Die Bahnstrecke bei Plochingen ist eine der meistbelasteten im Land. Nun fahren hier noch mehr Güterzüge entlang. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Die Folgen der abgesackten Gleise der Rheintalbahn in Rastatt sind seit Mittwoch im Kreis Esslingen angekommen: Auf den Strecken Stuttgart - Ulm und Plochingen - Tübingen fahren deutlich mehr Güterzüge als üblich. Die bereits stark vom Schienenlärm belasteten Kommunen sind nicht begeistert und fordern besseren Lärmschutz. Doch die Deutsche Bahn AG kann ihnen nicht entgegenkommen. Gestern fand auf Einladung des Landes eine Aussprache zwischen Bahn und Kommunen statt.

Von Greta Gramberg

„Keiner ist mit der jetzigen Situation zufrieden“, sagt ein Sprecher der Bahn-Pressestelle Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg gebe es derzeit nur drei Ausweichstrecken für den gesperrten Abschnitt der Rheintalbahn. Und die müsse man leider übermäßig belasten. So sollen Güterzüge über Stuttgart entweder über Ulm und München zum Brenner oder über Ulm und Friedrichshafen am Bodensee entlang nach Singen gelangen. Oder sie biegen bei Plochingen ab und fahren über Wendlingen und Tübingen nach Horb. So fahren täglich 30 bis 40 Güterzüge mehr zwischen Esslingen und Plochingen, berichtet ein Bahn-Sprecher. Die Strecke über Wendlingen Richtung Tübingen wird ihm zufolge voraussichtlich mit 15 bis 20 zusätzlichen Fahrten täglich belastet, das maximale Potenzial liege bei 37.

Nicht gerade erfreut darüber ist Plochingens Bürgermeister Frank Buß. „Im größeren Kontext hat sich sehr deutlich gezeigt, dass es sich rächt, dass in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig in die Schiene investiert wurde“, sagt er auf dem Rückweg von der Informationsveranstaltung des Landes. Das Ergebnis des überschaubaren Schienennetzes ist, dass Plochingen und die Nachbarkommunen bis Esslingen an drei Ausweichstrecken liegen. „Insofern werden wir einen ordentlichen Batzen abbekommen“, fürchtet Buß. Dabei ringt Plochingen seit Jahren um einen besseren Schutz gegen Schienenlärm. Untersuchungen des Eisenbahnbundesamts und des Verwaltungsverbands Plochingen-Altbach-Deizisau zeigen, dass 1300 Plochinger, 270 Altbacher und 210 Deizisauer einen höheren Lärmpegel durch Schienenverkehr ertragen müssen als vor einigen Jahren. In Plochingen sind einer Analyse zufolge, die Buß vor einigen Monaten Bahnvertretern präsentierte 1120 Einwohner einem Schallpegel von mehr als 65 Dezibel ausgesetzt - ein Wert, der zumindest längerfristig gesenkt werden sollte. „Wir versuchen seit Jahrzehnten über Lärmaktionspläne Verbesserungen zu erzielen“, sagt Buß. Es habe kleine Erfolge gegeben, aber der große Durchbruch bleibe aus.

Bei der Deutschen Bahn ist man der Meinung, dass es für die Strecke Esslingen-Plochingen kaum Auswirkungen durch das Mehr an Zügen geben wird. „Ich würde fast behaupten, das geht im normalen Verkehr unter“, sagt der Sprecher. Viel mehr betroffen werden ihm zufolge die Anwohner zwischen Tübingen und Horb sein, wo bislang kein Güterverkehr und vor allem nicht nachts fuhr. Außerdem läuft dort die Personenbeförderung über die Schiene nur noch zu den Hauptzeiten am Morgen und frühen Abend, weil die Strecke eingleisig ist. Auf den betroffenen Strecken im Kreis Esslingen werde der Personenzug- und S-Bahn-Verkehr nicht eingeschränkt - auch auf der zuletzt in die Kritik geratene Filstalbahn soll es laut Sprecher keine Ausfälle geben.

„Diesen Optimismus teile ich in keinster Weise“, widerspricht Buß. Es handle sich nicht um drei bis fünf Züge mehr am Tag. Seinen Einschätzungen nach dem Gespräch mit Land und Bahn könnten zwischen 35 bis 50 Fahrzeuge täglich an Plochingen vorbeirattern. Das seien 70 bis 100 Minuten zusätzlicher Bahnlärm. „Das ist eine erhebliche Belastung, die die Bürger ertragen müssen.“ Er rechnet, dass sie sich spätestens ab Montag, wenn alle Ausweichstrecken in Betriebs sind, deutlich bemerkbar macht. „Bislang ist es noch nicht so akut.“

Dagegen tun könne die Stadt nichts, die Bahn habe das Recht, die Trassen zu nutzen. Er habe sie aber gebeten, soweit sie Einfluss habe, leise Waggons einzusetzen. Langfristig macht dem Bürgermeister dagegen ein neues Bundesgesetz Hoffnung, das laute Güterzüge ab 2020 verbietet. Außerdem hat die Stadt den Antrag gestellt, wieder in das Lärmsanierungsprogramm der Deutschen Bahn zu kommen. 2018 soll eine Neubewertung stattfinden.

Etwas Entlastung in der aktuellen Situation könnte laut dem Bahnsprecher auch die Gäubahn bringen, die von Stuttgart über Reutlingen und Rottweil nach Singen führt. Sie ist derzeit wegen Bauarbeiten gesperrt, man versuche aber, diese früher zu beenden. Nächste Woche will die Bahn zudem eine Pressekonferenz zum aktuellen Stand der Arbeiten in Rastatt geben, deren Ende noch nicht absehbar ist.