Die Wirtin des Albengels, Martina Vogt-Bern, und ihr Lebensgefährte Joachim Schreck verstehen nicht, warum das Landratsamt Ihnen die Tierhaltung am Otto-Hoffmeister-Haus verbieten will Foto: Carsten Riedl - Carsten Riedl

Der Streit zwischen dem Landratsmat Esslingen und der Pächterin des Albengel, ehemals Otto-Hoffmeister-Haus, geht vor dem Verwaltungsgericht weiter. Ein Gutachter stützte die Position des Landratsamts, dass die Weidetiere die Qualität der Wiesen im Naturschutzgebiet verändert haben.

Kreis EsslingenHaben die Wiesen am Otto-Hoffmeister-Haus unter den Tieren gelitten, die die Wirtin Martina Vogt-Bern dort weiden lässt, oder nicht? Diese Frage stand im Zentrum der Berufungsverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht. Seit Jahren liegt die Wirtin mit dem Landratsamt Esslingern im Clinch, weil die Behörde ihr die Beweidung zweier Flächen verbieten will. Das Dickicht um Lebensraumtypen, deren Bewuchs und mögliche Schäden sollte ein naturschutzfachliches Gutachten lichten, das das Gericht vergangenes Jahr in Auftrag gegeben hatte.

Der Sachverständige Christoph Vogt-Rosendorff betonte, dass es sich bei mageren Flachlandmähwiesen in dieser Größe um bedeutende Schutzgebiete handelt, die in dem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet Neidlinger Alb nur durch Waldmeister-Buchenwälder übertroffen werden. Gutachten hin oder her: Für den Anwalt von Martina Vogt-Bern ist die Sachlage klar: Eine schützenswerte Glatthafer- oder Flachlandmähwiese hat es am Otto-Hoffmeister-Haus nie gegeben. Wenn überhaupt, sei die Artenvielfalt auf den früher verwilderten Flächen erst durch die Weidetiere entstanden. Eine Sichtweise, der der Sachverständige widerspricht: Die Weideflächen seien 2004 unter anderem wegen ihres Artenreichtums als gut erhaltene magere Flachlandmähwiesen bewertet worden. Damit seien sie ein Fauna-Flora-Habitat. Sie liegen nicht nur in einem FFH-Gebiet, sondern sind auch Teil des Naturschutzgebiets Schopflocher Moor.

Der Gutachter hat die Wiesen vergangenes Jahr im Mai und Juni unter die Lupe genommen. „Die Flächen sind ähnlich artenreich wie 2004. Die Zusammensetzung und das Erscheinungsbild haben sich aber geändert“, stellte er fest. Auch wenn einzelne Arten noch vertreten seien, können sie nicht mehr als magere Flachlandmähwiesen eingeordnet werden, lautete das Fazit des Geografen, das sich mit aktuellen Daten deckt, die das Regierungspräsidium erhoben hat. Der Sachverständige geht davon aus, dass sich die Wiesen schleichend zu einer mageren Weide verändert haben, weil sich dort vielfach Gräser wie der Rot-Schwingel und das Rote Straußgras finden.

Eine wichtige Rolle spielte in der Verhandlung eine Artenliste, die Roland Bauer von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Esslingen vergangene Woche übergeben hatte. Sie war 2004 im Rahmen einer Kartierung erstellt worden. Die Liste belegt, dass die Flächen damals artenreiche Glatthaferwiesen waren.

An dem Papier entzündete sich der Unmut des Anwalts von Martina Vogt-Bern: „Der Sachverständige spricht von einer Liste, die bisher nicht vorgestellt wurde, und er widerspricht seinem schriftlichen Gutachten in Teilen vehement.“ Eine Ansicht, die weder der Staatsanwalt noch der Richter Reiner Skujat teilten. Mehrfach maßregelte der Vorsitzende den Verteidiger, weil er Fragen stellte, die längst beantwortet waren. „Sie können nicht alles so wiederkäuen.“

Als weiterer Knackpunkt kristallisierte sich das Jahr 2010 heraus: In einer landesweiten Biotopkartierung wurde die 0,16 Hektar große Weide, die die Bagatellgrenze von 100 Quadratmetern klar überschreitet, damals nicht mehr als Flachlandmähwiese eingestuft. Deshalb sei auch nicht dokumentiert, welche Pflanzen zu diesem Zeitpunkt auf den Wiesen wuchsen – ein weiterer Kritikpunkt des Verteidigers. Noch ist für Christoph Vogt-Rosendorff die Lage des einstigen Biotops aber nicht völlig hoffnungslos. Damit Glatthafer, Wiesen-Labkraut und Co noch eine Chance haben, müsste bis spätestens 2020 zu einer anderen Pflege übergegangen werden.

Anträge des Verteidigers sorgen für mindestens einen weiteren Prozesstag. Er unterstellte dem Gutachter Befangenheit, weil das Büro, dessen geschäftsführender Gesellschafter er ist, im Bereich der Landschaftspflege auch Aufträge des Stuttgarter Regierungspräsidiums bekomme. Anders als vor einer Woche will er zudem die Unterlagen einsehen, die Bauer dem Gutachter zur Verfügung gestellt hatte. „Die Akteneinsicht können wir ihm nicht aus der Hand schlagen“, sagte der Richter.