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EZ-Redakteur Roland Kurz hat die Express-Buslinie X20 nach Waiblingen getestet. Sein Fazit: Sie kommt sehr gut an.

Esslingen Omnibusbahnhof Esslingen, Bahnsteig 2, 16.45 Uhr. Der X20 steht bereit, um in sieben Minuten abzufahren. Efstratios Iliakos steht rauchend vor seinem Bus, der noch leer ist. „Eine schöne Strecke, viel Natur“, meint der Fahrer. Als Erster steigt ein Mann mit Aktentasche ein, etwa zehn weitere Fahrgäste folgen alsbald. Alle zücken kurz ihre Monatskarte, nur der Journalist kauft sich ein Ticket beim Fahrer. 5,20 Euro hin und zurück, zwei mal 17 Kilometer, 29 Minuten geplante Fahrzeit.

Eine junge Frau möchte noch einsteigen. „Hält der Bus an der Flandernstraße?“ Während der Fahrer, der erst seit kurzem für die Firma Schlienz fährt, noch überlegt, kommt schon die Antwort vom Fahrgast aus der ersten Reihe: „Da kann man nicht aussteigen, nur einsteigen.“ Diese Regelung soll verhindern, dass der Expressbus mit der innerstädtischen Linie konkurriert. Erhard Kiesel, Geschäftsführer von Schlienz, hält wenig vom Einstiegverbot: „Das kann man keinem Fahrgast erklären.“

Pünktlich fährt der Bus los, rein in den Feierabendverkehr. Am Entengraben hat er schon drei Minuten verloren, die Verspätung leuchtet nun rot auf dem Display des Fahrers. Hinter ihm sitzt Andreas Stiene. „Ich habe 13 Jahre darauf gewartet, dass die Linie kommt“, meint der 58-Jährige, der von der Büroarbeit heim nach Stetten fährt. Er spart mit dem X20 Zeit, Geld und Nerven. Morgens muss er keinen Parkplatz mehr suchen und dank Zuschuss seines Arbeitgebers, dem Land, zahlt er nur 40 Euro fürs Monatsticket. „Nur die engen Sitze könnten etwas relaxter sein“, sagt er und freut sich an seinem Wortspiel. Der Bus hält an der Flandernstraße. Vier junge Leute mit Schulrucksack und Collegemappe steigen ein. Momo und Lian kommen aus Remshalden und gehen aufs private Gymnasium in Esslingen. „Früher musste mich mein Vater fahren“, erzählt die zwölfjährige Momo.

Auf Einkaufstour

Esslingen präsentiert sich gern als Einkaufsstadt. Der X20 hat die Stadt für Rentnerin Maria Michele aus Rommelshausen erschlossen. Früher ist sie zum Einkauf mit der S-Bahn nach Fellbach oder Stuttgart gefahren. „Das ist so geschickt mit dem Bus, ich brauche nicht umzusteigen.“

Niko Martiradonna (38) sitzt nicht freiwillig im Bus. Seine Frau braucht seit einiger Zeit das Auto, deshalb fährt der Erzieher mit dem Bus zum Kindergarten auf dem Esslinger Zollberg und nun zurück nach Rommelshausen. Auch Jürgen Luck (57) kommt von der Arbeit zurück. Der X20 ist für ihn ein Segen: „Eine Wahnsinns-Zeitersparnis, nicht bezahlbar!“ Von Stetten ins Gewerbegebiet Scharnhausen hat er früher bis zu zwei Stunden benötigt: Bus, zwei S-Bahnen, Bus.

Der Schurwald liegt schon im Dunkeln, als der Bus die Haltestelle Katzenkopf passiert. Der Halt im Wald bringt der Linie vor allem am Wochenende Fahrgäste. „Das nutzen ältere Leute aus dem Remstal, um oben entlang der Römerstraße zum Jägerhaus zu spazieren“, erzählt Jürgen Luck. Busfahrer Steffen Schuller bestätigt dies später auf der Rückfahrt, auch das Fahrrad werde oft mitgenommen. Und die Esslinger fahren gern zur Besenwirtschaft ins Remstal – in Stetten gibt es zehn Stück.

Ein junger Mann beugt sich über seinen Laptop. „Moment, ich lade schnell noch was runter.“ Martin Gassen studiert an der Esslinger Hochschule. „Im Bus funktioniert das WLAN immer, dann kann ich das nachher in der S-Bahn bearbeiten.“ Der 25-Jährige muss nach Backnang weiter. Viel schneller sei der Bus nicht als die S-Bahn, „aber es fühlt sich schneller an und ich habe den Trubel in Cannstatt nicht“, sagt der Student, „und heute Morgen habe ich im Bus einen schönen Sonnenaufgang erlebt“. Auf der Sitzbank gegenüber hat Annika Gaber (65) mitgehört und meldet sich zu Wort: „Der Bus ist super!“ Sie hat ihre Tochter in Denkendorf besucht. „Und jetzt ist auch das zweite Enkele da, da muss ich noch öfter fahren.“

Zum Bierchen und zur Bibelstunde

An der Diakonie Stetten füllt sich der Bus. Das hat die Erhebung des VVS im vergangenen Jahr schon ergeben: Der stärkste Abschnitt liegt zwischen Stetten und Waiblingen. Kurz vorm Halt an der Karlstraße Rommelshausen muss eine Frau noch eine Botschaft loswerden. „Sie müssen schreiben, dass der Bus auch am Bahnhof Rommelshausen halten soll. Das dauert nur eine Minute länger und dann muss ich nicht zehn Minuten laufen.“ Sagt’s und hüpft aus dem Bus.

Draußen erkennt man an einer Fassade die große Leuchtschrift „Stihl“. Alles klar, das ist Waiblingen. Der Bus stoppt an Steig 10, die rote Anzeige bei Efstratios Iliakos zeigt jetzt 11.30 Minuten Verspätung an. 40 statt 29 Minuten, aber niemand schimpft. Der Busbahnhof liegt im Zwickel von zwei Bahnlinien, mit wenigen Schritten erreicht man die S3 nach Backnang oder den Regionalexpress nach Aalen – oder man fährt mit dem X20 wieder nach Esslingen zurück, lernt neue Leute kennen wie den Gartenbauer, der zur Bibelstunde will, die Angestellte der Diakonie Stetten oder den Versicherungsvertreter, der sich mit Kollegen zum Bierchen in Esslingen verabredet hat.

Relex-Linie im Test

Die Esslinger Zeitung und die Waiblinger Kreiszeitung beleuchten in einem Gemeinschaftsprojekt die Buslinie X20. Redakteurin Laura Steinke startete in Waiblingen, EZ-Redakteur Roland Kurz in Esslingen.