Auflagen zu erfüllen – etwa, was den Brandschutz oder den Lärmschutz angeht.

Roland Götz, Unternehmer: Sollte es sich beim S-Bahnprojekt um ein Zeitspiel handeln und die Versprechungen beim S 21 Referendum, ohne S21 keine S-Bahn nach Neuhausen, doch als übler Trick herausstellen? Nun sind Kommunalpolitiker und Bürger gefordert, um solchen Verdachtsmomenten Einhalt zu gebieten. Bevor die Baupreise ins Unermessliche steigen, sollte mit dem Bauprojekt „Bahnhofsreal“ begonnen werden.

Frank Herrmann (49), Jurist, Neuhausen: Ich bin für die S-Bahn-Verlängerung. Aber die Infrastruktur ist vernachlässigt worden. Das bedeutet, dass erhebliche Kosten auf die Kommune zukommen – durch die steigenden Preise bei der S-Bahn-Verlängerung wird das noch schlimmer. Das bedeutet, dass immer noch mehr Schulden gemacht werden müssen. Das sehe ich sehr kritisch.

Ulrich Krieger (63), Finanzbeamter und Gemeinderat: Wir alle wollen die Verzögerung beim S-Bahn-Bau nicht, aber nun müssen wir damit leben. Deshalb wird das Projekt nicht in Frage gestellt. Wir brauchen die S-Bahn-Verlängerung aus verkehrspolitischen Gründen.

In unserem Liveblog unter www.esslinger-zeitung.de/sommerserie sind einige Live-Interviews zu sehen.