Pamela Schmidt führt Besucherinnen in historische Handarbeitstechniken ein. Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Auch der TV Reichenbach hat sich am 750-jährigen Ortsjubiläum beteiligt. Die Gruppe Schnarrensack veranstaltete ein Mittelalterfest im Vereinsheim.

ReichenbachEine Veranstaltung zum 750-jährigen Ortsjubiläum beisteuern? Der TV Reichenbach hat bei dieser schwierigen Aufgabe zurückgerechnet und ist dann im Mittelalter gelandet. So ging es am Samstag im TV-Vereinsheim gesellig, lustig und laut zu, wobei auch einige für den Sportverein eher ungewöhnliche Wettbewerbe zu erleben waren.

Der Parkplatz vor dem Vereinsheim ist abgesperrt: Hier wird später ein großes Feuerspektakel steigen. Windlichter weisen den Weg zum Eingang, drinnen trägt gerade ein Mann in Mönchskutte, ein großes Holzkreuz um den Hals, eine Stiege Biergläser die Treppe hoch und verschwindet in der Küche. In der Gaststube des Vereinsheims sind noch mehr solcher Brüder unterwegs, ebenso Damen in langen Kleidern mit ausgestellten Ärmeln und Kopfzierat, die für das Wohl der knapp 70 Gäste sorgen. „Wir sind die Leibeigenen vom TV“, sagt Peter Schuster schmunzelnd, selbst gespannt, wie der Abend weitergehen wird.

Ausgelassen und fröhlich geht’s weiter, das wird schnell klar, als Schnarrensack die Regie übernimmt. Die Mittelalter-Gruppe aus Wendlingen ist nicht nur eine Familie und eine Band, sie hat eine abendfüllende Show dabei. Bei den knackigen Sprüchen von Papa und Frontmann Reinhard Müller horchen alle auf, im Zweifelsfall hilft er nach: „So haltet euer Maul, wenn ich das meine öffne!“

„Lustig und unterhaltsam“

Der Oberschnarrensack begrüßt die Gäste und stellt fest, dass wohl einige unterwegs Straßenräubern oder anderem Gesindel zum Opfer gefallen seien. Tatsächlich hätte der TV bei größerem Zuspruch seine Halle für das Fest genutzt. Angesichts der verhaltenen Nachfrage im Vorverkauf entschied man sich aber fürs Vereinsheim. Dort geht’s gemütlich zu. Eine Gruppe von Gästen aus Baltmannsweiler, am runden Stammtisch sitzend, genießt das. „Es ist einfach lustig und unterhaltsam“, sagt Lore Heugel.

Pamela Schmidt sitzt auf Fellen in einer Ecke des Raums, unter ihrer perlenbestickten, züchtigen Haube schaut kein Härchen vor. Die Reichenbacherin, die oft auf Mittelaltermärkten unterwegs ist, hat an diesem Abend nicht nur ihren eigenen Holz-Sessel, sondern auch das Material für verschiedene Handarbeitstechniken dabei. „Die Damen von Stand müssen sich ja auch irgendwie beschäftigen“, erklärt sie hoheitsvoll. Nadelbinden heißt das, was sie gerade tut, ein Vorläufer des Strickens und Häkelns, der bis ins 16. Jahrhundert verbreitet war. Man könnte sich wieder damit anfreunden, es entsteht ein relativ dichtes, festes Gewebe und die große Holznadel fühlt sich beinahe wie ein Handschmeichler an. Mittlerweile wurde ein Zeremonienmeister ernannt, der im Lauf des Abends immer wieder aufsteht und mit einem Trinkspruch („Hoch die Becher, ihr edlen Zecher!“) alle zu einem mehrstimmigen „Allvoll!“ animiert. Bruder Thomas wächst mit fortschreitender Zeit zusehends in diese Aufgabe hinein.

Und Schnarrensack ruft einen Wettbewerb nach dem anderen aus, jeweils bestritten von „Freiwilligen“ aus dem Publikum. Da heißt es, mit dem Blasrohr Pfeile schießen, ein mächtiges Holzschaf um die Wette melken oder auch fürs Vorkosten – die „Giftprobe“ – herhalten. Jedes Mal wieder spannend, ob das Gesicht „ergrünet“. Die Probanden haben Glück, und auch der Ehrlichkeitstest mit dem Fallbeil verläuft glimpflich – der Unterarm bleibt aber dran. Begleitet wird das große Spektakel natürlich von „reichlich Handgeklapper“.

Dorothea Eberhard vom Organisationsteam freut sich über die gute Stimmung. In erster Linie tragen die Ski-Abteilung und die Flexiboys die Veranstaltung, letztere stehen in der Küche und „brutzeln schon den ganzen Tag“, so Eberhardt. Kraut und Gulaschsuppe duften nicht nur, sie schmecken auch ganz vorzüglich. Der Vereinsvorsitzende Christian Leinert kann den Abend und das Ambiente einfach genießen. „So funktioniert ja der ganze Verein“, ist er überzeugt. „Jeder hat seine Aufgabe und agiert dann weitgehend selbstständig.“