Fern hinter dem Altar aus Weizenstroh zeigt sich die Alb Foto: Dietrich - Dietrich

Der ökumenische Erntebittgottesdienst auf den Wangerhöfen bei Köngen führt eine über 200 Jahre alte Tradition weiter, die nach dem Hungerjahr 1816 begann.

KöngenWas hat das exakt 200 Jahre alte Cannstatter Volksfest mit dem Erntebittgottesdienst auf den Köngener Wangerhöfen zu tun? Beide haben exakt den gleichen Hintergrund , und der liegt in Indonesien , erfuhren die über 300 Gottesdienstteilnehmer. Dort war im Jahr 1815 der Vulkan Tambora ausgebrochen, der als nicht mehr aktiv galt. Was er an Asche und Schwefel in die Atmosphäre schleuderte, verursachte 1816 in Europa das „Jahr ohne Sommer“ mit katastrophalen Missernten. Die Hungerbrote wurden mit Blättern, Wurzeln, Gras und Sägespänen gestreckt und immer kleiner.

Auf dem Höhepunkt der Krise wies im Mai 1817 der württembergische König Wilhelm I. als oberster Kirchenherr seine Pfarrer an, am 6. Sonntag nach Ostern (Exaudi) über Psalm 95, 3-6 zu predigen, wo es um die „Wünsche für die Fruchtbarkeit des gegenwärtigen Jahres“ geht. Auch künftig sei noch einige Monate lang in den Gottesdiensten für die Ernte zu bitten. Es sei zur „zweckmäßigen Wohlthätigkeit“ zu ermahnen und vor dem „verderblichen Bettel“ zu warnen.

Der König beließ es nicht bei der Aufforderung zum Beten. Demonstrativ traten er und seine Frau Katharina als erste Mitglieder dem neuen Landwirtschaftsverein bei, der die Landwirte beraten und neue Geräte verbreiten sollte. Als Landwirtschaftliche Lehr- und Versuchsanstalt wurde der Vorläufer der Universität Hohenheim gegründet. Auf dem „Landwirtschaftlichen Hauptfest“ in Cannstatt – dem Ursprung des Volksfests – wurden die neuen Errungenschaften präsentiert.

So begannen nach dem Erlass des Königs vor gut 200 Jahren auch in Köngen die Erntebittstunden. Dort haben sie inzwischen das Kirchengebäude und den kleinen Kreis verlassen und werden seit vielen Jahren auf den Wangerhöfen gefeiert, organisiert vom Landwirtschaftlichen Ortsverein und in guter ökumenischer Tradition. Nur die Evangelisch-methodistische Kirche fehlte diesmal, sie feierte einen großen Gemeindetag in Heilbronn.

Eine schattige Weise mit jungen Bäumen neben der großen Halle war zum Feiern genau richtig, dazu Bierbänke, ein Altar aus Weizenstroh und der Posaunenchor Köngen. Hinterher gab es wie immer ein Ständerling mit Milch, Wasser, Saft und Wecken. Diesmal war zusätzlich das Café-Tee-Mobil des Kreisdiakonieverbands zu Gast. Es hat alles an Bord, was es zu richtig gutem Kaffee braucht, bis hin zur professionellen Mini-Spülmaschine.

Der Kreisdiakonieverband hatte auch den mobilen Tisch mitgebracht, mit dem er zur Feier von „Zehn Jahre Vesperkirche“ unterwegs ist. Seine fünf Segmente wurden im Gottesdienst zusammengesetzt und standen für fünf Bereiche der Landwirtschaft: Obst, Wein, Getreide, Vieh und Gemüse. Weil die Apfelernte 2017 schlecht war, lag auf diesem Segment nur ein leerer Korb und ein einziger Apfel.

Den Gottesdienst gestalteten Harald Koepke, ein katholischer Laie, und die evangelische Pfarrerin Ursula Ullmann-Rau. Sie erinnerte an die schlaflosen Nächte mancher Bauern. Eine schlechte Ernte sei schlimm, aber auch eine reiche Ernte könne Probleme bereiten, weil dann die Preise stark sinken und der finanzielle Ertrag schlecht sei. Die Predigt und eine Sprechmotette mit mehreren Sprechern erinnerten nicht nur daran, dass „jede gute Ernte immer wieder neu eine Gabe Gottes“ sei. Sie hinterfragten auch unsere Konsumgewohnheiten: Muss es Erdbeeren zu Weihnachten geben? Müssen Äpfel wirklich aus Argentinien herreisen? Nicht nur der Bauer ernte, was er säe, das gelte für das ganze Leben – je nach dem, ob einer Liebe oder Hass, Mitgefühl oder Härte, Wärme oder Kaltherzigkeit säe.

In den Fürbitten ging es nicht nur um den Schutz vor Unwetter, sondern auch um die Bereitschaft zum Teilen. Denn manchmal ist die Ernte groß genug, aber das Problem sind statt Hagel die harten Herzen. Beim Opfer erwiesen sich die Teilnehmer als (Geld-)Scheinwerfer, die beiden Zähldamen hatten ordentlich zu tun. Das Geld kommt dem Notfonds des Evangelischen Bauernwerks für in Not geratene Bauernfamilien zugute.