Zusammen mit Friedensreich Hundertwasser (rechts) besichtigt Heinz Springmann die Baustelle in Plochingen. Der Esslinger Architekt hat später noch neun weitere Hundertwasser-Projekte umgesetzt. Foto: Archivfoto: Lahoti - Archivfoto: Lahoti

Der Esslinger Architekt Heinz Springmann über die Arbeit mit dem eigenwilligen Künstler Friedensreich Hunderwasser.

PlochingenWie Hundertwasser nach Plochingen kam wollten am Donnerstagabend mehr Interessierte hören als in den Ratssaal des Alten Rathauses passten. Einige mussten mit Stehplätzen vorliebnehmen, andere ganz draußen bleiben. Architekt Heinz Springmann und der Journalist Theo Rombach unterhielten sich im lockeren Dialog über die Arbeit mit dem eigenwilligen, im Jahr 2000 verstorbenen Künstler.

1994 haben Heinz M. Springmann und Theo Rombach ein Buch über die Wohnanlage „Unterm Regenturm“ veröffentlicht. Springmann war der Bauleiter und nicht nur das: Er hatte zusammen mit seinem Kollegen Siegfried Kaltenbach den städtebaulichen Wettbewerb für die Bebauung dieses Quartiers gewonnen. Den Österreicher Friedensreich Hundertwasser holte der damalige Bürgermeister Eugen Beck erst danach für die Gestaltung des Innenhofs nach Plochingen. Damit begann für Springmann ein Abenteuer.

Mit Planzeichnungen und Papier konnte Hundertwasser nicht allzu viel anfangen, seine Welt sei die „dritte Dimension“ gewesen, erzählt der Architekt. Der Österreicher arbeitete am liebsten am Modell, so auch an dem Preisträger-Modell aus Plochingen, wo er mit dem Cutter hier und da ansetzte und etwas abschnitt. Oder auch hinzufügte: „Plötzlich ist in dem Modell ein Turm dringestanden, der Regenturm.“ So gut wie jedes Hundertwasser-Bauwerk habe so ein Element, das nach oben strebt, als „Fingerzeig zum Himmel“, erläutert Springmann.

Ein weiteres absolutes Muss sei Blattgold wie an den Kugeln auf dem Regenturm, die auch im schwachen Licht schimmern – mit Goldfarbe bekomme man diesen Effekt nicht hin. Und obwohl die Kugeln gemessen an der Bausumme und an manchen technischen Tücken letztlich gar nicht so teuer waren, sorgten sie in Plochingen wohl für einige Empörung. Echtes Gold auf dem Dach, das widerstrebt Schwaben wohl.

Um Standards und Normen hat sich der extravagante Künstler aus Wien nicht geschert. Er war kein studierter Architekt, sondern ein Quereinsteiger. Ihn interessierte die Idee eines Bauwerks, das Konzept bis zum Werkmodell. Die Umsetzung überließ er gern anderen, nicht ohne sich Korrekturen vorzubehalten. So mussten in Plochingen die bereits angesetzten Balkone im Innenhof anderes platziert werden. Zudem brauchte Hundertwasser Handwerker, die nicht an Normen wie der Fugenbreite klebten – und einen Bauherrn wie Werner Moll, der das Projekt mit Engagement und Geduld mittrug. Die Ausnahme von der Regel hat Hundertwasser auch bei persönlichen Dingen gern angewandt. Eigentlich lebte er vegetarisch und abstinent, genoss im Bärenkeller aber schon mal einen schwäbischen Zwiebelrostbraten und einen Plochinger Wein. Die Geschichte, wie der Meister wegen seines Erscheinungsbildes mit Schäfermantel und Schlapphut in einem Gasthaus abgewiesen wurde und seine Plochinger Begleiter den Fauxpas gerade noch zurechtbiegen konnten, wurde auch erzählt, wenngleich aus den Zuhörerreihen. Eugen Beck, der an der Veranstaltung nicht teilnahm, hätte bestimmt noch weitere Anekdoten auf Lager gehabt. Soll er doch auch Gemeinderäte beauftragt haben, den Meister bei Besuchen so lange zu beschäftigen, bis es dunkel war und er die Baustelle nicht mehr allzu genau beäugen konnte.

Springmann und Rombach richteten ihren Dialog auf Sachfragen aus, auf Hundertwassers Philosophie und den Umgang damit bei verschiedenen Projekten. Manchen Zuhörern war da vielleicht etwas zu wenig Plochingen drin, es war aber vieles über die Ideenwelt des Künstlers, der auch ein Umweltaktivist war, zu erfahren. Der Natur nicht nehmen, sondern geben wollte er mit seinen Bauwerken, die immer begrünt sind und immer begehbar sein sollten, am besten mit einem Baum auf dem Dach. So sei er zum Pionier der Dach- und der Vertikalbegrünung geworden, sagte Springmann. Und bei aller Farbenfreude war Hundertwassers Lieblingsfarbe Schwarz, was der Bauleiter bei ungeliebten, aber vorgeschriebenen Elementen nutzte: In Schwarz habe man „fast alles durchdrücken“ können.

Für ihn blieb das Plochinger Projekt nicht das einzige, insgesamt hat er zehn Hundertwasser-Bauwerke umgesetzt, zwei sind noch in der Schwebe. Zusammen mit dem Nachlassverwalter des Künstlers, Joram Harel, hat er bei Anfragen aus den vielen dokumentierten Ideen und Skizzen Hundertwassers geschöpft und Konzepte entwickelt. Die noch anstehenden Projekte in den Niederlanden und Korea dürften jedoch seiner Einschätzung nach die letzten sein. Er selbst steuert das Rentenalter an, Harel ist über 80 Jahre alt. Und wenn jemand „keinen persönlichen Bezug zu Hundertwasser hatte und nicht mit ihm diskutiert hat, dann ist das ein Plagiat“, sagt Springmann.

Auch wenn die Hundertwasserobjekte nur einen kleinen Teil seines Architektenlebens ausmachten, waren sie doch prägend. „Ich habe nie mehr Widerspruch und nie mehr Zuspruch gekriegt als bei solchen Projekten“, sagt er. Denn für viele Architektenkollegen ist der Stil des Österreichers indiskutabel. Demgegenüber stehe allerdings die Wirkung, die seine Gebäude auf Menschen hätten, sagte Theo Rombach: Wenn sie den Innenhof am Regenturm beträten, „dann lächeln sie. Das bedeutet, er berührt etwas.“

Der Abend mit Heinz Springmann und Theo Rombach gehört zu einer Reihe im Jubiläumsjahr „25 Jahre wohnen unterm Regenturm“. Als nächstes wird am Mittwoch, 20. März, um 20 Uhr der Film „Hundertwassers Regentag“ im Plochinger Kino Union-Theater gezeigt.