Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Rund um Neuhausen, Denkendorf und Nellingen kämpfen die Radfahrer mit den Umleitungen, die wegen der Baustellen für die ICE-Strecke und den neuen Autobahnanschluss nötig sind.

OstfildernWo man hinschaut auf den Filder, überall werden Massen von Erde bewegt, für den Bau der neuen ICE-Strecke, für die Verlegung bestehender Straßen, aber auch für die Umgestaltung der Autobahn-Anschlussstelle bei Neuhausen. Sehr zum Leidwesen der Radfahrer. An etlichen Stellen müssen sie weite Umwege in Kauf nehmen. Und wo es mal läuft, ist die Fahrbahn so verschmutzt, dass das Pedalieren zum Hindernisparcours wird. Monika Brade-Pohl ist eine der Betroffenen. Wann immer es geht und das Wetter einigermaßen mitspielt, pendelt die 53-Jährige mit dem Fahrrad zwischen ihrem Wohnort Denkendorf und ihrer Arbeitsstätte in Neuhausen. Für die sechs Kilometer lange Strecke braucht sie heute fast doppelt so lang wie noch vor dem Frühjahr, als Umleitungen eingerichtet wurden.

Im Dezember 2018 brach für die Buchhalterin und für viele andere, die das Rad als Alltagsvehikel nutzen, eine neue Zeit an. Endlich wurde der neue Radweg auf dem Körschtalviadukt frei gegeben. Mehr als 20 Jahre hatten die Radler dafür gekämpft, dass sie eine direkte, ebenerdige Verbindung auf den Fildern bekommen und nicht mehr den beschwerlichen Weg durchs Körschtal nehmen müssen. Aber die Freude währte nicht lange. Schon einige Wochen später konnte Brade-Pohl nicht mehr ihren gewohnten Weg nehmen, der nach dem Hagenauer Hof zur Autobahn-Unterführung und von durch zur Ampel am Ortseingang von Neuhausen führt. Jetzt muss sie im Zick-Zack fahren. Die Umleitung ist zwar beschildert, aber deutlich länger und oft durch die Baufahrzeuge stark verschmutzt.

„Alles nur Stückwerk“

Aber das ist für die 53-Jährige nicht das einzige Ärgernis. An der Ampel, die sie jetzt überqueren muss, um nach Neuhausen zu kommen, muss sie ewig auf Grün warten. Um sich den lästigen Umweg zu ersparen, ist Brade-Pohl nach dem Körschtalviadukt schon auf die Umgehungsstraße ausgewichen. Was sich allerdings als viel zu gefährliches Abenteuer erwiesen hat, denn auf dieser Straße sind an Werktagen 25 000 Fahrzeuge unterwegs. Und die nehmen nicht unbedingt Rücksicht auf Radfahrer.

Wie lange sie diesen Hindernisparcours noch nehmen muss? Eine Antwort hat die 53-Jährige bislang nicht erhalten. Weder vom baden-württembergischen Ministerium noch von der Gemeinde Neuhausen. „Ich habe beide angeschrieben, eine Antwort habe ich nicht bekommen“, sagt die verärgerte Radlerin.

Die Baustellen, die sie umfahren muss, liegen in der Zuständigkeit der Bahn, wie vom Regierungspräsidium zu erfahren war. Wirklich verbessern wird sich die Situation für die Radfahrer vermutlich erst, wenn die Großbaustelle rund um die neue Autobahn-Anschlussstelle Esslingen beendet ist. Und dafür wurde bisher der Zeithorizont Mitte/Ende 2022 genannt. Was die regelmäßige Reinigung der verschmutzten Radwege angeht, schieben sich Bahn und Kommunen gerade gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Jeder hält den anderen für zuständig.

Für Thomas Rumpf, den Kreisvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), ist die Situation sehr ärgerlich. „Das ist ein Unding“, schimpft er. Oftmals werde man als Radler auch von Baufahrzeugen behindert. Mehr als zwei Jahrzehnte habe man warten müssen, bis der Radweg über das Körschtalviadukt gebaut wurde. Aber unterm Strich sei man nicht wirklich weiter gekommen. „Das ist alles nur Stückwerk“, kritisiert Rumpf. „Wenn es keine durchgängige Verbindung zwischen den Orten gibt, ist der Radweg über die Brücke witzlos.“

Winterdienst nicht geklärt

Nicht nur auf der Neuhausener Seite ist die Situation für die Radfahrer unbefriedigend. Auch auf Ostfilderner Gemarkung müsste noch einiges verbessert werden. Bei Regen stünden Teile des Radwegs Richtung Nellingen regelmäßig unter Wasser, berichtet der ADFC-Kreischef. Froh ist er, dass die Verbindung zumindest mal in den offiziellen Schulwegeplan der Stadt Ostfildern aufgenommen worden ist. Ein Manko ist für ihn die fehlende Ausschilderung. „Ortsunkundige finden den Weg über das Körschtalviadukt gar nicht“, sagt er. Aber da ist Besserung in Sicht. 2020 will der Landkreis die Radwege neu ausschildern.

Ungeklärt ist nach Aussagen des ADFC-Kreischefs die Frage des Winterdienstes. Für den Radweg auf der Brücke habe er die Zusage des Landkreises, dass dort im Winter regelmäßig geräumt wird. Aber für die Verbindungen nach Neuhausen und Ostfildern stehe das nach wie vor in den Sternen. Überhaupt sieht Rumpf vor allem in Neuhausen große Defizite. Für die Verbesserung des Radverkehrs tue die Gemeinde so gut wie gar nichts. Wenn er dort in der Verwaltung anrufe, bekomme er stets die Auskunft, dass man mit anderen Aufgaben schon voll ausgelastet sei.