Foto: Bulgrin - Bulgrin

Angesichts schwieriger Marktbedingungen und gestiegener Fleischpreise war die Wurstfabrik Rehm in Aichwald zuletzt ins Straucheln geraten. Kein Einzelfall – die ganze Branche hat es schwer.

AichwaldWer hin und wieder nach der Arbeit im Discounter nach den verpackten Maultaschen für ein schnelles Abendessen greift, hat vermutlich schon mal ein Produkt der Firma Rehm gekauft: Das Familienunternehmen mit Sitz in Aichwald beliefert eigenen Angaben nach alle großen Supermarktketten im Südwesten. Dennoch ließ die Fleischverarbeitungsfabrik vor zwei Wochen mitteilen, dass beim Amtsgericht Esslingen Insolvenz beantragt wurde. Die Branche macht schwere Zeiten durch. „Für die Hersteller ist das eine bedrohliche Situation“, sagt Thomas Vogelsang, Geschäftsführer beim Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF).

Der Verband vertritt die Interessen von deutschlandweit rund 120 Unternehmen mit etwa 60 000 Arbeitsplätzen in der Verarbeitung von Fleisch. Die Branche sei, im Gegensatz zu den riesigen Schlachtbetrieben, sehr geprägt von mittelständischen Unternehmen, oft familiengeführt, erklärt der Verbandsgeschäftsführer. Für Baden-Württemberg geht der BVDF-Landesvorsitzende Klaus-Josef Högg bei 16 Mitgliedsunternehmen von etwa 4000 Arbeitsplätzen aus, im Schnitt 250 pro Betrieb. Als Geschäftspartner stehen diesen kleinen Betrieben einerseits wenige große Fleischerzeuger als Lieferanten gegenüber, andererseits wenige große Lebensmittelhändler als Abnehmer, die untereinander in großer Konkurrenz stehen. Högg und seine Verbandskollegen sprechen von einer „Schraubstocksituation“.

Wolfgang Rehms Fleischmanufaktur mit derzeit 95 Mitarbeitern passt in dieses Bild: Der Preisdruck vonseiten der Lieferanten und Großkunden im Lebensmitteleinzelhandel sowie verlorene Kundenaufträge setzten der Firma in den vergangenen Jahren zu, erklärt er. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war den Schilderungen des Firmenchefs zufolge schließlich die Afrikanische Schweinepest, die unter anderem in China wütet. Dort stirbt Medienberichten zufolge jedes fünte Tier. Die Folge: Das Land kauft den Weltmarkt leer, seit März sind die Preise für Schweinefleisch sprunghaft von durchschnittlich etwa 1,40 Euro pro Kilogramm auf nun 1,80 Euro angestiegen. Die Kaufpreise der Wurstwaren durch den Einzelhandel ziehen aber nicht sofort nach. „Das zwischenzufinanzieren wird immer schwieriger“, sagt Rehm.

„Wir hatten vor zwei Jahren schon einmal so eine Situation, als einige Familienunternehmen übernommen wurden oder aufgeben mussten. Unsere Befürchtung ist, dass sich das wiederholt“, sagt Verbandsgeschäftsführer Vogelsang. „In anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie ist der Konzentrationsprozess schon deutlicher vorangeschritten.“ Dass das in der Fleischverarbeitung noch nicht so sei, liege daran, dass Wurst und Schinken regionale Produkte seien und die Verbraucher das, besonders in letzter Zeit, sehr schätzten.

Doch auch nach einer Übernahme kann es sein, dass Betriebe weiterhin auf ein regionales Produktportfolio setzen. So offenbar bei einem weiteren fleischverarbeitenden Betrieb im Kreis Esslingen, der Hans Dietz GmbH in Schopfloch. Das Unternehmen, das aus einer 1949 eröffneten Metzgerei entstand, meldete 2012 Insolvenz an. Die Feneberg Lebensmittel GmbH in Kempten im Allgäu, ein Familienunternehmen mit mehreren Supermärkten und eigenen Produktionsstätten für verschiedene Lebensmittel kaufte Dietz. Der Dietz-Standort Heroldstatt wurde später aufgegeben, die Fertiggerichtherstellung nach Kempten verlegt. Am Stammwerk Schopfloch werden der Internetseite zufolge weiter Dietz-Wurstwaren produziert, einige in Bioqualität.

Der BVDF hofft nun, dass der Lebensmittelhandel seine Kaufpreise an das Rohstoffpreiswachstum anpasst. „Sonst können die Hersteller nicht überleben“, sagt Vogelsang. Wolfgang Rehm will sich mit Kritik lieber zurückhalten. Seine Firma erhalte große Unterstützung durch Lieferanten und Kunden. Die Warenlieferungen seien aufrecht erhalten und es sei gelungen, Preiserhöhungen durchzusetzen. „Wir sind eben ein Marktteilnehmer, der nicht ganz zu verleugnen ist.“ Auch, dass die Mitarbeiter zur Firma hielten, sei eine große Hilfe.

Die Stellen, kündigten der Firmenchef und Insolvenzverwalter Tibor Braun vor zwei Wochen an, sollen bis Ende des Jahres gesichert sein, der Betrieb weiterlaufen. Derzeit hat Rehm dem nicht viel beizufügen. Man sei dabei, die Produktpalette anzupassen, um den Umsatz zu steigern. Neue Fertiggerichte werden nun auf dem Markt eingeführt. Außerdem wolle man sich vielleicht wieder stärker auf die Kernkompetenzen beschränken, wie etwa Maultaschen. „Da sind wir gut und leistungsfähig“, so Rehm. Vegetarische oder Bio-Produkte werden es dagegen dem Firmenchef zufolge eher nicht ins Sortiment schaffen.