Matthias Kälber gibt den Gästen einen Einblick ins Zentrum Zinsholz. Foto: oh - oh

Weil sich die Bürgerstiftung intensiv mit Themen beschäftigt, die die Arbeit mit jungen Menschen betreffen, lud man in das Jugendhaus Zentrum Zinsholz in Ostfildern-Ruit ein.

OstfildernEinen eher ungewöhnlichen Ort hatte die Bürgerstiftung Ostfildern (BSO) gemeinsam mit ihrer Treuhandstiftung, der Klaus-Jürgen und Heidemarie Futterer-Stiftung, für ihr diesjähriges Stifterforum gewählt. Weil sich die Bürgerstiftung intensiv mit Themen beschäftigt, die die Arbeit mit jungen Menschen betreffen, lud man in das Jugendhaus Zentrum Zinsholz in Ostfildern-Ruit ein. In der Kulturbaracke begrüßte der Stiftungsratsvorsitzende Ernst Hagenmeyer Stifter und Spender, aber auch Menschen, die sich für die Arbeit der BSO interessieren. Für Hagenmeyer ein Zeichen, „dass wir in der Stadt sehr gut wahrgenommen werden“. Er dankte Oberbürgermeister Christof Bolay, dass dieser als Schirmherr die Stiftung begleite. Zugleich betonte er, dass die BSO autark und keinesfalls „eine Abteilung der Stadt“ sei. Vielmehr versteht sich die BSO als eine Institution, die Anstöße gibt und Ideen einbringt. Dass diese fast immer auf fruchtbaren Boden fallen, freut den Stiftungsratsvorsitzenden.

„Es ist die große Stärke der Bürgerstiftung, dass sie ihre Förderung nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern genau überlegt, wo es wichtig ist, Impulse zu setzen“, lobte Bolay. So leiste die BSO einen wesentlichen Beitrag zu gesellschaftlichen Diskussionen und gebe zugleich ganz konkrete Hilfen. Durch ihre starke Verwurzelung in der Stadt bekomme die BSO mit, wo Bedarf besteht. „Sie werden als ernstzunehmender Partner wahrgenommen“, betonte der OB.

Vorstandsmitglied Ludger Eltrop berichtete über die Finanzen wie auch die konkrete Arbeit der Stiftung, die allen Altersklassen zu Gute kommt. Das Spektrum erstreckt sich über kleine und große Aktionen bei sozialen Notlagen, darunter das traditionelle Tafelessen, das in diesem Jahr zum achten Mal stattfindet, Weihnachtspäckchen für Kinder aus Familien mit kleinem Geldbeutel oder „Ostfildern humanitär“, mit dem die Kinderkrebsstation in Ostfilderns ukrainischer Partnerstadt Poltawa unterstützt wird. Neues Schwerpunktprojekt war „Gutes Älterwerden in Nellingen“ mit vier Bürgertischen, an denen Ideen für ein gelingendes Alter gesammelt wurden. Auch auf dem Feld der Integration wie der musikalischen und sportlichen Förderung ist die BSO aktiv. Privilegierte Partnerschaften mit Musikschule, Städtischer Galerie, Stadtbücherei und Offenem Atelier sind ein Erfolgsrezept. Dabei sei die Futterer-Stiftung seit langem ein treuer Partner, sagte Eltrop.

Dass die BSO ihre Förderung kontinuierlich ausbauen konnte, verdankt sie auch der Tatsache, dass sie mehrere Immobilien besitzt – in Zeiten niedrigster Zinsen ein wesentlicher Vorteil. Zwei Wohnhäuser in der Kaiserstraße in Nellingen hat die BSO nach der Sanierung an die Stadt vermietet, die dort bedürftigen Menschen Wohnraum bietet. Durch den Verkauf eines Grundstücksteils bei dem Gebäude in der Maybachstraße an die Kommune konnte diese dort Plätze für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen schaffen. Insgesamt hat die BSO in elf Jahren 266 Projekte durch die Unterstützung von 333 Stiftern realisiert. „Wir sind im elften Jahr unseres Bestehens kein bisschen müde, neue Projekte anzustoßen“, versicherte Eltrop.

Ein weiterer Schwerpunkt des Abends war die Unterstützung junger Menschen. Frank Havlicek, Leiter der Kinder- und Jugendförderung Ostfildern (KiJu), gab einen Überblick über die große Bandbreite der Jugendarbeit in der Stadt. Die BSO sei dabei ein enger und verlässlicher Partner. „Wir sind viele zielführende Wege gemeinsam gegangen“, sagte Havlicek. Ein Erfolgsprojekt der KiJu ist RESET, was für „Respekt, Einsatz, Soziales Lernen, Erfolg und Teilhabe“ steht. Junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren, die straffällig geworden sind, können in der Werkstatt im Zentrum Zinsholz Sozialstunden ableisten und zugleich handwerkliche Fähigkeiten erwerben. Das Besondere: Sie werden, anders als an vielen anderen Einsatzorten, sozialpädagogisch betreut. Dass gerade dafür großer Bedarf besteht, betonte Lea Tavit. Die Sozialpädagogin ist gemeinsam mit Matthias Kälber, der die Werkstatt leitet, für RESET verantwortlich. Insgesamt 233 junge Menschen haben seit 2013 rund 10 000 Sozialstunden im Projekt geleistet. 80 Prozent von ihnen sind männlich, etwa 70 Prozent haben einen Migrationshintergrund, berichtete Tavit. Der weibliche Anteil steigt sichtbar an.

Ziel der Arbeit sei es, das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen und zu erreichen, dass sie ihre Strafe als Chance verstehen. Die Jugendlichen, die überwiegend jünger als 21 Jahre sind, kommen mit vielerlei Problemen – Gewalt, Drogen, Geldmangel und Orientierungslosigkeit sind nur einige davon. Die Mitarbeiter von RESET versuchen, mit ihnen gemeinsam einen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. Die Gespräche dienten aber auch der Tataufarbeitung, betonte Tavit. Im handwerklichen Bereich können Grundfertigkeiten erlernt werden, die später den Einstieg in eine Ausbildung erleichtern. Aber auch Umweltschutzthemen und der Schutz von Ressourcen werden den Teilnehmern vermittelt. Viele gemeinnützige Aktivitäten hat das Team mit den jungen Menschen bisher durchgeführt. Die Verschönerung des Herzog-Philipp-Platzes in der Parksiedlung gehört ebenso dazu wie der Bau eines Parcours beim Trendsportfeld. Auch beim Neubau der Kulturbaracke im Zinsholz haben sie mit angepackt. Dadurch könnten die jungen Leute Durchhaltevermögen beweisen, Probleme gemeinsam lösen und eigene Fähigkeiten erkennen, statt Arbeiten zu erledigen, die sonst keiner machen wolle, sagte Kälber.