Bürgermeister Steffen Weigel und seine Frau. Foto: Dietrich - Dietrich

400 Besucher beim Neujahrsempfang der Stadt. Bürgermeister Weigel fordert gerechte Gesellschaft

WendlingenRund 360 Bürger hatten sich zum Neujahrsempfang der Stadt Wendlingen angemeldet, es sind dann noch ein paar mehr gekommen. Zog sie das ausgiebige Wiedersehen von geschätzten Bekannten, der Imbiss mit Bioprodukten, der Musikverein Unterboihingen oder ein Bürgermeister, der erfreulichen Klartext redete sie dazu motivierte: Bei vielen war es die gelungene Kombination all dieser Punkte.

Lange war die Schlange am Eingang, denn Bürgermeister Steffen Weigel und seine Frau Esther Müllerschön begrüßten jeden Besucher persönlich. Lange war die Liste mit Ehrengästen, die den Weg in den Treffpunkt Stadtmitte gefunden hatten. Lang war auch Weigels Neujahrsrede, aber zugleich kurzweilig. Nach einem Rückblick wurde er sehr grundsätzlich und nannte, was er in der Gesellschaft vermisst: „Das Element der Liebe, genauer der Nächstenliebe, ist eines, das mir im täglichen Diskurs viel zu kurz kommt.“

In seinem Plädoyer für die christliche Soziallehre beschrieb er deren Aufgaben: „Es geht um die Bekämpfung des Hungers, um die Hilfe für Witwen und Waisen, um die Beschaffung von Arbeit, das Erbarmen und die Hilfe für die Kranken, um das Obdachgeben für Fremde, die Speisung von Hungernden und Durstigen, die Kleidung von Nackten, die Pflege von Kranken, Alten und Behinderten und die Anerkennung der personalen Würde der Frau, was wir heute mit Gleichberechtigung zum Ausdruck bringen wollen.“ Doch die Nächstenliebe stoße an ihre Grenzen, „sobald der Staat mit seiner Steuerpolitik zur Stärkung der benachteiligten genannten Gruppen beitragen soll. Umverteilung wird zwischenzeitlich von vielen als etwas Negatives wahrgenommen“. Doch der Ausgleich sei nötig, „damit alle dieselben Chancen haben und sich Schichten nicht über Generationen hinweg verfestigen“.

Lang ist die Liste der Vorhaben in Wendlingen in diesem Jahr: Weigel erwartet, dass der Bau des Gemeindezentrums an der Johanneskirche beginnt und die schmerzliche Lücke im Einzelhandel in der Unterboihinger Straße, wo früher die Firma Häfner war, durch einen Neubau an gleicher Stelle geschlossen wird. Der Brückenbau über die Lauter zur Erschließung des Neubaugebiets Steinriegel I soll beginnen, die Erweiterung des Stadtmuseums abgeschlossen werden. Die Weberstraße soll aufgewertet, die Innenstadt durch weitere Möblierungen verschönert werden. Nach 30 Jahren Planung und Ausführung sei die Bahnunterführung in der Schützenstraße nun in Betrieb und werde immer stärker genutzt. Sobald die Landesstraße in die Heinrich-Otto-Straße verlegt sei, werde die Innenstadt noch mehr vom Verkehr entlastet. Das Smart-City-Projekt befindet sich in der Pilotphase. Öffentlich geförderter Mietwohnungsbau steht erst 2020 an. Weigel sieht die Notwendigkeit, die CO2-Bilanz der Stadt auf allen Ebenen zu verbessern, unter anderem mit der Förderung des Radverkehrs und der Fußgänger. An Jubiläen stehen 70 Jahre Egerländer Gmoi und 60 Jahre Musikverein Unterboihingen an.

Weigel machte auch klar, was die Stadt nicht tun will: Die vielfältigen Verwerfungen durch die „sogenannten sozialen, aber doch eigentlich asozialen Medien“ bestätigten ihn darin, „dass es richtig war, als Stadtverwaltung nicht auf jeden Zug aufzuspringen und damit völlig unmoralischen Großkonzernen Tür und Tor zu unserer Datenwelt zu öffnen“. Weigel will in einem „freiheitlichen, friedlichen und prosperierenden Europa“ leben und wünscht sich, dass „Possen, wie wir sie momentan in Großbritannien erleben müssen, sich nicht in anderen Ländern, insbesondere nicht in Deutschland wiederholen“. Dafür erhielt er kräftigen Beifall. Nochmals kräftiger war der Applaus bei Weigels Feststellung, dass „diejenigen, die aktuell am lautesten die Verteidigung des christlichen Abendlandes fordern, diese christlichen Werte am wenigsten achten“.

Liebe gibt es für Weigel auch zum Beruf. „Ich für meinen Teil habe, so glaube ich, meinen Platz gefunden und übe meinen Beruf mit Freude, Hoffnung und Liebe aus.“ Also will er bei der Bürgermeisterwahl in diesem Jahr wieder antreten.